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Stützen der Gesellschaft

~ Darf ich noch ein Stück Torte anbieten?

Stützen der Gesellschaft

Archivi Mensili: ottobre 2014

Die Tränendrüse des virtuellen Zeitalters

31 venerdì Ott 2014

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Es gab den Plan, einen Pranger im Internet einzurichten. Dieser Pranger ist, wie so vieles, auf den ersten Blick eigentlich gut gemeint gewesen– es geht darum, Ort, Zeit und Sachverhalt sexueller Belästigung an Universitäten darzustellen. Aber wie es nun mal mit Prangern im Internet so ist, schreiben können dort im Prinzip alle, und was eine Belästigung ist, können sie selbst definieren. Oder auch aufbauschen. Oder sich Identitäten erfinden, um so etwas zu tun. Internetpranger sind dafür besonders anfällig. Im normalen Leben gibt es Universitätsmitarbeiter, Ermittlungsbehörden und Gerichte, die darüber befinden, was nicht akzeptabel ist, und Strafen aussprechen, aber dieser Pranger macht es nicht nötig, sich an sie zu wenden. Mit einer App sind Betroffene in der Lage, ihre Erfahrungen sofort zu berichten, und die Organisation dahinter hat das veröffentlicht. Ganz modern, mit Karte und Visualisierung.

hollaa

Dazu ist es in der eigentlich gewünschten Form nicht gekommen. Die Organisation ist mit dem Versuch, dieses Projekt per Crowdfunding zu finanzieren, gescheitert. Vielleicht, weil diese Organisation eine Sprache bemüht, die Interessierten signalisiert, dass hier eher eine harte Sichtweise vertreten wird: „Survivors“ ist das Wort für Betroffene, und generell wird eine „zero-tolerance“-Kultur gegen sexual Harassment gefordert. Auf der einen Seite ist da ein recht sektiererischer Eindruck, auf der anderen Seite ist das Vorgehen der Gruppe mit starker Emotionalisierung nicht wirklich so wissenschaftlich, wie man sich den Anschein geben möchte. So wird erst umfassend aus dem schockierenden Bericht einer Betroffenen zitiert, um dann die erschreckend klingenden Ergebnisse von Untersuchungen zu präsentieren. Wie aussagekräftig die eigenen Untersuchungen sind, an deren freiwilliger Beteiligung vor allem Betroffene interessiert gewesen sein dürften, wird nicht debattiert. Aber die Zahlen sind wirklich heftig. 51% der männlichen Studenten, so die Organisation, gebe laut einer anderen Studie selbst zu, andere sexuell zu belästigen.

Auf der Kampagnenseite steht das ohne direkten Hinweis darauf, wo die Zahl eigentlich herkommt. Wer sich auf die Suche begibt, findet eine Studie des Jahres 2006 der American Association of University Women, einer Lobbyorganisation, die sich besonders dem Kampf gegen Ungleichheit, Benachteiligung und sexueller Belästigung verschrieben hat. Wer sich die Studie mit ihrer eher fragwürdigen Methodik zu Gemüt führt, wird sich vielleicht etwas wundern, denn die Definition von sexueller Belästigung der besagten Survivors ist selbst definiertes „unwanted and unwelcome sexual behavior“, und dessen Grenzen sind recht weit gesteckt; nicht nur Vergewaltigung oder Missbrauch, sondern auch

Made sexual comments, jokes, gestures, or looks

Showed, gave or left you sexual pictures, photographs, web pages, illustrations,
messages or notes

hollab

Nach dieser Definition hätte dieses nichtpuritanische Blog längst abgeschaltet und auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden müssen, denn in den letzten Tagen wurde es als Gefahr für die Meinungsfreiheit von radikalfeministischen Autorinnen und ihren Helfern eingestuft, weil es sich über einige gehässige Marotten von Aktivistinnen berichtete, und gern Bilder von leicht bekleideten Frauen des Rokoko zeigt. Wissenschaft ist eigentlich die neutrale Untersuchung von Ereignissen und nicht Lobbyarbeit, deren scheinbar dramatische Ergebnisse nur möglich sind, wenn als unerwünscht empfundene Blicke schon als „sexual harassment“ definiert werden. Letztlich bleibt davon bei der Kampagne für den Internetpranger nur das Totschlagargument von „51% der männlichen Studenten“ übrig, und in einem weiteren Beitrag einer Aktivistin wird das nochmal schlimmer.

Studies show that 51% of college men admit to harassing their female counterparts, which of course means the reality is much, much worse.

Aber wie schon erwähnt, die Initiative ist gescheitert, und auch, wenn sich in Deutschland die Boell-Stiftung hinter eine weitere derartige Studie klemmt, ist Hollaback bislang eine kleine, obskure und nicht sonderlich erfolgreiche Pressure Group gegen das gewesen, was sie als sexuelle Belästigung auffasst. Zumindest bis vorgestern.

Vorgestern ging ein Video durch die Decke, das zeigt, wie eine normal bekleidete, junge Frau, stur gerade aus blickend, innerhalb von zehn Stunden in New York über hundert mal belästigt wird. Der Film ist von Hollaback zusammengeschnitten und zeigt alles von einem wirklich gefährlich wirkenden Mann, der die Frau verfolgt, über sogenannte „Catcalls“ wie „nice“ bishin zu einem „Have a nice evening“, was der Verfasser dieses Beitrags auf dem Weg zum Bäcker auch mehrfach gegenüber wildfremden Rentnern ohne jeden Hintergedanken äussert, weil man das hier halt so macht. Aber das ist eine subjektive Definitionsfrage, im Video offensichtlich „unwanted“ und damit Harassment, und geht im Moment auf 20 Millionen Views zu. Das wird zur Kenntnis genommen, darauf springen die Medien an und verbreiten es weiter. Mit welchen Begrifflichkeiten Hollaback argumentiert, welche Ziele sie haben und ob die erhebliche Differenz zwischen der allgemeinen Auffassung von sexueller Belästigung und dem, was die Gruppierung daraus zum eigenen Nutzen machen will, sinnvoll sind, wird nicht weiter angesprochen.

hollac

Es ist ein wunderbares Beispiel der Verführung, die mit solchen Netzphänomenen möglich sind : Über die Verbreitung geht der Kontext verloren, und gegen sexuelle Belästigung, so die implizierte Aussage, sollten wir doch alle sein – unterstützt Hollaback, die Aufklärer, die zeigen, wie schlimm das alles ist. Teile des Internets gingen noch auf die Barrikaden, als Ursula von der Leyen mit einer ähnlich an das gesunde Volksempfinden appellierenden Kampagne Netzsperren wegen Kinderpornographie durchsetzen wollte. Als Stephanie zu Guttenberg im Fernsehen Pädophile vorführen liess und ihre Prominenz nutzte, um das Internet als besonders gefährlichen Ort des Kindesmissbrauch darzustellen, gab es aus dem Internet geharnischte Proteste. Man sah deutlich, wer hier die Freiheit mit extremen Beispielen einengen will, und welche Interessen im Hintergrund zu finden sind. Der Kontext entscheidet über die Beurteilung, und Hollaback, die jahrelang mit ihrem Kontext auf keinen grünen Zweig kamen, haben jetzt den Kontext weggelassen, und weltweiten Erfolg für ihre Kampagne.

