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Stützen der Gesellschaft

~ Darf ich noch ein Stück Torte anbieten?

Stützen der Gesellschaft

Archivi Mensili: agosto 2014

Jetzt schneller sterben ohne Internet!

31 domenica Ago 2014

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Es gibt bei den Debatten rund um das Internet und den Medienwandel den beliebten Vergleich mit den rückständigen Kerzenziehern und dem siegreichen elektrischen Licht. Man will damit ausdrücken, dass in unserer Zeit das bedruckte Papier durch das Internet genau so abgelöst wird. Die Auswirkungen möchte man beim Niedergang der einst die Republik dominierenden Magazine erkennen, und wenn mal wieder ein Chefredakteur gehen muss, wie letzte Woche Jürgen Quoos beim Focus, wird das gern als Beispiel für die Richtigkeit der These gebracht. Einst wurde der Focus Auflagen jenseits der 800.000 los, inzwischen zeigt der Trend in Richtung 400.000. Wieder verlischt mit Quoos so ein Printflämmchen, und man merkt es kaum im strahlenden Licht des Netzes, sagen die Internetfreunde. Das Internet und die Kostenloskultur sind schuld, die Missachtung der Leser für die Schönheit des gedruckten Wortes, sagen die Verlagsnostalgiker.

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Man muss mit solchen historischen Vergleichen sehr, sehr vorsichtig sein, zumal, wenn sie falsch sind. Wachskerzen wurden nämlich nicht vom elektrischen Licht abgelöst. Vielmehr waren sie schon immer ein seltenes Luxusgut, und der normale Mensch behalf sich mit Kienspänen und Talglichtern. Im frühen 19. Jahrhundert wurden die Talglichter von Stearin- und Paraffinkerzen ersetzt, die heute noch in Verwendung sind, und von Öllampen, die heute verschwunden sind. Denn Mitte des 19. Jahrhunderts kam dann die Gaslampe auf und erfreute sich bis zum frühen 20. Jahrhundert grosser Beliebtheit, bis dann das vergleichsweise ungefährliche und saubere elektrische Licht gewann. Eine Ablösung der Kerze durch die Glühbirne hat es nie gegeben, statt dessen haben sich mehrere Entwicklungen mit verschiedenen Ursachen überlagert. Und auch sonst würde ich speziell beim Focus Zweifel anmelden wollen, dass „das Internet“ wie ein böser Deus ex Machina der Grund ist, warum sich speziell dieses Magazin inzwischen so schlecht verkauft. Es gibt eine Reihe von Entwicklungen, die ebenso zum Niedergang beitragen können.

Denn der Kern der Marke Focus, Nutzwert und eher leichte Themen, geht am Kiosk durchaus – dazu muss man sich nur all die seichten und rein nutzwertorientierten Landzeitschriften anschauen, die in den letzten Jahren von Rekord zu Rekord geeilt sind. Das ist eine Frage des Zeitgeistes, der Zielgruppe und der Lesegewohnheiten, und das Internet kann nichts dafür oder dagegen tun: Es gibt digital jede Menge Pflanzentips, Kochrezepte und Heidewanderungen, auch mit üppigen Bildern und, wenn man will, mit moderner GPS-Unterstützung. Die Konsumenten jedoch wollen die Zeitschrift, ihre Inspiration und ihre Bilderstrecken. Und sie haben offensichtlich Zeit und das nötige Geld, um sich das Magazin als Lebensorientierung für den Garten zu leisten.

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Der Focus dagegen verdankt seinen Aufstieg einem Journalismus, den man als gedrucktes Proto-Internet bezeichnen könnte. Und er verdankt seinen Aufstieg der Epoche des Neoliberalismus, des ungehemmten Geldverdienens, der von moralischen Skrupeln weitgehend freien Selbstbereicherung. Ein Magazin der Entscheider, der Erfolgreichen, der Karrierebewussten, zumal in den aufstrebenden Städten des Südens, und ein klarer Gegenentwurf zum stets kritischen und schlecht gelaunten Spiegels. Die besten Unis, Ärzte und Anlagen für die Käufer, immer nur das Beste, Wäre man rückblickend böse, könnte man sagen, der Focus war das Magazin der administrativen Wasserköpfe deutscher Firmen, des Middle Managements und der jungen Aufsteiger, die tatsächlich noch lernen mussten, welche Uhrenmarke neben Rolex tragbar ist.

