An die AfD-daula al-islāmiyya, Landesverband Sachsen
Loschwitzer Str. 31
01309 Dresden

Betreff: Ihre Einführungspläne eines kalifatartigen Gebildes mit Kinderzwang.

Sehr geehrte Damen und Herren und strukturelle Analphabetismus-Honks aus den Internetkommentaren,

zuerst einmal: Herzlich willkommen im aufgeklärten Abendland mit Grundrechten, sogar für Sie!

Wie ich einschlägigen Medienberichten entnehmen darf, wünscht sich ihre Gruppierung eine Volksabstimmung über, oder besser, gegen das Recht der Frau zur Abtreibung. Ausserdem hat Ihre Spitzenkandidatin für die Wahl im östlichen Bundesland Sachsen erklärt, dass sie drei Kinder pro doi volksdeu deutscher Familie für eine wünschenswerte Zielgrösse hält.

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Zuerst die gute Nachricht: Fraglos sind solche Wünsche im Westen der Aufklärung durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Allerdings möchte ich hier anmerken, dass es sich bei der BRD oder Sachsen nicht um die Krim Putins handelt, in der man einfach so Volksabstimmungen über zentrale Teile des Rechts, oder bei uns des Strafgesetzbuches (hier §218 StGB, im nur leichten Gegensatz zu aktuellen Fatwas und deutlichen Unterschied zu Entscheidungen der katholischen Kirche) zwecks Durchsetzung der eigenen Ideologie durchführen könnte. Da könnte ja jeder kommen, ich zum Beispiel hätte da gern eine Abstimmung darüber, dass sich Pleitiers nach der Insolvenz ihrer Firma mit staatlicher Förderung erst nach 10 Jahren wieder für einen Sitz im Parlament bewerben dürfen (Lex Petry). Oder dass Ihren Parteihonks, die hier dauernd durch Beschimpfungen auffallen, jenseits von Steintafeln alle Mittel zur Kommunikation genommen werden, damit sie viel Zeit beim Buchstabenmeisseln haben, um über ihre Einlassungen nachzudenken und sich zu schämen (Lex Anstand für Deutschland). Allein – so ist das nun mal in unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung, fordern kann man viel, aber zur Durchsetzung braucht man Mehrheiten, und selbst dann steht am Ende immer noch eine Verfassung, deren Geist zu wahren ist.

Ja ich weiss, da ist es im Irak natürlich einfacher, solche familienpolitischen Forderungen in der Staatsverfassung eines Kalifats durchzusetzen, und vielleicht möchten Sie auch nach drüben gehen? Kalifate sind auch sonst AfD-freundlich: Bei der Schuldenwirtschaft sind sie aus religiösen Gründen sehr restriktiv, es gilt ein Zinsverbot. Aber das ist gar nicht der Kern des Anliegens, weshalb ich mich hier in der Kulturnation Bayern genötigt sehe, Ihnen ins ferne Sachsen meine Überlegungen zu übermitteln. Vielmehr geht es mir um den zweiten Teil Ihrer Vorstellungen und den Umstand, dass Sie doch zukünftig bei derartigen „der AfD ein Drittkind schenken“-Ideen auch die Lage anderer Menschen berücksichtigen wollen.

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Sehen Sie, das Lustige an Ihren lauten Bürgermilizverbänden in den Kommentaren ist ja, dass sie nicht an 72 Jungfrauen glauben, sondern an ein irdisches, sauberes Paradies der Bürgerlichkeit. Nirgendwo in diesem Lande sind wir diesem Zustand näher als exakt in jenen Regionen der kraftstrotzenden Vollbeschäftigung, in denen ich lebe. Mir ist völlig bewusst, dass mein Leben an den Orten, wo Leute wie Sie sich den Urlaub kaum werden leisten können, den Endpunkt Ihrer Träume des AfD-Staates im maroden Sachsen darstellt. Sauber, hübsch, zufrieden, üppige Villen, ruhige Strassen, viel Natur und gehobene Umgangsformen sowie Trachtenumzüge, von denen der IS bei seinen Einmärschen auch noch was lernen kann. Urbayerisch geht es hier zu, und nie ist es urbayrischer als am Tegernsee und im reichen Westviertel der vermögenden, boomenden, (im Vergleich mit der AfD gar nicht mehr so) dummen, kleinen Stadt an der Donau, von deren Autos auch der chinesische Parteifunktionär träumt. Und so, wie ich darüber meine Panegyrik schreibe, könnte man glauben: Das muss so sein. So soll es werden. Drei Kinderlein wünschen Sie sich also hier bei uns.

Das mag in den aufgegebenen Weiten des Ostens durchaus möglich sein, Platz ist genug da und eine LPG mit Stall für viele Kinder bekommt man zu einem Preis, für den sich bei uns ein Makler nicht mal in seinen Porsche setzen würde. Ihnen zuliebe habe ich einmal mit meinen weiblichen Bekannten gesprochen und in diesem Ihrem Paradies ermittelt, was wir für standesgemäss halten. Bitte bedenken sie dabei, dass es sich bei dieser Kostenaufstellung nicht um überzogene Vorstellungen, sondern nur um die Wahrung des gegenwärtigen, gelebten Ideals ohne Inflation und Steuererhöhung handelt.