Die Ironie an der Geschichte: Möglicherweise haben sie selbst mit diesem durchschlagenden Erfolg so nicht gerechnet und keine weiter reichende Kampagne zu initiiert. Das Video steht für sich selbst, aber mehr als das bisherige Anliegen mit den Geschichten Betroffener wird dadurch nicht gefördert. Und dann gibt es auch noch andere Gruppierungen, die ihre Benachteiligung in die Öffentlichkeit tragen wollen: Ausgerechnet dieses Video wird wegen Rassismus kritisiert, denn aus Sicht von schwarzen Bürgerrechtlern zeigt es, wie eine weisse Frau von hauptsächlich nichtweissen Männern belästigt werden. Es folgt nach dieser Interpretation einem alten, rassistischen Schema, und es wird der Hintergedanke unterstellt, Hollaback würde mit der Bedrohung einer weissen Frau durch schwarze Männer vor allem reiche, weisse Spender ansprechen wollen. Der eigentliche Kontext der Gruppe geht zwar verloren, ein neuer, aber auch nicht schöner Kontext wird daran festgemacht. So ist das, im Internet. Es fehlen eigentlich nur noch die Quotenanhänger, die Hollaback vorwerfen, den viel schlimmeren Aspekt der Benachteiligung durch gläserne Wände im Berufsleben durch weisse, heterosexuelle, mächtige Männer zu ignorieren.

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Das hier ist die Realität, ein offener Brief von Juraprofessoren in Harvard, die sich bitter über neue Richtlinien der Hochschule zum Thema „sexual Harassment“ beschweren. Die Richtlinien entsprächen in keiner weise dem, was sie ihren Studenten als gerechtes Verfahren beibringen, die Bezichtigten hätten kaum Möglichkeiten, sich innerhalb der Universität gegen die Anschuldigungen zu wehren. Das ist die andere Seite, dummerweise hat sie kein schockierendes Video, sondern nur ein althergebrachtes Medium und Argumente und Zusammenhänge, die kaum zur Kenntnis genommen werden.

Auch das ist Teil des Kontextes, in dem das Video steht. In diesem Kontext sind Morddrohugen gegen die Schauspielerin genauso wie die Frage, was das Fehlverhalten ist, wer darüber entscheidet und welche Konsequenzen zu ziehen sind. Hollaback steht, wie so oft im Bereich der viralen Ereignisse, für Partikularinteressen, für „zero tolerance“ und einen möglichst weiten Begriff, und darüber müsste man einmal reden, bevor die nächste Serie mit getwitterten Witzen über den Öttinger oder den Berliner Flughafen die Aufmerksamkeit der Massen beansprucht.

Was ist das, Miete? – Ein Hoch auf die Helikoptereltern

29 mercoledì Ott 2014

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Schrbbschrbbschrbbschrbbschrbbschrbbschrbbschrbb

Was darf ich Ihnen bringen?

Ja, also, die Muscheln für die Tochter. Als Vorspeise. Auf die Muscheln haben sie sich geeinigt, als die Tochter zuerst nur Fisch wollte, aber auf der Tageskarte standen so schöne andere Speisen. Kindchen, haben sie gesagt, das musst du probieren. Nicht gesagt haben sie „denn leider muss unser Schatz morgen wieder mit den Keimen und Bakterien der Unikantine kämpfen“, aber gedacht haben sie es, und sie deshalb genötigt, auch eine Vorspeise zu nehmen. Und bei den Dolce sind sie sich noch nicht sicher, je nach Lust und Laune, erst einmal den Wein. Einen guten Wein zu einem schönen Wochenende am See, das sich unter einer dramatischen Wolkenformation dem Ende zuneigt. Morgen wird die Tochter wieder allein über dem Bachelor leiden, die Eltern werden einsam die S-Klasse aus der Hotelgarage steuern, aber heute wird noch einmal richtig gefeiert.

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Und geredet. Über die Probleme, die so anstehen. Zum Beispiel ist sich die Tochter nicht sicher, wie das alles weitergehen soll. Für die ersten Jahre hat die Wohnung wohl ausgereicht, aber inzwischen merkt sie die Nachteile, die lange Fahrerei mit der U-Bahn, die Lage weit draussen, und ausserdem steigen Mieten und Nebenkosten, besonders in München. Das sei alles sehr trist. Für die Eltern, die dem Aussehen nach in einem der besseren Häuser in Tegernsee logieren, ist das ein schmerzensreicher Dolch im Herz. Natürlich kann die Tochter, das steht ausser Frage, daheim allen Platz der Welt haben, aber die Zustände in München sind nun einmal eng, und ausserdem wollen Eltern immer, dass ihre Kinder es besser haben. Diese Tochter hat es nicht besser und auch, als die Muscheln kommen, bessert sich ihre Lage kaum: Die Aussicht auf ein dunkles Loch im Münchner Westen während des Winters ist nicht wirklich schön. „Es einmal besser haben“ sieht anders aus, und schon der Start ins eigene Leben ist schwierig.

Es könnte schlimmer sein, denn wenn sie etwas braucht, kommen die Eltern und finanzieren ein Wochenende an einem der oberbayerischen Seen. Sie werden immer da sein, wenn die Tochter in Bedrängnis ist und, so wie sie Anteil nehmen, auch dann, wenn es vielleicht gar nicht nötig wäre. Allgemein wird das, was sich am Nebentisch zwischen Muschelbergen und Schwertfisch in Hilfsangeboten ergeht, in den Medien als „Helikoptereltern“ geschmäht – die bittere Folge der Ein-Kind-Familie mit verwöhntem Nachwuchs und Eltern, die vom elitären Kindergarten bis zum Auslandsaufenthalt in Oxford immer auf des Beste für das Kind achten. Mit dem Ergebnis, dass die Kinder vollkommen verhätschelt und nie wirklich selbstständig werden, weil immer jemand da ist, der für einen das Leben in den Griff bekommt.

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Denn das Fahrrad wird geklaut, da muss ein neues her. Ver der Prüfung wird die Ernährung auf Rockstar und Snickers umgestellt, das ist ein Alarmsignal und so wird das Kind zum Essen ausgeführt, damit es auch mal wieder auf andere Gedanken kommt. Papierkram macht der Vater und die Mutter beschäftigt sich mit der Fauna und Flora in Bad und Küche. Es gibt tausende von Anekdoten über lebensunfähige Kinder, die schon am Glascontainer scheitern und deren Kühlschrank randvoll mit verwesten Dingen ist, deren Beseitigung einen HAZMAT-Anzug empfehlenswert macht. Unter den vom Schreibtisch gewischten Ordnern findet sich auf dem korrekten stratigraphischen Niveau auch die zu Weihnachten so sehr gewünschte, dann aber verschwundene Straussenledertasche wieder. Und sollte sie doch verborgen bleiben, wird das Umzugsunternehmen Papa sie am Ende finden – es sei denn, man beschliesst, dass man die ganze Einrichtung einfach an den nächsten Mieter verschenkt, weil man keine Probleme haben will, und das Kind ohnehin alles neu bekommt.

So macht man sich lustig und verweist darauf, dass es früher ganz anders war und Kinder natürlich allein klar kommen mussten, ohne dass die Eltern jede Woche Kriseninterventionseinsätze durchführten. Das ist richtig. Ich kenne das von mir selbst und von meiner Alterskohorte. Unsere Eltern waren Helikoptereltern mehr im Sinne des Vietnamkriegs, sie flogen uns ein, warfen uns an der Landezone hinaus und schrbbschrbbschrbbten weiter in die Toskana. Ein Mobiltelephon, um sie dort zu erreichen und zu einem Sondereinsatz aufzufordern, gab es auch nicht, geschweige denn Internet. Das muss man sich mal vorstellen, wir waren wirklich mutterseelenallein ganz auf uns gestellt, drei Wochen lang und wirklich niemand war da, uns zu helfen – in unseren schicken Eigentumswohnungen exakt zwischen der Universität und der Feiermeile in jeweils 200 Meter Entfernung. Schliesslich warfen unsere Eltern niemanden einfach im Dschungel des Studiums aus dem Hubschrauber. Es gab eine sorgsam geplante, gekaufte, voll selbstfinanzierte und ausgestattete Basis, und dort lernte man im Umgang mit anderen schnell den skrupellosen Einsatz von Klassismus, wenn sie fragten, wieviel Miete man hier in dieser Traumlage bezahlte – Miete? Was ist das, Miete?