Genau diese Zielgruppe jedoch hat ideologisch unter den Krisen seit dem Jahr 2000 besonders zu leiden. Zuerst ging die vom Focus gefeierte beste New Economy unter, dann kippte der beste Aktienmarkt, und inzwischen ist die Rendite der besten Versicherer auch nicht mehr so gut. Auf der anderen Seite gibt es eine grosse Anzahl von Special-Interest-Magazinen, denen der Focus wenig entgegen setzen kann. Zeitschriften, die in Nischen erheblich mehr Prestige als der in die Jahre gekommene Focus versprechen, dessen Image immer noch so Markwort-90er ist. Nicht besonders hochgeistig, nicht besonders exklusiv, nicht besonders gut geschrieben und eher für eine Zielgruppe geeignet, die ihre beste Zeit unter Helmut Kohl hatte, falls der jemandem noch ein Begriff sein sollte. Ein Produkt für eine Modezielgruppe, die von der Kostensenkung des Lean Management ausgedünnt wird – auch diese Entwicklung gab es parallel zum Auflagenverlust der letzten 15 Jahre. Möglicherweise rächt sich speziell bei dieser Kundschaft auch der „Das Beste nur für mich“-Zynismus: Es gibt gefälligere Alternativen, sei es nun die modische Selbstoptimierungszeitschrift für den Mann, oder für die Wirtschaft, die die schönsten Berichte über sich in den eigenen Firmenzeitschriften lesen kann. Der Focus versucht derweil, zwischen überambitioniertem „Mieten Sie einen Privatjet“-Vorschlägen und kleinlichem „Retten Sie ihre 20.000“-Themen Endkunden zu finden.

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Produkte, die nicht gekauft werden, bleiben nicht wegen des Internets liegen, sondern weil sie es den Kunden nicht wert sind. 2011 hat es der Focus mit einer verzweifelt wirkenden 1-Euro-Nummer versucht, die sich gut verkaufte – danach ging der Absturz ungebremst weiter. Bleibt allein die Frage, warum eigentlich das vergleichsweise gut laufende Portal Focus.de nicht mehr für das Mutterblatt tun kann: Focus.de nutzt eine Reihe umstrittener Methoden und ausgefeiltes Suchmaschinenmarketing, um auf seine Klickzahlen zu kommen. In der Statistik liest es sich prima, aber ob all die Geschichten über nackte Haut und Ausziehen dazu verleiten, das gedruckte Heft zu kaufen, ist eine Frage, deren Antwort nicht zur Zufriedenheit des Konzerns ausfallen kann. Focus und Focus.de kämpfen, wie es für deutsche Medien typisch ist, jeweils eigene Schlachten um ganz unterschiedliche Zielgruppen und Zugänge: Focus.de braucht Klicks und der Focus bräuchte zahlende Abonnenten und beide hätten auch gern, wie jeder andere in diesem Markt, bezahlten Content im Internet – den Focus gibt es digital bei Zinio zum Vorzugspreis von 3,29 Euro pro Ausgabe statt 3,70 auf Papier. Druckkosten, Vertrieb, Händlergewinn bleiben beim Verlag, und dabei hat der Kunde un-glaub-liche 41 Cent gespart! Äh.

Natürlich ist es für alle Beteiligten leicht, die daraus entstehenden Probleme mit dem Internet zu begründen, als sei es eine Art Naturkatastrophe wie beim Aussterben der Dinosaurier. Das entbindet von der Einsicht, dass sich manche Produkte einfach überlebt haben, und nicht in der Lage sind, sich auf neue Zeiten einzustellen. Die warme, süddeutsche Biergartengemütlicheit zwischen Maklern und Zahnärzten war für den Focus eine Weile ein guter Markt. Jetzt mussten Teile der Redaktion ins kalte und arme Berlin umziehen, weil man dort angeblich näher an genau jenem Geschehen ist. Das bringen alle anderen auch schon, als gäbe es nicht genug Geschichten über blauschimmlige Türsteher von Berliner Clubs, die Howard Carpendales des 21. Jahrhunderts. Der Focus hechelt den Entwicklungen hinterher und will genau dann urbaner werden, wenn seine junge Zielgruppe in Scharen, Dirndl und Lederhose hier bei uns am Tegernsee bei den Waldfesten schadmünchnert.