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1 Villa für 5 Personen kostet in diesen besseren Randlagen der Region München zwischen 5-10.000 Euro pro Quadratmeter, inclusive 1000m² Auslauffläche rechnen Sie bitte noch 300.000 Euro hinzu. Macht also vor dem ersten freischwimmenden Spermium schon minimalst eine Million, wenn man sich mit einer gebrauchten Villa der 70er Jahre zufrieden gibt – und da ist kein Zweitwohnsitz am Tegernsee includiert. Kindergärten, selbst mit Englischunterricht, sind nicht so teuer, Schulen sind gut und umsonst, aber was heftig ins Kontor schlägt, sind angesagte Sportarten wie Golf , Yachtig und Polo, deren Kosten bei 5 Personen zwischen 10.000 (mittelkleine, selbst restaurierte Yacht am Tegernsee) und 250.000 (Polo für alle mit 10 notwendigen Gäulen) pro Jahr liegen. Normale Betriebskosten für die Kinder, die nicht bei kik, sondern bei der Trachtenschneiderei eingekleidet werden, liegen bei ca. 30.000 pro Jahr, Variablen wie den iphone-Konsum lassen wir aussen vor. Aber selbst, wenn die Kinder danach nur staatliche Universitäten besuchen, brauchen wir drei Wohnungen a 300.000 Euro (keinesfalls unter Leuten wie Ihnen, sondern in München) sowie ein Auto (20.000) und Apanage von nicht weniger als 15.000 pro Jahr ohne Urlaube, Bücher und Parties (Erfahrungswerte meiner eigenen Eltern). Und das alles dauer t im Idealfall bei schneller Geburt und sofortiger Berufstätigkeit nach dem Studium 25 Jahre. Allerdings kennen wir im Paradies auch Fälle, da hat das 40 Jahre gedauert.

Kurz, der paradiesische Zustand ist so teuer, dass man für die Kosten eines Kindes einige AfD-Funktionäre bei Lidl satt und feuchtfröhlich machen könnte. Für grosse Anschaffungen sollte man 2 Millionen auf der hohen Kante haben, der laufende Betrieb kostet pro Jahr minimal 35.000 und weitet sich auf 70.000 Euro aus (ohne Polo!). Und da sind noch keine Extravaganzen dabei, die die Zukunft bringen mag – gibt es heute bei uns überhaupt noch Eltern, die ihre Kinder nicht nach Oxford schicken wollen? Ich glaube nicht. Aber wie auch immer, wer Mitte 20 ist, 2 Millionen auf dem Konto hat und als Paar nach Steuern und Abgaben 100.000 Euro pro Jahr verdient oder durch Finanzanlagen bekommt – der kann das so machen, wie man sich das bei der AfD Sachsen erträumt. Wie gesagt, aus der Ferne sieht das alles hübsch aus, und in Sachsen ist genug Wald zum Hausen da, aber bei uns kosten schon Jagdhütten ein Vermögen. Und man muss natürlich mit den Nachbarn mithalten. Und bei all dem ist noch nichts für die Mehrung des Reichtums getan, denn wenn dieses Erbe an drei Kinder geht, bleibt eh nichts übrig. Wir sprechen hier also von einem Best Case Szenario am Rande der Verarmung. Diese drei Kinder werden es nicht so gut haben!

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Leider wurde mir aber erst vor kurzem wieder verdeutlicht, dass nicht jeder in diesem Land über derartige Vermögen verfügt, auch wenn das bei uns natürlich anders erscheint. Auch wüsste ich nicht, dass Sie, liebe AfD Sachsen, zur Finanzierung solcher Vorstellungen im Erzgebirge etwaige Ölfelder besetzen und ausbeuten könnten. Ich habe eine grosse Hochachtung vor allen alleinerziehenden Müttern, die ihre Kinder unter schwierigen Bedingungen durchbringen, ich finde die Scheidungsquote bei uns viel zu hoch und bedaure hier oft genug den Niedergang der Familie und der Clanstrukturen, die unsereins erst in die Möglichkeit versetzen, derartige Traumvorstellungen zu verwirklichen. Wenn bei uns mal ein Kind passiert, dann landet es zumeist in finanzieller Sicherheit, und es ist immer jemand da, der sich darum kümmern kann. Von mir aus könnten es bei anderen auch drei Kinder sein, solange ich meine Freiheiten behalte. Aber ich bin trotz meiner Lebensumstände nun mal ein soziales Wesen, ich weiss, dass jene prekären Konstrukte von Mann und Frau, die heute als Familie gelten, nur sehr selten die nötigen Rücklagen für die Ansprüche der Gegenwart haben, und das Letzte, was diese veränderte, moderne Welt neben der AfD wirklich braucht, sind Zwänge zu überkommenen Vorstellungen jener Clans, die wir hier nur aus Gründen der leicht verlogenen Tradition gern herausstellen. Wir können uns solche fest gebauten Luftschlösser leisten. Jeder andere sollte sich das gut überlegen und das Recht haben, sein Leben so einzurichten, dass es sinnvoll und beherrschbar ist.

Für ihn. Und nicht für Zwangszucht von Kindern in gesellschaftlichen Verhältnissen, die dafür längst nicht mehr eingerichtet sind. Und nicht jeder Frustrierte und Gescheiterte kann später einfach so, wenn ihm seine Lage nicht mehr passt, in einem Parlament unterkommen, den Staat melken und den Umbau zu einem Kalifat fordern.

Entsprechend der Distanz aus Ihrer Perspektive hochachtungsvoll

Don Alphonso