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Ich habe diese Wohnung auch heute noch, und heute wird sie vermietet. Dadurch lerne ich diese viel geschmähten Helikoptereltern – „Arzt sucht für seine Tochter“ – kennen, die eigentlich, dem Gefühl nach, auch gern kaufen würden. Bei uns war das noch eine einfache Entscheidung: Das Studium dauerte minimal sechs Jahre, man blieb, wo man angefangen hatte, und dass es wirklich so sein würde, dafür sorgte auch die Annehmlichkeit der gekauften Wohnung. Es waren klare, geordnete Verhältnisse vom ersten Tag an. Das machten alle so. Es gab höchstens ein Erasmussemester, die meisten gingen nach München und kamen dann wieder, um die Praxis, Firma oder Karriere der Eltern zu übernehmen, oder wenigstens zu heiraten und eine Familie zu gründen. Schon damals wirkten solche Wohnungen abnorm teuer, und sie lohnten sich nur, wenn man sich dadurch jahrelang die Miete sparte. Im ersten Moment begrenzen solche Anschaffungen auch bei Vermögenden deutlich die finanziellen Spielräume, und würden heutige Eltern exakt jene Wohnungen kaufen, die meine Eltern erworben hätten, müssten sie mehr als eine halbe Million auf den Tisch legen. In einem Land, in dem der Reichtum bei eher bescheidenen 220.000 Euro Vermögen pro Person beginnen soll. Das rechnet sich langfristig, denn das Kind hat danach, wenn es bleibt, einen soliden Grundstock und einen sicheren Hafen – aber kurzfristig bleibt da nur selten Spielraum für weitere, üppige Zuwendungen, die per Helikopter eingeflogen werden.

Das war die Welt vor der Bolognareform, und unsere Kreise zogen wir zwischen Donau und Tegernsee. Heute sind längere Aufenthalte im Ausland üblich, dazu Studienortswechsel, Praktika bei globalen Firmen, und das alles in einem enorm verkürzten Studium und nach einem achtstufigen Gymnasium. Bevor unsereins nach – im schlimmsten Fall – Bund oder Zivildienst und all den Feiern übernächtigt nach den Hörsälen für seine Studienpremiere suchte und sie nicht fand, dafür aber ein hübsches Cafe, sind die Studenten heute schon fertig, im Sinne von „haben ihren Nachweis eines Bachelor-Halbstudienganges erworben“. Und gearbeitet wird dort, wo einen der Markt und die Karriereversuche hinwerfen. Da ist so eine Eigentumswohnung nur ein Klotz am Bein, das lohnt sich nicht, da wird dann lieber gemietet, und so bleibt einem dann auch eine grosse Ausgabe erspart. Effektiv ist das immer noch teuer, gerade in München, aber die Kosten engen das Dasein der Vermögenden nicht spürbar ein. Es ist ohne den Kauf einer Wohnung mehr Geld verfügbar, und das wird dann über Jahre verteilt in die Zukunft des Kindes gesteckt, angefangen beim der Zuppa Inglese am Nebentisch bis zur Finanzierung des MBA an der amerikanischen Ostküste. Bei meinen Eltern war der Kauf einer Wohnung noch ein Akt der selbstgewählten Grosszügigkeit, die modernen Eltern dagegen sind Getriebene der Gezwungene der Globalisierung, und müssen sich zudem in Titelgeschichten vorwerfen lassen, sie würden versagen. Ausgerechnet von Leuten übrigens, die Journalisten oder Soziologen, und noch dazu an einer Berliner Universität geworden sind. Oh the irony.

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Es ist so wie überall: Die alten, patriarchalen Strukturen werden durch neue Wettbewerbe in Frage gestellt. Ständig kommt jemand mit neuen, laut geplärrten Forderungen an, für die das bisher gewohnte Leben keine adäquate Antwort hat. Wer nicht spurt, sagen sie, riskiert die Zukunft seiner Kinder. Alte Gewissheiten gelten nicht mehr, und weil damit weder Eltern noch Kinder wirklich klar kommen, entsteht dadurch eine Art fortdauernde Schicksalsgemeinschaft der Modernisierungsgegner. Es gibt – gerade in München – Anzeichen dafür, dass es den Mensche reicht, und sie deshalb den Transrapid, die dritte Startbahn, Hochhäuser und Olympia ablehnen. Draussen fährt dafür eine Gondel vorbei. Wir haben jetzt wieder Gondeln am See. Und Gondoliere. Das ist fein. Aber das ändert noch nichts an den komplexen Rahmenbedingungen, mit denen Kinder und Eltern in der Phase zwischen Schule und Beruf konfrontiert sind. Würden sich die Eltern anders verhalten, gäbe es sicher eine Titelgeschichte über die herzlosen Alten, die in der Toskana fast schon das Blut ihrer von Studium und Beruf überlasteten Kinder saufen. Das gehobene Bürgertum definiert nicht mehr die geltende Moral in diesem Land, es wird von den neuen Ideologien vor sich her getrieben. Das mag denen gefallen, die vor 20 Jahren nur ungern meine Gegenfrage – was ist das, Miete? – hörten, aber derartig bedrängt hält man sich eben, so gut es geht, nach Möglichkeit an die natürlichen Verbündeten.

Was so toll daran sein soll, keine Helikoptereltern und dafür gnadenlose, ungeduldige Vermieter zu haben, habe ich übrigens nie verstanden. Man gewöhnt sich schnell an die Vorteile, es tut nicht weh, und hier in Bayern sagt man, dass man lieber von der lebenden als von der toten Hand nimmt.

Wizorek und Pirincci – was bringt Hass im Internet?

24 venerdì Ott 2014

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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mit sehr vielen, leider sehr hässlichen Links

Manche Vorgänge sind so treffend, man könnte sie gar nicht besser erfinden; Vor ein paar Wochen gab die Zeit zwei feministischen Autorinnen viel Platz, sich negativ über eine „Horde“ von „wütenden, weissen, alten Männern“ auszulassen, die Angst um ihre Privilegien hätten und deshalb gegen den Feminismus anschrieben. Das nahm der Zeit-Magazin-Autor Harald Martenstein zum Anlass, ironisch zurückzufragen, ob sie denn jung und schwarz wären, und ab welchem Alter man eigentlich nicht mehr von einem Netzwerk, sondern von einer Horde sprechen könnte. Die meisten Leser dürften das als Hinweis verstanden haben, dass die feministisch-verbale Herabwürdigung und die Definition über Alter und Rasse vielleicht keine so guten Ideen sind, selbst wenn solche Umschreibungen im Internet – eine der Autorinnen ist verbunden mit der Aufschrei-Bewegung – üblich sind.

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Der Berliner Caspar Mierau ist ebenfalls den Protagonistinnen dieser Bewegung nahe und schrieb einen weithin verbreiteten Beitrag, in dem er Martenstein wegen seiner Ironie als „Rassist“ bezeichnete. Das geht schnell in unseren bewegten Zeiten, und andere FreundInnen des Aufschrei stimmten ein und fragten die Zeit, warum sie so einem ein Forum bieten würde, und forderten seine Entlassung – seine, wohlgemerkt, nicht die derjenigen Autorinnen, die mit ihrer Zuschreibung ganz unironisch tatsächlich typologisierende Merkmale definiert und an realen Personen dargestellt hatten. „Dude“ ist dafür das feministisch-bewegte Slangwort, das im Internet für all die negativen Merkmale steht. Oder gleich Begriffe wie „Masku“, „Nazi“ oder „menschlicher Abschaum“.