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Zu jedem echten Umwälzungsprozess gehört neben einem Verlierer wie dem Focus auch ein klarer Gewinner, Wären die Themen des Focus wirklich so begehrt, müsste sich im Netz eine starke Konkurrenz herausbilden. Gegen die Musikindustrie entstanden die Downloadportale, gegen den Buchmarkt Amazon, gegen die behäbigen Hausbanken mit ihren Aktienschlusskursen Traderseiten. Gegen den Focus entstand im Netz

nichts. Da war niemand, der sagte, tolles Produkt, das machen wir jetzt auch im Internet und werden reich. Das Problem ist nicht das Netz, das Problem ist eine Marke, die für eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Typ des mittelalten, egomanen Mann steht, der sich im Geldregen das Sakko aufreisst und Papier mit sich herumträgt, auf dem „JETZT MEHR GEHALT“ steht. So wie auf der aktuellen Ausgabe des Focus. Vor 20 Jahren war das vielleicht noch eine Ansage. Heute ist es eigentlich nur noch peinlich und verkauft sich vor allem an die verbliebenen Schmerzbefreiten. Der Focus hat kein Problem mit den Vertriebskanälen oder den Zielgruppen oder mit dem Internet, er ist selbst das Problem. Aber natürlich ist es angenehmer, das Internet zu beschuldigen.

PKK, Ukraine, von der Leyen und das Kalifat restlos ausschalten

26 martedì Ago 2014

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Good Company

Araber, Afrikaner und Südamerikaner, Afghanen und Russen, Sunniten und Schiiten und alle möglichen Stämme: Sie mussten sich früher mit dem Morden beeilen. Denn es gab weder Internet noch Dauerfernsehen, es gab in Deutschland (West) drei Programme und darin für die Bildungsbürger einmal in der Woche das Auslandsjournal. Da hatten die Irren der Welt dann eine Dreiviertel Stunde Zeit, die Ziele und Interessen ihrer absurden Konflikte vorzustellen, sofern es nicht auch um Hungersnöte, Putschisten und Kulturarbeit auf Madagaskar ging. Und weil es immer eine Woche bis zum nächsten Journal dauerte, wurden die Ereignisse auch ordentlich zusammen gefasst. Man hatte einen Überblick, in etwa so, wie man im Neuburger Schloss einen Überblick über die Donaulandschaft hat.

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Hübsch ist es hier, man sollte das Renaissanceschloss und seine vorzüglichen Sammlungen unbedingt besuchen, und zwar idealerweise dann, wenn hier auch Konzerte gegeben werden; im Oktober etwa die diversen Barockkonzerte. Man sieht dabei die Inneneinrichtung der Rokokobibliothek und in der Hofkirche ganz erstaunliche Reliquien, und keinen einzigen Lastwagenkonvoi des Herrn Putin, der sich zusammen mit Armeetransportern und aufgeregten Journalisten seinen Weg in eine umkämpfte Ukraine bahnt, über der – es ist inzwischen so still geworden – noch vor kurzem eine Passagiermaschine abgeschossen und deren Insassen ermordet wurden. Wurde es still, weil es jemand so wollte, weil die Ergebnisse der Untersuchung Probleme mit sich bringen, oder weil so viel anderes geschah – nun, man weiss es nicht.

Hier geschieht ein gemsichtes Programm mit Vivaldi, Rossini, Tschaikowsky und Friedrich II, der besser bei der Komposition von Traversflötenkonzerten hätte bleiben sollen, aufgeführt vom Kammerorchester Köln. Der Rittersaal entstand in der Renaissance und zeigt reichlich unkeusche Malereien, draussen jedoch ist eine spiegelnde Metallwand, und achtsam kontrolliert darin die zweite Geige den Sitz des bodenlangen, schwarzen Kleides, schwarz wie die Farbe des islamischen Kalifates, aber dafür kann das Kleid nichts, und es steht ihr gut. Es ist eine sehr hübsche zweite Geige. So eine zweite Geige gäbe es im Kalifat nicht. Und ich dürfte mein Auge auch nicht mit Wohlgefallen und Sorglosigkeit darauf ruhen lassen, wenn dieses Kalifat an die Donau käme, ganz gleich, ob mit geschmacklosen Pickups oder durch das TV-Gerät, das im Moment irritierend voll damit ist.