Martenstein, so der Tenor bzw. der Sopran der Empörten, muss weg. Weg muss auch eine Rezension des Männerrechtlers Arne Hoffmann, der bei Amazon das neue Buch der selbststilisierten Aufschrei-Initiatorin Anne Wizorek hinterfragt, und deshalb mit einer gezielten Aktion diskreditiert werden soll. Weg muss der Blogger Sascha Pallenberg, der es wagte, einer Aufschrei-Feministin eine falsche Aussage zu nachzuweisen, und deshalb Anne Wizorek zufolge keinen Platz mehr auf einer Konferenz mehr erhalten sollte. Und dann ist da noch der freie Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung Hakan Tarniverdi, der auch bei Anne Wizoreks Projekt kleinerdrei wirkt und bei der SZ einen höhnischen Beitrag schrieb, als die Übertragung einer Ansprache von Wikileaks-Gründer Julian Assange zusammenbrach – im Vorfeld der Veranstaltung hatte man in Aufschreikreisen öffentlich Stimmung gegen den Vortrag gemacht. Tarniverdi hat jetzt eine Kolumne in der deutschen Wired und bezeichnet Meinungsfreiheit wörtlich als „verlogenes Ideal“, wenn eine Debatte sich gegen den Feminismus wenden sollte.

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Ein gewisser Jürgen Geuter – auch er im Aufschrei-Netzwerk gut verdrahtet – betreibt aus vermutlich ähnlichen Gründen eine Seite im Internet, die die Frage stellt, ob der Autor dieses Beitrags noch bei der FAZ arbeitet. Kleinigkeiten wie Hitler-, Breivik-, NPD- und AfD-Vergleiche lasse ich einfach mal aussen vor; es wäre jedenfalls nicht weiter schwer, aus den Ereignissen der letzten Wochen einen Beitrag zu bauen, der überdeutlich aufzeigt, warum der Kern dieser Gruppe mit seinen Zielsetzungen vielleicht doch besser nicht „das neue Gesicht des Feminismus“ werden sollte, wie das so hoffnungsfroh von einer äusserst wohlwollenden Feministin in der Zeit geschrieben wurde. Dieser spezielle, alles andere als repräsentative Netzfeminismus ist mit seinen stetig wiederkehrenden Empörungs- und Diskreditierungswellen nicht nur in flapsigen Bemerkungen wie „Feminismusfuckyeah“ obszön, sondern auch hinderlich für die eigentlich verkündeten Ziele.

Denn auf der anderen Seite des politischen Spektrums stehen nicht minder simpel agierende Autoren wie Thilo Sarrazin oder aktuell ähnlich obszön Akif Pirincci, die genau das als angebliche Normalität beschreiben, was hier von ein paar ExtremistInnen versucht wird: Dass es in den Medien eine Meinungsdiktatur gibt, die den „gesunden Menschenverstand“ ignoriert, Andersdenkende wegbeisst und der „schweigenden Mehrheit“ Ideologien aufzwingt, die sie nicht haben will. Dass Pirincci ähnlich wie Wizorek einen Hang zu F-Wörtern bei der Bekräftigung seiner Thesen hat, ist nur ein Detail am Rande. Beide Welten ergänzen sich perfekt: Auf der einen Seite steht der von seinem Führungsvermögen viel haltende Facebook-Star, dessen Zoten von seinen Anhängern bejubelt werden, auf der anderen Seite ist die Twitter-Prominenz, die in unserer Gesellschaft eine gewohnheitsmässige „Rape Culture“ am Werk sieht. Tatsächlich zeigt der Erfolg von Pirinccis Buch „Deutschand von Sinnen“, dass es einen Markt für Misogynie und es das, was man nicht nur in feministischen Kreisen als Frauendiskriminierung bezeichnet, im Übermass gibt. Gleichzeitig zeigen Wizorek und ihr Umfeld, dass es ihnen durchaus ernst mit dem Anliegen ist, abweichende Meinungen auszuschalten – allein schon, weil Sprache und Kritik in ihren Augen ebenfalls Gewalt sind, und Gesetzesverschärfungen hätten sie natürlich auch gerne. Und die Entlassung der alten, weissen Männer in den Medien, oder gar eine „Abwrackprämie“ – so stand das letzthin über Gegner einer Frauenquote in der SZ. Da sind zwei Lager am Werk, die so überzeugt und abgesunken sind, dass sie die Gegnerschaft als Fäkalien oder Schrott bezeichnen.

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Und auf Seiten Pirincci und seiner Anhänger geht es ebenfalls um uns, die wir hier in den Medien auch seine Thesen nicht stützen wollen. Der neue Spin in seinem nächsten Buch ist, dass das erste Buch gar nicht schwulen-, fremden- oder frauenfeindlich sei, sondern ein Angriff auf den Mainstream, der Deutschland zu einer Untertanenhaltung gegenüber diesen Gruppen zwingen möchte – “NPD Kreisverband Unna/Hamm, Carolin Arcos, Dominik Bernstein und 28 anderen gefällt das”. Wer schon einmal das Vergnügen hatte, über Princci und sein Gefolge zu schreiben, weiss, welche Meinungen sich dann in den Kommentaren finden. Nicht unbedingt bei ihn bestätigenden Artikeln, die offensichtlich ohne Kenntnis des Grundgesetzes fragen, wieso potenziell gefährliche Anhänger des radikalen Islam frei herum laufen dürfen. Aber dass sie hier aufschlagen werden, sei es, weil sie von rechten Propagandaseiten wie Politically Incorrect hergeschickt werden, oder weil Pirincci selbst seine Anhänger in Gang setzt, ist kaum zu bezweifeln. Das Empörungspotenzial ist einfach da, und es geht auch ohne islamistische Attentäter und Enthauptungsvideo: Beweise für die Richtigkeit finden sich zuhauf, die andere Seite ist in der Wahl ihrer Methoden nicht zimperlich. Der eine sieht die Pay Gap als Beweis für die Überlegenheit des Mannes und die andere als Beleg für die Unterdrückung der Frau, und weil man dazwischen nicht so einfach nickt und mitschreit, sondern vielleicht auch mal ironisch ist und es sich nicht ganz so leicht macht – ist man der gleiche Feind. Wie alle, die nicht der Freund sind.

Es ist eine Frage der Feindbilder. Ziehen alle ihre Fronten nur weit genug, ist in der Mitte ein riesiger Bereich von Menschen und Meinungen, die gleichzeitig als „rotgrünversifft“, „Dhimmis“, „Volksverräter“ „Rassisten“, „Sexisten“ und „Stalker“ umschrieben werden können, weil sie nicht die jeweils einzige Wahrheit akzeptieren. Das rechte Lager rund um Pirincci wirkt vielleicht beschränkter und dümmer als die studienversessene und sprachideologisch geschulte Linke, macht aber nicht deren Fehler, die Reinsten der Reinen sein zu wollen. In Pirinccis Gosse kann sich jeder sammeln, der unzufrieden ist und einfache Feindbilder mag, Feministinnen – und sie sind hier nur ein Beispiel, ähnliche Konflikte gibt es auch zwischen den Richtungen der Linken, des Islam oder in der schwullesbischtranssexuellen Nichtcommunity – neigen zu aberwitzigen, internen Säuberungsprozessen, mit dem Ergebnis, dass frau sich mit Pirincci sofort auseinandersetzen würde, wenn frau erst mal im eigenen Lager die Vorherrschaft über die „verlogenes Ideal Meinungsfreiheit“, das wird frau wohl noch sagen dürfen, errungen hat.

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Lohnt sich all der Hass? Für Pirincci wie auch für andere Autoren, die derartige Pamphlete in den Verkauf bringen, leider durchaus – wobei das Publikum auch nicht dauerhaft treu ist, und neben der Stars der Szene viele Schriften unbeachtet bleiben. Anne Wizoreks Buch steht bei Amazon aktuell bei Rang 14.000, was überhaupt nicht zum sorgsam gepflegten Image der Initiatorin eines Aufschreis mit angeblich zehntausenden Stimmen passt. Ideologische Siege im Sinne der Vernichtung nicht genehmer Journalisten sind indes nicht bekannt, aber vielleicht ist das auch gar nicht beabsichtigt: Solange man unsereins als gleichzeitig als Gutmenschen, Frauenstiefelknechte, Terrorunterstützer, Schwulenhelfer, Nazisympathisanten, Koppverlagsautoren, Orwelldystopien und Meinungsfaschisten darstellen kann, wird es immer einen Grund geben, dem eigenen Lager an unserem Beispiel die grundsätzliche Verdorbenheit des sog. Mainstreams zu beweisen, dessen wahres Interesse stets die Verhinderung der einzig wahren Wahrheit ist. Pirincci hat ja gar nichts gegen Frauen und Wizorek hat nichts gegen Männer. Sie haben nur was gegen das System und seine Auswüchse. Weil in Deutschland ein Aufschrei von Sinnen nicht reicht.

Elitäre Eizellen einfrieren mit dem neuesten iPad

18 sabato Ott 2014

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Eisgekühlter Bommerlundahh, Bommerlunda eisgekühült

Flüssiger Stickstoff, den man zum Einfrieren von Eizellen benötigt, ist mit 196 Grad unter Null sehr kalt. Dafür geben amerikanische Firmen wie Facebook und Apple fünfstellige Beträge aus, wenn es denn eine Mitarbeiterin so haben will. Um das in Relation zu setzen: Als die Agentur R** *** in München im frühen Winter vor einem Dutzend Jahren kein Geld mehr hatte, um Strom und Heizung zu bezahlen, lag die Temperatur am Morgen in ihren Räumlichkeiten bei knapp über Null und stieg dann im Laufe des Tages, gewärmt von panischen Menschen, deutlich an. Denn der Mensch sondert, sofern er halbwegs normal genährt ist und die Kreditkarte noch etwas ausspuckt, eine Wärmeleistung von bis zu 100 Watt ab. Wenn aber eine Person nichts mehr essen kann, etwa, weil sie als Chefin einer Redaktion eines Startups vorsteht, dessen Gründer es gerade vor die Wand fahren, und einer dieser Entrepreneure schiebt ihr nach einer Besprechung über ihre Ängste eine Packung Psychopharmaka rüber und sagt, die soll sie nehmen, dann wird das schon – dann sind wir nicht nur in der New Economy angelangt, sondern am absoluten, menschlichen Tiefpunkt. Dagegen ist flüssiger Stickstoff flauschig.

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Das ist, wie gesagt, inzwischen über eine Dekade her, spielte mitten in diesem schönen Land, keiner hat sich aufgeregt, und das meiste hat sich wieder eingerenkt – der Pillenrüberschieber zum Beispiel gibt heute den bodenständigen Unternehmer und Erben, und zeigt politische Ambitionen, allerdings nicht im Bereich Drogenpolitik. Aus Chefredakteurinnen von Startups wurden Kirchenverlagsangestellte, und die ehemaligen Mitarbeiter dieser eiskalten Agentur hatten sogar noch Glück, dass es sie recht früh erwischte. Denn der Internetprovider, über den ich diesen Text schicke, ist voll mit diesen alten Bekannten, die nun die Vorzüge des behördennahen Wirtschaftens erkannt haben. Heute neigt man dazu, das alles lustig zu finden. Auch wenn man genau weiss, wie wenig erfreulich es war, wenn eine Jungmanagerin einen Mietvertrag für standesgemässe 90m² für zwei Jahre unterschrieb und vier Wochen später eine mittellose Arbeitslose mit abgebrochenem Studium wurde.

Das sind die eher unerquicklichen Szenarien der neuen Arbeitswelt, und dagegen sind grosszügig übernommene Kosten für Familienplanung und bewusst gesteuerte Karriere in einem langfristig denkenden Konzern keine schlechte Sache. Apple und Facebook bieten das als weiteres Incentive an, als Vorteil, als Belohnung. Vertriebler bei Firmen der Samwer-Brüder können da auch heute noch ganz andere Geschichten erzählen, wenn sie nicht die gewünschten Leistungen bringen. Die Argumentation für das Einfrieren lautet offiziell nicht. „Quäl Dich und komm ja nicht auf die Idee ein Kind in die Welt zu setzen, das unsere Arbeit und Planung behindert.“ Das kommt ganz freundlich daher: „Schau, Honey, in 10 Jahren kannst Du Dir ein Haus leisten und hast vorher auch noch genug Zeit, den richtigen Mr. Right zu finden – und wir sorgen dann dafür, dass es für Dein bestes Familienglück die beste Eizellen gibt. Du willst alles – Du kriegst alles.“

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Es geht da also nicht um eine Benachteiligung, die Frauen in ein bestimmtes, von der Firma gewünschtes Verhalten zwingt. Dieser Druck ist ohnehin schon da, und er hat phantastische Mittel, sich in einem Lebensstil ohne Trennung zwischen Arbeit und Privatleben durchzusetzen. Die Entwicklung tragfähiger Beziehungen braucht gemeinhin Zeit, die leitende Mitarbeiter nicht haben, und eine gute Auswahl an Partnern, die mehr als nur ihre Karriere im Kopf haben. Vor dem Hintergrund der unsicheren Wirtschaftslage entscheiden sich Frauen und Familien ganz von allein gegen Kinder. Das Angebot der Firmen ist vor diesem Hintergrund ein sehr amerikanisches Privileg – an den Rahmenbedingungen kann und will man nichts machen, also geht man die Folgen an und argumentiert mit der persönlichen Freiheit. Für die Eindämmung des Islamischen Staates hat man Bomben, für die Bankenkrise die Druckerpresse und für die Fortpflanzung der Managerin den Stickstoff. Das Einfrieren ist auch nur eine Art des Pursuit of Happyness. Und den Nachwuchs holen sich solche Firmen ohnehin nicht aus mit ihnen traditionell verbundenen Regionen, sondern überall, wo man flexibel wie flüssiger Stickstoff ist.

Der Zufall wollte es, dass Apple einen Tag nach dem Aufschrei über Social Freezing in deutschen Medien neue Elektronikprodukte vorstellte. Und es war ganz wunderbar zu beobachten, wie schizophren diese unsere Gesellschaft mitsamt ihren Sprachrohren da trennen kann. Das neue Tablet ist nur noch 6,1 Millimeter dünn, das ist doch phantastisch. Und es gibt bald Apple Pay, dann wird globales Zahlen einfacher, für einen kleinen Profit, von dem ein kleiner Teil in Stickstoff geht. Und für alle, die international unterwegs sind und dauernd zwischen den Mobilfunkanbietern wechseln müssen, um Dokumente im Hotel herunterzuladen und Präsentationen zu bearbeiten, gibt es eine eingebaute SIM-Karte für den schnellen Wechsel zwischen den Providern. Und es kommt ein 27-Zoll Bildschirm mit einer Auflösung wie die Realität. Das ist ja phantastisch, wer braucht da noch Liebe, Freundschaft, Partnerschaft, zumal die neueste App auch sofort ausprobiert werden muss? Genau das ist die Welt, in der man auch optimale Eizellen für den optimalen Zeitpunkt einfriert, der irgendwann sein wird, aber jetzt sicher nicht ist – und das iPAd mini hat einen neuen Bildschirm.