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Manche wundern sich ja, wie ich ohne TV-Gerät auskomme. Ich gehöre zur steigenden Zahl derer, die so etwas nicht besitzen und auch nicht haben möchten, und nach fast 30 Jahren ohne Glotze stehe ich nun hier und sehe, wie die zweite Geige erst an ihren Haaren und dann an den Saite zupft, und möchte, während Vivaldi erklingt, eher zurückfragen: Wie kommt man damit aus? Es ist Sommer. Ich sitze in einem Renaissancesaal, werde mitgerissen von Kontrapunkt und Solo, die Hitze der Lagune flimmert in den Tönen und wie viele Tonnen Bomben die Israelis auf Gaza abgeworfen haben, und wie tief die Tunnel der Palästinenser sind, und was die Amerikaner dazu sagen – das möchte ich jetzt nicht wissen. Aber man will es mir sagen. Denn wo immer man sich gerade umbringt, und zwar am besten so schaurig mit so vielen Unschuldigen wie möglich, kommt man in die Medien.

Und Sendeplatz ist genug da. Nicht zwingend im Unterschichten-TV, in dem manche sich über die künstlich erschaffenen Probleme seltsamer Zeitgenossen erfreuen, aber in den Programmen, die sich ernsthaft mit der Weltlage auseinander setzen. Dass die Kammermusik von Rossini, die er im Alter von 16 Jahren schuf, schon das spätere Genie der kraftvollen Stretta aus der „Italienerin in Algier“ ahnen lässt, ist keine Nachricht, aber schön. Eine Nachricht sind Bombenflugzeuge über Tripolis, deren Herkunft keiner kennt, und die komplizierten Kriege der diversen Milizen. Eine Lösung weiss ich auch nicht, aber eine Strategie im Umgang damit hätte ich: Ausschalten, die Kiste. Und nicht mehr einschalten.

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Mich würde interessieren, wie man so eine Traversflöte richtig hält, und warum Bassisten so oft die Figur ihrer Instrumente annehmen. Ich würde mir durchaus eine Reportage anschauen, die derartige Ensembles bei ihren Reisen zwischen Schlössern und Theatern begleitet, oder auch über den Umstand, dass in den letzten 30 Jahren das Schuhwerk in den Konzerthäusern der Republik so viel besser wurde, während einen das TV-Gerät nur noch laut und wenig überlegt anpöbelt – das war früher anders. Es ist ja nicht vorbei, wenn der eine Araber den anderen umgebracht und der eine Osteuropäer dem anderen ein Stück Land genommen hat. Das war es nie: Danach – hier wird als Zugabe „Tempesta di Mare“ gegeben – geht es mit dem Elend an den Empfangsgeräten munter weiter, denn diesmal, so entnehme ich dann später der Presse, wird beim Tatort im Gefängnis gemordet.

Möglicherweise kennt die Leserschaft aus dem Internet dieses Zeichen: o_O . Das steht für „Nicht Ihr Ernst“. Oder auch „Das ist jenseits meiner Vorstellungswelt“. Mir ist zwar vollkommen bewusst, dass in unserer Massengesellschaft all die Rittersäle dieser Nation nicht ausreichen würden, um auch nur die Zuschauer von Tele5 aufzunehmen. Und mir ist ebenso verständlich, dass die Freude an klassischer Musik im Beisammensein mit konzentrierten Hörern nicht das Gaudium der Mehrheit ist. Im Gegensatz zum Stream von PrOn ist es auch nicht umsonst, und allein die Vorbereitung dauert mit Umziehen, Anfahrt und Warten (in einem sehr schönen Schlosshof mit Grotte) anderthalb Stunden. Aber diese Welt da draussen ist gerade ziemlich hässlich, die Ordnung nach dem Kalten Krieg geht den Bach runter, und dazu bringt die Glotze: Erst ernsthafte Tote auf diversen Kontinenten und dann Tote als Unterhaltung, zusammen mit schwierigen sozialen Umfeldern. Deshalb o_O. Warum haben andere so eine Kiste?

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Zwei Stunden dauert das Konzert mit Pause, draussen geht die Sonne über den Hügeln des Jura unter, und dann brandet der letzte Applaus gegen die Holztäfelung des Raumes. Holztäfelungen erschaffen in diesen vergleichsweise kleinen Räumen eine ganz besondere, intime Akustik, einen intensiven Hall und ein sehr delikates Vibrieren – allein, das würde man mit voller Konzentration nicht drei Stunden durchhalten. Jedes Konzert hat einen Auftakt, eine Steigerung und zum Schluss ein dankbares Publikum, zumal in diesen Provinzstädten, die im Sommer kulturell ausgetrocknet sind. Und danach ist eben Schluss. Das ist wie früher beim Fernsehen, da waren die Sendungen auch irgendwann vorbei. Es gab einen Sendeschluss. Das TV-Gerät sagte seinen Nutzern: Das war’s. Mehr gibt es nicht. Geht ins Bett, lest ein Buch, kocht endlich (das wäre meine Version), und dann kam das Testbild. Und am nächsten Morgen die Zeitung. Mit dem grossen Lokalteil: „Verzückt bejubelte das Publikum im Rittersaal der Residenz…“