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Keine der ansonsten so wortgewalttätigen Feministinnen hat, soweit ich das erleben konnte, jetzt ihre entsprechenden Produkte dieser Firma aus Protest entsorgt. Beim nächsten Barcamp Frau wird wieder überall der angebissene Apfel auftauchen, ein Symbol, das andere eher mit der Darstellung des Sündenfalls im Paradies verbinden. Wer wirklich nicht ohne das neueste iPhone leben kann, weil ständig überprüft werden mus, was bei Facebook gerade passiert, sollte sich über die logischen Konsequenzen nicht wundern: Die Entstehung eines Menschen, der genau das tut, was ihm gerade passt, und sie nicht an alte Strukturen bindet. Das fängt mit dem Mobiltelefon an, weitet sich über Streamingportale aus und endet, logisch weiter gedacht, im Stickstoffbad. Gleich nebenan ist übrigens Google, die mit 23andme ein Startup zur DNA-Analyse haben, was bei der Partnerwahl oh pardon eisgekühlten Eizellenbefruchtungswahl ebenfalls beste Resultate verspricht. Darauf einen eisgekühlten Bommerlunder, let’s schwapp it hin under.

Ahhhhhhh.

Ja, also, da entsteht also eine neue Elite für ein neues Zeitalter, solange die Beteiligten nur brav verhüten, oder am besten gar keinen Sex haben und sich ihre Phantasien auf dem 27-Zoll-Display erfüllen lassen. Dagegen kann man unsere reichlich unachtsamen bayerischen Zwangswunschheiraten unter lokalen Oligarchen fast schon als Verbrechen an der nachfolgenden Generation betrachten, wer kann da schon sagen, ob da nicht irgendwann ein halber Ochs in der Vorfahrenlinie gewesen ist, sowas kreuzt sich nach der Kirchweih schnell mal ein. Aus dem Stickstoffbad wird und dann die neue Aristokratie geschaffen, aber ohne Nebenwirkungen wie Habsburgerlippe und Erbkrankheit. Und sie kommt genau so zur Welt, dass die Eltern 20 Jahre danach das beste Studium zahlen können, das man für Geld kaufen kann. Soziale Durchlässigkeit ist erwünscht? Hier bitte, das Silicon Valley zeigt dem faulen, verlotterten Grossbürgertum in Deutschland, das sich an Häuser und alte Photoalben klammert und keine Studiengebühren will, wie man sie nach drei Generationen genetisch zum Reinigungspersonal degradiert.

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Solange zumindest der Stickstoff schön kalt bleibt und die Internetfirma nicht die Überweisung vergisst. Sowas soll ja ab und zu mal vorkommen, Facebook zum Beispiel sieht ein wenig wie Geocities und Altavista aus, und auch Apple hatte schon mal schlechte Zeiten. Oh und wie ist das eigentlich, wenn eine Managerin die Firma wechselt? Oder vielleicht später auch gar nicht so viel verdient und sogar auf dem absteigenden Ast ist, weil man in 20 Jahren das überaltete Middle Management der Internetkonzerne durch künstliche Intelligenz und junge Absolventen ersetzt hat?

Fragen über Fragen. Vielleicht hat Apple ja noch ein 27,9-Zoll-Display und Facebook kauft Twitter, dann kümmern sich die Betroffenen wieder um die wirklich wichtigen Dinge des Tages und wie am schönen Tegernsee haben morgen Kirchweih. Der eine schaut zu tief ins Glas und der andere steckt zu tief im Stickstoff, und wie es letztlich ausgeht, das können sie im Silicon Valley mit Modellen berechnen und in Bayern sagt man, das nix gwies is.

Schon gar nicht die Sache mit den Ochsen und ob das nicht doch ab und zu für den Genpool. zumindest im Vergleich zum lichscheien Nerd, seine Vorteile hat.

Im Folterkeller von Karriere und Zalando

15 mercoledì Ott 2014

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Tutto vanita, solo vanita, vivete con gioia e semplicita, state buoni se potete, tutto il resto e vanita.
Angelo Branduardi, Vanita di Vanita

Ich stehe an meinem Fenster mit Aussicht, als die Vermögensverwal – es tut mir schrecklich leid, das klingt furchtbar und trifft es angesichts meiner Verhältnisse auch nicht – Bankangestellte anruft, die sich um Finanzielles jenseits des normalen Girokontos kümmert. Heute hat jede Filiale jemanden, der unter einem derartigen Titel auf solche Feinheiten des Geldgeschäfts spezialisiert ist, und in meinem Fall ist es eine junge Dame, viel, viel jünger als die Werte, die in meinem Namen dort herumliegen, oder besser, noch herumliegen, denn es ist wirklich nicht mehr viel. Allerdings liegen dort auch schon etwas länger entwertete, aber in Sammlerkreisen immer noch werthaltige Aktienpapiere herum, und die möchte ich doch bitte holen.

Danke für die Erinnerung, sage ich und betrachte erfreut meine Weintrauben und die sich dahinter ausbreitende Toskana, und füge an, dass ich schon befürchtet hätte, dass sie mir Zalando oder Rocket Internet andrehen wollte.

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Das finden wir beide enorm komisch und lachen sehr. Die Bank, man ahnt es, ist schon etwas älter, bodenständig und ausserdem wohl etwas lernfähig, was sie vor grösseren Krisen bewahrt hat. Vor der Finanzkrise etwa hatten sie auch Vorschläge im Angebot, sich an amerikanischen Banken zu beteiligen, und auch das ein oder andere Zertifikat, so munkelt man, soll über den Tresen gegangen sein. Aber ich glaube, sie können mich ganz gut einschätzen und versuchen gar nicht, mir den Malström schmackhaft zu machen, der nach IPOs und JETZTKAUFENREKORDSTANDIMDAX-Geplärre gerade wieder dabei ist, die Phantasienatur von ein paar Papier-Billionen überdeutlich aufzuzeigen. Zudem lege ich mein Geld ohnehin gerade mehr in alte Rennräder und Gemälde an, und es ist viel zu schön hier, als dass man sich ernsthaft mit Wirtschaft beschäftigen wollte. Man kauft nicht nur Aktien mit Geld, man erlaubt damit dieser Börse auch, das Wohlbefinden zu beeinflussen.

Hat man für sein Vermögen keinen Finger gekrümmt – und, sehen wie den Tatsachen der Degeneration ins Auge, die Erbengeneration ist voll mit solchen Figuren, die für das Auskommen ein wenig arbeiten und ansonsten von den Vorfahren leben – hat man kaum ein Gefühl für das, was an den Börsen mit den sogenannten Kleinanlegern passiert. Die Leute, die wirklich Geld zur Seite legen und dann in die Fänge der Banken geraten, und dieses erarbeitete Geld im Zweifelsfall verlieren, diese Leute bekommen solche Krisen voll ab. Vermögen, das schon immer irgendwie da ist, spürt man weder beim Aufstieg noch beim Sturz, weil es das Leben nicht sonderlich tangiert. Nur nach der letzten Krise, das ist allgemein bekannt, hat man bei uns doch deutlich umgeschichtet und den Aktienmarkt verlassen. Man möchte mit seinen Anlagen nicht mehr durch die launischen Dominas der Quartalsberichte und Konjunkturen geknechtet sein. Und ist man erst befreit, kann man wirklich herzhaft über das traurige Schicksal eines Kleidungslieferanten und den Schmerz dessen Anteilseigners lachen.

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Zalando war ein echtes Phänomen der zunehmend weiblichen, quietschbunten Merkelhandtaschenepoche, dachten wohl viele und griffen zu, und es stimmt natürlich: Die Geschichte der Firma, deren Pakete so viele Minderbeschäftigte mit Freizeit in den grossen Häusern entgegen nehmen mussten, weil die Kundinnen für diesen Luxus zumeist tagsüber viel arbeiten, ist wirklich bemerkenswert. Da haben wir also eine Schicht von gut gekleideten jungen Frauen, die so viel arbeiten, dass sie für normales Einkaufen wenig Zeit haben, und deshalb lieber das Internet frequentieren. Das ist zuerst einmal wenig überraschend, die gute Ausbildung und die deutsche Sonderkonjunktur bringen es mit sich, dass viel gearbeitet und verdient wird. So, wie etwa von meiner freundlichen Bankangestellten, die wahrscheinlich in einem Jahr wieder anrufen und fragen wird, wohin sie die alten Aktien schicken kann, und wieder hören wird: „Ach je, das weiss ich doch nicht, momentan bin ich noch bei Siena und dann wird es wirklich unsicher, Tegernsee, an der Donau, Einkaufen in Meran, schwer zu sagen, immer diese Entscheidungen. Oktober ist halt immer eine ganz schlechte Zeit bei mir.“ Solche Berufe zwingen geradezu zu guter Kleidung, selbst wenn sich der Angerufene auf einem Balkon von den Strapazen der staubigen Strassen erholt und in einem Zustand ist, der sogar toskanische Wildschweine erschüttern würde.

Zalando, aber auch andere Firmen des Duodezfürstentums der Samwers sind darauf eingestellt, genau solche Bedürfnisse zu befriedigen. Das kleine Frustshopping zwischendurch ist ihr Markt. Für die Aktien wäre dagegen eher unsereins die interessante Kundschaft, aber ich habe einen der Herren schon persönlich kennengelernt und um hier nichts Justiziables zu sagen, möchte ich betonen, dass auch noch andere Aspekte dagegen sprechen. Vor allem nämlich der Umstand, dass nach dem Ende der aktuellen deutschen Sonderkonjunktur das Interesse der schönen, klugen Frauen nicht mehr das Verplempern ihres Einkommens bei dieser Firma sein wird. Die machen das jetzt, weil oft genug neben den horrenden Mieten immer noch etwas übrig ist – zu wenig, um eine Wohnung zu kaufen, aber genug, um sich in der Mittagspause etwas zu bestellen. Bis zu einem DAX-Rekord von über 10.000 Punkten geht das. Danach, wenn die Konjunktur absackt, und das schätze ich an Frauen sehr, treten sie auf die Kostenbremse, erinnern sich an die Kunst des Stopfens und nähen Lederflecke an Ärmel. Nicht, weil sie finanziell am Ende sind. Sondern weil sie Prioritäten setzen.

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Das hier ist ein Deckengemälde in einem Sieneser Bankierspalast, eine Bankiersfamilie übrigens, die rechtzeitig vom Bankenwesen zum Pfründewesen der katholischen Kirche wechselte. Wir sehen in den Weinranken den verweilenden, eitlen Pfau., aber in der klaren Luft die fröhlichen Finken und Meisen, und das sollte man sich bei solchen Klitschen immer vor Augen halten: Zwar erzählen sie einem, dass ihre Kunden beständig immer so weiter machen werden, aber nichts garantiert uns, dass sie nicht doch sehr flinke, pfeilschnelle Wesen sind, die sich davon machen, sobald ihnen der Sinn danach steht. Noch nicht einmal die Eitelkeit der Menschen garantiert ein ewiges Auskommen, und so einem Vogel ist es egal, wo er sich mit Weintrauben vollstopfen kann. Ausserdem kommt irgendwann bei vielen auch der Wunsch nach einem Nest auf, und damit ändern sich dann auch die Zielsetzungen im Leben. Nicht umsonst suchen Zalando und all die anderen Firmen ständig nach neuen Kunden – es gibt halt im Leben der Jungend solche Sammelbild-, Tokio-Hotel-, Junkfood-, Dagibee-, Facebook- und Zalandophasen, in denen ein neues Smartphone jedes Jahr wichtig ist.

Nun ist es natürlich seit jeher klug, in den unermesslichen Rohstoff der menschlichen Dummheit zu investieren, aber in diesem speziellen Fall ist es auch eine Wette auf den Fortbestand eines ganz bestimmten Rollenbildes und Verhaltens, das in der aktuellen Arbeitswelt mit Nebenwirkungen wie Burnout, Frustration und Vereinsamung daher kommt – Zalando ist da auch nur so eine Art an ich selbst geschickter Blumenstrauss zum Valentinstag. Justament gestern wurde von der CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt auch noch angedeutet, dass der Weg nach oben über die Quote verschoben werden könnte, und nachdem die einzige relevante Frauenquote für Frau Merkel in ihrem eigenen Kanzlerinnenbüro zu finden ist, würde ich das nur begrenzt als ein Signal für mehr Kauffreude bei aufstiegsorientierten Frauen auslegen. Und das wiederum ist auch nicht gut für Zalando, deren Investoren leer ausgehen, wenn Frauen nur noch vor Wut und Enttäuschung schreien.

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Die ökonomische Ironie an der ganzen Geschichte ist, dass wir auf der einen Seite selbst verdienende Frauen haben, die ihr Geld in den wirtschaftlich guten Zeiten zu sehr in Kleidung stecken. Und auf der anderen Seite eine ganze Menge von Leuten, mehrheitlich vermutlich Männer, die ihr durch den Leistungsdruck der Gesellschaft verdientes Geld in solche Aktion stecken, weil sie davon ausgehen, dass Frauen das unbegrenzt weiter tun und entsprechend schuften werden. Eine klassischen „Killing the middle man“-Strategie der Betroffenen wäre es, wenn diese Männer den Frauen einfach die Kleider kaufen und den Druck reduzieren würden. Das mag in den Ohren mancher sich für modern haltenden Frau etwas altpaternalistisch und machohaft klingen, ist aber immer noch, zumindest in Siena, romantischer und schöner als ein Zalandopaket, oder das Gefühl, sein Geld den Samwers und deren Banken in den Rachen geworfen zu haben, und es eventuell nie mehr wieder zu sehen.

Aber ich sitze auch nur auf dem Balkon eines Palazzo, esse Trauben und verstehe natürlich nichts von der Wirtschaft, die angeblich jedem gibt, was er braucht, und alle so glücklich macht, wie es eben möglich ist.

Sterben ohne alteingesessenen Einzelhandel

03 venerdì Ott 2014

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Getreu’ster Bruder, merkst du Tropf nun Betrug?
Fafner, Rheingold

Der Marktplatz in Sterzing beginnt direkt vor meinem Hotel, und das ist kein Zufall, wie der Käsehändler aus Meran sofort erlebt, als ich an der Reihe bin, und begierig auf einen bestimmten Räucherkäse deute.

„Wieviel Wacholderkäse aus Algund haben Sie denn?“

„Das sind 450 Gramm.“

„Pardon, ich meinte nicht einen Laib, sondern wieviele Laibe.“

„Äh.“ Er beginnt in den Tiefen seines Standes zu kramen, findet eine Menge und es sollte bis Januar reichen, vorausgesetzt, ich fange nicht wieder an, diese Spezialität an Freunde zu verschicken. Aber weil ich das meistens doch tue, nehme ich auch noch alles, was an Trüffelkäse da ist und gehe dann weiter zu dem Herrn, der sogar viertelte Wildschweine verkauft. Denn je mehr Wurst ich nach Berlin schicke, desto mehr Käse kann ich behalten.

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Danach besuche ich den Sockenhändler für Kniestrümpfe, Prenn für den Apfelstrudel und Häusler für das Focaccia, bei Huterer hole ich Hüttenschuhe und ganz hinten im Haushaltsgeschäft noch ein Speckmesser und zwei Lavendelkissen, und selbst mit Versand und Strafzöllen wäre es vermutlich nicht wesentlich teurer, wenn ich das alles in China bestellen würde. Man sollte darüber nicht lachen, die Globalisierung bringt es mit sich, dass sogar so banale Dinge wie Backmischungen um die halbe Welt transportiert werden. Und natürlich könnte ein grosser Supermarkt auch all meine Wünsche bedienen, und ich würde deshalb nicht sterben. Denn der alteingesessene Einzelhandel ist, wie mein Einkaufs- und Bevorratungsverhalten, ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten und überhaupt nicht super, sondern eher teuer. Volkswirtschaftler würden ganze Kantineninhalte – massengehaltener Sauerbraten für 4,70 mit kleinem, in Dressing ersäuften Labbersalat – durch den Mund der Toilette überantworten, wenn sie ein Modell mit meinem Kaufverhalten entwickeln müssten, so irrational gebe ich scheinbar mein Geld aus.