Heute geht das rund um die Uhr weiter, und man darf gar nicht daran denken, wie ein Remake von Casablanca mit ausufernden Gewaltszenen ergänzt oder Frühstück bei Tiffany pornös verschärft werden würde – schliesslich muss die Fiktion mit der Medienrealität mithalten, Rick müsste eine Hundertschaft SS niederballern und Holly Golightly hätte Affären mit einem Dutzend Gangstarappern. Und die Realität muss dann wieder nachziehen, sonst wird das langweilig, und wirkt nicht mehr. Ich bin, wie gesagt, vor gut 30 Jahren ausgestiegen, und wenn mir heute jemand sagen will, dass ich mir dieses oder jenes jetzt sofort anschauen muss – dann ist mein Mobiltelefon nicht nur ausgeschaltet, sondern weiterhin daheim, und wenn ich dort ankomme und die Manschettenknöpfe in die Silberschale lege, schalte ich es auch nicht mehr ein.

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Mir ist das alles zu viel, ich bin aus diesem System herausgefallen und merke, dass ich mit dem Bruch von Konventionen nicht allein bin. Andere machen das auch, nicht nur beim TV: Die Bundesrepublik etwa will in Form der Verteidigungsministerin Tabus brechen und Waffen in Bürgerkriegsregionen liefern – und erwähnt irgendwie nicht, dass man spätestens seit der Bronzezeit, also gut 4000 Jahren, bei der Einführung von Waffen auch immer Leute gebraucht hat, die anderen das mit dem Morden beibringen. Und dass Waffen nicht immer die besten Konfliktlösungsmittel sind, vorsichtig gesagt, könnte man sich auch im Neuburger Schloss anschauen: Das war ein Kulminationspunkt der Reformation, da gibt es einiges an Information zu unseren eigenen Religionskriegen, die fast so christlich wie das C im Namen der CDU gewesen sind.

Ich bin Klassikfreund und Kulturhistoriker. Ich möchte keine Kiste haben, in der eine kurz denkende und überforderte Frau behauptet, ein Haufen Waffen für Unfähige könnte Probleme lösen, und eine andere sagt, dass sie zwar einem kriegerischen Volk diese Waffen geben will, aber natürlich nicht dem Teil, der PKK heisst, was man vor Ort sicher sehr gut kontrollieren kann. Als ich noch Zugriff auf das Auslandsjournal hatte, sah man auch solche einmischungsfreudigen Mangelweisen, Breschnew in Afghanistan, Gaddafi im Tschad, Kubaner in Afrika und Chinesen in Tibet, und alle waren sie ganz weit weg. Das war das Schöne daran. Heute sitzen die Einmischer in Berlin, aber ich habe wenigstens kein TV-Gerät mehr, und dafür ein Abo beim Konzertverein.

Teures Kalifat: Der AfD ein Drittkind schenken

22 venerdì Ago 2014

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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An die AfD-daula al-islāmiyya, Landesverband Sachsen
Loschwitzer Str. 31
01309 Dresden

Betreff: Ihre Einführungspläne eines kalifatartigen Gebildes mit Kinderzwang.

Sehr geehrte Damen und Herren und strukturelle Analphabetismus-Honks aus den Internetkommentaren,

zuerst einmal: Herzlich willkommen im aufgeklärten Abendland mit Grundrechten, sogar für Sie!

Wie ich einschlägigen Medienberichten entnehmen darf, wünscht sich ihre Gruppierung eine Volksabstimmung über, oder besser, gegen das Recht der Frau zur Abtreibung. Ausserdem hat Ihre Spitzenkandidatin für die Wahl im östlichen Bundesland Sachsen erklärt, dass sie drei Kinder pro doi volksdeu deutscher Familie für eine wünschenswerte Zielgrösse hält.

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Zuerst die gute Nachricht: Fraglos sind solche Wünsche im Westen der Aufklärung durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Allerdings möchte ich hier anmerken, dass es sich bei der BRD oder Sachsen nicht um die Krim Putins handelt, in der man einfach so Volksabstimmungen über zentrale Teile des Rechts, oder bei uns des Strafgesetzbuches (hier §218 StGB, im nur leichten Gegensatz zu aktuellen Fatwas und deutlichen Unterschied zu Entscheidungen der katholischen Kirche) zwecks Durchsetzung der eigenen Ideologie durchführen könnte. Da könnte ja jeder kommen, ich zum Beispiel hätte da gern eine Abstimmung darüber, dass sich Pleitiers nach der Insolvenz ihrer Firma mit staatlicher Förderung erst nach 10 Jahren wieder für einen Sitz im Parlament bewerben dürfen (Lex Petry). Oder dass Ihren Parteihonks, die hier dauernd durch Beschimpfungen auffallen, jenseits von Steintafeln alle Mittel zur Kommunikation genommen werden, damit sie viel Zeit beim Buchstabenmeisseln haben, um über ihre Einlassungen nachzudenken und sich zu schämen (Lex Anstand für Deutschland). Allein – so ist das nun mal in unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung, fordern kann man viel, aber zur Durchsetzung braucht man Mehrheiten, und selbst dann steht am Ende immer noch eine Verfassung, deren Geist zu wahren ist.

Ja ich weiss, da ist es im Irak natürlich einfacher, solche familienpolitischen Forderungen in der Staatsverfassung eines Kalifats durchzusetzen, und vielleicht möchten Sie auch nach drüben gehen? Kalifate sind auch sonst AfD-freundlich: Bei der Schuldenwirtschaft sind sie aus religiösen Gründen sehr restriktiv, es gilt ein Zinsverbot. Aber das ist gar nicht der Kern des Anliegens, weshalb ich mich hier in der Kulturnation Bayern genötigt sehe, Ihnen ins ferne Sachsen meine Überlegungen zu übermitteln. Vielmehr geht es mir um den zweiten Teil Ihrer Vorstellungen und den Umstand, dass Sie doch zukünftig bei derartigen „der AfD ein Drittkind schenken“-Ideen auch die Lage anderer Menschen berücksichtigen wollen.

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Sehen Sie, das Lustige an Ihren lauten Bürgermilizverbänden in den Kommentaren ist ja, dass sie nicht an 72 Jungfrauen glauben, sondern an ein irdisches, sauberes Paradies der Bürgerlichkeit. Nirgendwo in diesem Lande sind wir diesem Zustand näher als exakt in jenen Regionen der kraftstrotzenden Vollbeschäftigung, in denen ich lebe. Mir ist völlig bewusst, dass mein Leben an den Orten, wo Leute wie Sie sich den Urlaub kaum werden leisten können, den Endpunkt Ihrer Träume des AfD-Staates im maroden Sachsen darstellt. Sauber, hübsch, zufrieden, üppige Villen, ruhige Strassen, viel Natur und gehobene Umgangsformen sowie Trachtenumzüge, von denen der IS bei seinen Einmärschen auch noch was lernen kann. Urbayerisch geht es hier zu, und nie ist es urbayrischer als am Tegernsee und im reichen Westviertel der vermögenden, boomenden, (im Vergleich mit der AfD gar nicht mehr so) dummen, kleinen Stadt an der Donau, von deren Autos auch der chinesische Parteifunktionär träumt. Und so, wie ich darüber meine Panegyrik schreibe, könnte man glauben: Das muss so sein. So soll es werden. Drei Kinderlein wünschen Sie sich also hier bei uns.

Das mag in den aufgegebenen Weiten des Ostens durchaus möglich sein, Platz ist genug da und eine LPG mit Stall für viele Kinder bekommt man zu einem Preis, für den sich bei uns ein Makler nicht mal in seinen Porsche setzen würde. Ihnen zuliebe habe ich einmal mit meinen weiblichen Bekannten gesprochen und in diesem Ihrem Paradies ermittelt, was wir für standesgemäss halten. Bitte bedenken sie dabei, dass es sich bei dieser Kostenaufstellung nicht um überzogene Vorstellungen, sondern nur um die Wahrung des gegenwärtigen, gelebten Ideals ohne Inflation und Steuererhöhung handelt.