Und ich gebe damit sogar noch an, denn natürlich spielt die Psychologie eine grosse Rolle. So wird man zu unter Neonlicht gekauften Socken oder Hüttenschuhen nie auch nur ansatzweise das Verhältnis entwickeln, das beim Kauf unter der Sonne Südtirols entsteht. Ja, es gibt einen Versender im Netz, der exakt jene Hüttenschuhe mit Versand 2 Euro billiger im Programm hat, und würde ich in einen Schuhmegastore gehen, könnte ich sie auch dort probieren. Aber meine Hüttenschuhe kommen jetzt nun mal aus Sterzing und ich werde mich immer an diesen sonnendurchfluteten Tag im Frühherbst erinnern. Und wärmer fühlen, als mir eigentlich ist. Das wiederum spart Heizkosten, und das integrieren Volkswirtschaftler natürlich nicht in ihre Modelle.

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Nun bin ich ja generell auch nicht mehr ganz jung und komme langsam nicht nur in das Alter, in dem man über eine Viertimmobilie in Meran nachdenkt, damit wieder mehr Platz für Bilder ist, und ausserdem ein Anlass für weitere Hüttenschuhe mit Hirschmotiv. Ich komme – wie die meisten in meinen Kreisen – auch in jenes Alter, da man dem räuberischen Staat nicht mehr so wenig wie möglich gibt, sondern der Solidargemeinschaft so viel wie möglich nimmt. Lebte ich nicht eh schon am Tegernsee, könnte ich glatt versucht sein, mir dort eine sinnlose Kur verschreiben zu lassen, und warum sollte ich nicht genauso selbstgerecht wie ähnlich nutzlose Gleichstellungsbeauftragte, Genderforscherinnen oder feministische Apparatschiks der protestantischen Ketz Kirche sein. Die besagten Volkswirtschaftler könnten nun natürlich ihre Modelle formschöner machen, indem sie einmal nachrechnen, was die Gesellschaft davon hätte, wenn einer wie ich unter Hinterlassung seines Vermögens einfach verschwindet, und was soll ich sagen: Das kann immer mal passieren.

Zum Beispiel bin ich am Tag vor dem grossen Herbsteinkauf den Jaufenpass zu Trainingszwecken mit dem Rad hoch. Das ist per se schon eine gewisse Anstrengung, bei der man aus dem letzten Loch pfeift, dazu kommen noch rasende Autos und Motorräder, gelegentliche Schneefälle. Nebelwolken, Abgründe, sehr, sehr fette Sahnetorten und in diesem speziellen Fall auch eine antiquierte Technik, denn das Rad ist von 1967 und bremst ähnlich gut, wie ich Argumente für den Solidaritätszuschlag nachempfinden kann. Erstaunlicherweise war es dann aber nicht die Bremse, die mein Unheil fast besiegelt hätte, sondern der frisch eingebaute Steuersatz, der sich wohl noch etwas setzte. Normalerweise zieht man in so einem Fall einfach die oberen Muttern nach, aber die waren schon maximal hineingedreht. So etwas führt zu einer wackligen und klappernden Lenkung, die dann auch blockieren kann, wenn die Lager durch das ständige Rütteln ausgeschlagen sind. Angesichts von ein paar hundert Kurven und 1148 Höhenmetern zwischen der Torte auf dem Jaufenpass und den Schlutzkrapfen in Sterzing ist das, zusammen mit den Bremsen, nur so mittelerfreulich und dazu kommt auch noch, dass mit diesem Rad am kommenden Sonntag 135 Kilometer auf toskanischem Geröll zu bewältigen sind. Das ist ohne Lenkung nicht ganz einfach.

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Kurz, ich brauche einen weiteren Distanzring für einen Stronglight A9 Steuersatz aus den späten 70er Jahren, um den Steuersatz zu kontern. Das ist ein Pfennigartikel, aber den muss man erst mal haben. Ich hatte ein ähnliches Problem einmal mit einem Steuersatz eines einstmals 7000 Mark teuren Votec: Auch da brauchte ich nur eine Lagerschale, und mit diesem Wunsch bin ich in den XXL-Radmegastore gegangen, der vor 30 Jahren noch eine schummrige, nach Öl riechende Höhle in der Altstadt war, und deren Mechaniker kleine Arbeiten für eine Spende in die Kaffeekasse erledigte. Dort trug ich im üblichen Fachchinesisch dem überforderten Verkäufer mit Corporate-Identity-Weste mein Verlangen vor, und der kaum dem Knabenalter entwachsene Kundenkönig-Untertan sagte: „1 Zoll und Walzenlager? Nä, da muss ich gar nicht schauen. Wir haben da diese 200 Euro für Ihre alte Mühle Aktion, wenn Sie ein neues Rad kaufen.“ Schliesslich sei das Rad schon (!) über 10 Jahre alt aber bitte, wenn ich meinte, dann könnte ich es auch vorbei bringen und man würde eine kostenpflichtige Checkliste machen und schauen, ob da etwas geht; Termine wären wieder in zwei Wochen frei.

So ist das im Megastore mit Dreifachkasse und 100 Mitarbeitern und unendlicher Auswahl zwischen Marken, die alle beim gleichen chinesischen Billighersteller produzieren lassen. In Sterzing gibt es gleich beim Hotel noch einen alten, höhlenartigen Radladen eines Herrn Walter Bauer mit dem schönen Namen Radlklinik, und dort habe ich mein Problem erklärt. Der Besitzer verschwand kurz in seiner Werkstatt und brachte einen Kasten voller alter Distanzringe mit, die offensichtlich bei Reparaturen angefallen sind, und säuberlich aufgehoben wurden. Dort konnte ich mir den Ring aussuchen, den ich brauchte, und gekostet hat er: Ein Dankeschön. Das ist wirklich sehr wenig angesichts des Umstands, dass dieser Ring den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen kann. Daheim im Megastore hätte man mich einfach weitergeschickt, soll er doch schauen, in welchem Abgrund er mit seinem alten Plunder bleibt, wenn er kein neues Rad kaufen will, wegen eines einzigen kleinen Metallringes. Und ich bin mir sicher, Volkswirtschaftlern würde das gefallen, denn es sind renitente Kunden wie ich, die dem Trachten nach Skalierungsgewinnen und Verschleisszyklusprofiten mit Hilfe von diesen kleinen, guten Fachhändlern und dem passenden Ring neben dem Steuersatz auch ein wenig ihren Gierschlund zuschrauben.

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Und so gleicht sich das alles wieder aus. Es geht oft etwas billiger, aber um den Preis von Qualität und teurer Instandhaltung. Man soll ganze Produktwelten kaufen, und jedes Jahr das neueste Modell, idealerweise ohne Zwischenhändler, denn der könnte auf die Idee kommen, auch seinem Kunden verbunden zu sein, und nicht nur dem Profit der Marke. Aber ich kann frohgemut weiter nach Gaiole in Chianti, wo ich mit 5600 anderen Freunden des Altmetalls über staubige Pisten rasen werde. Jeder dort weiss, wie wichtig es ist, einen verlässlichen Fachhändler in so einer Höhle zu haben, der, wenn man es braucht, die richtige Kiste holt, und einen nicht wegschickt, wenn man nicht den Forderungen der angeblichen Wunderwelt des Kapitalismus entspricht.

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Nun, alles läuft wieder, und die Volkswirtschaftler werden sich auch weiterhin ihre Opfer unter den Freunden von iPhone und Nespresso suchen müssen.

Initiiert, mitausgeheckt, eingetütet und leider auch manchmal durch meine halsstarrige Art erduldet von Frank Schirrmacher

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