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1 Villa für 5 Personen kostet in diesen besseren Randlagen der Region München zwischen 5-10.000 Euro pro Quadratmeter, inclusive 1000m² Auslauffläche rechnen Sie bitte noch 300.000 Euro hinzu. Macht also vor dem ersten freischwimmenden Spermium schon minimalst eine Million, wenn man sich mit einer gebrauchten Villa der 70er Jahre zufrieden gibt – und da ist kein Zweitwohnsitz am Tegernsee includiert. Kindergärten, selbst mit Englischunterricht, sind nicht so teuer, Schulen sind gut und umsonst, aber was heftig ins Kontor schlägt, sind angesagte Sportarten wie Golf , Yachtig und Polo, deren Kosten bei 5 Personen zwischen 10.000 (mittelkleine, selbst restaurierte Yacht am Tegernsee) und 250.000 (Polo für alle mit 10 notwendigen Gäulen) pro Jahr liegen. Normale Betriebskosten für die Kinder, die nicht bei kik, sondern bei der Trachtenschneiderei eingekleidet werden, liegen bei ca. 30.000 pro Jahr, Variablen wie den iphone-Konsum lassen wir aussen vor. Aber selbst, wenn die Kinder danach nur staatliche Universitäten besuchen, brauchen wir drei Wohnungen a 300.000 Euro (keinesfalls unter Leuten wie Ihnen, sondern in München) sowie ein Auto (20.000) und Apanage von nicht weniger als 15.000 pro Jahr ohne Urlaube, Bücher und Parties (Erfahrungswerte meiner eigenen Eltern). Und das alles dauer t im Idealfall bei schneller Geburt und sofortiger Berufstätigkeit nach dem Studium 25 Jahre. Allerdings kennen wir im Paradies auch Fälle, da hat das 40 Jahre gedauert.

Kurz, der paradiesische Zustand ist so teuer, dass man für die Kosten eines Kindes einige AfD-Funktionäre bei Lidl satt und feuchtfröhlich machen könnte. Für grosse Anschaffungen sollte man 2 Millionen auf der hohen Kante haben, der laufende Betrieb kostet pro Jahr minimal 35.000 und weitet sich auf 70.000 Euro aus (ohne Polo!). Und da sind noch keine Extravaganzen dabei, die die Zukunft bringen mag – gibt es heute bei uns überhaupt noch Eltern, die ihre Kinder nicht nach Oxford schicken wollen? Ich glaube nicht. Aber wie auch immer, wer Mitte 20 ist, 2 Millionen auf dem Konto hat und als Paar nach Steuern und Abgaben 100.000 Euro pro Jahr verdient oder durch Finanzanlagen bekommt – der kann das so machen, wie man sich das bei der AfD Sachsen erträumt. Wie gesagt, aus der Ferne sieht das alles hübsch aus, und in Sachsen ist genug Wald zum Hausen da, aber bei uns kosten schon Jagdhütten ein Vermögen. Und man muss natürlich mit den Nachbarn mithalten. Und bei all dem ist noch nichts für die Mehrung des Reichtums getan, denn wenn dieses Erbe an drei Kinder geht, bleibt eh nichts übrig. Wir sprechen hier also von einem Best Case Szenario am Rande der Verarmung. Diese drei Kinder werden es nicht so gut haben!

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Leider wurde mir aber erst vor kurzem wieder verdeutlicht, dass nicht jeder in diesem Land über derartige Vermögen verfügt, auch wenn das bei uns natürlich anders erscheint. Auch wüsste ich nicht, dass Sie, liebe AfD Sachsen, zur Finanzierung solcher Vorstellungen im Erzgebirge etwaige Ölfelder besetzen und ausbeuten könnten. Ich habe eine grosse Hochachtung vor allen alleinerziehenden Müttern, die ihre Kinder unter schwierigen Bedingungen durchbringen, ich finde die Scheidungsquote bei uns viel zu hoch und bedaure hier oft genug den Niedergang der Familie und der Clanstrukturen, die unsereins erst in die Möglichkeit versetzen, derartige Traumvorstellungen zu verwirklichen. Wenn bei uns mal ein Kind passiert, dann landet es zumeist in finanzieller Sicherheit, und es ist immer jemand da, der sich darum kümmern kann. Von mir aus könnten es bei anderen auch drei Kinder sein, solange ich meine Freiheiten behalte. Aber ich bin trotz meiner Lebensumstände nun mal ein soziales Wesen, ich weiss, dass jene prekären Konstrukte von Mann und Frau, die heute als Familie gelten, nur sehr selten die nötigen Rücklagen für die Ansprüche der Gegenwart haben, und das Letzte, was diese veränderte, moderne Welt neben der AfD wirklich braucht, sind Zwänge zu überkommenen Vorstellungen jener Clans, die wir hier nur aus Gründen der leicht verlogenen Tradition gern herausstellen. Wir können uns solche fest gebauten Luftschlösser leisten. Jeder andere sollte sich das gut überlegen und das Recht haben, sein Leben so einzurichten, dass es sinnvoll und beherrschbar ist.

Für ihn. Und nicht für Zwangszucht von Kindern in gesellschaftlichen Verhältnissen, die dafür längst nicht mehr eingerichtet sind. Und nicht jeder Frustrierte und Gescheiterte kann später einfach so, wenn ihm seine Lage nicht mehr passt, in einem Parlament unterkommen, den Staat melken und den Umbau zu einem Kalifat fordern.

Entsprechend der Distanz aus Ihrer Perspektive hochachtungsvoll

Don Alphonso

Machen’S eine Sondersendung über Frau Haderthauer

20 mercoledì Ago 2014

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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damit in dieser schönen Stadt das Laster keine Chance hat.
Spider Murphy Gang

Langsam wird es im schönen Bayernland ernst für Christine Haderthauer und ihren Mann. Das merkt der kundige Zwischendenzeilenleser – und ein solcher sollte man hier sein, schliesslich lebt man in einem 1-Parteien-Freistaat – daran, dass nun gegen Herrn Haderthauer geklagt werden soll, wegen nach Ansicht des Freistaates überhöhter Honorare. Klage. Gegen einen CSU-nahen Arzt. Wegen ein paar Abrechnungen. In Bayern. Als nächstes verkündet die bayerische Staatsregierung die Wiederansiedlung von Einhörnern in den Alpen und effektive Kontrollen beim Verkauf von Anti-Personen-Minen ins Ausland. Und ganz so, als wäre das nicht erstaunlich genug, wird diese Klage auch noch durchgestochen. An den Spiegel. Und gleich noch bestätigt. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung.

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Zwischendenzeilenleser wissen, was das bedeutet: Gott mit Dir, Du Fehlender im Land der Bayern. Wenn der Staatspartei ihre Ministerien etwas so laut machen, dass man beim roten Spiegel in Hamburg davon hört, und anschliessend den ganzen Vorgang gegenüber den anderen Kommunisten der SZ bestätigen, ist das nur eine Stufe unter jenem berühmten Auftritt des bayerischen Prinzregenten und Sonnenkönigs Seehofer im ZDF, der die Karriere des Herrn Röttgen in Nordrhein-Westfalen spektakulär beendete. Es macht für mich den Anschein, als würden hier präventiv gewisse Leute den Medien sagen: „Liebe Medien, verschont unsere Ministerien und wenn ihr zündeln wollt, ist hier der Brandbeschleuniger für andere Häuser, und wenn ihr mehr braucht, schicken wie eine Sondersendung rüber.“ Ob sie das nun tun, weil der ganze Fall mit all seinen Details zur Belastung für die Partei wird, die nach dem Fall Kreidl nicht schon wieder eine solche blöde G’schicht erklären will, oder weil nicht jeder trauern würde, wenn da ein Posten frei würde, lasse ich einmal dahin gestellt.

Jedenfalls, es is wias is und damit sollte jeder im Freistaat intuitiv verstanden haben, dass die Partei möglichst weit weg sein will, falls es mit lautem Knall und Fetzen noch unschöner wird. Mit der Volte des Wochenendes plüschäugt die Partei die Medien lieb an und versichert, dass sie ein Jahrzehnt nach den blöden G’schichten von der Haderthauer und einem Jahr Skandalköchelei ernsthaft um Aufklärung bemüht ist, weil ja Bayern ein Rechtsstaat ist, und vor dem Herrscher sind alle gleich. Und gleich schnell weg, wenn es sein muss. Wobei das nicht so ganz stimmt, Frau Haderthauer aus Ingolstadt hat im Vergleich zu anderen Gestrauchelten tatsächlich bemerkenswert viel überstanden.

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Wie manche vielleicht wissen, bin auch ich selbst aus jener kleinen, dummen Stadt an der Donau gebürtig, wie schon etliche Generationen vor mir, so dass ich mit Fug und recht sagen kann, ich sei ein alter Städterer, zu bayerisch, „oida Schdodara“. Und als solchem ist mir natürlich auch die generelle Befindlichkeit der Menschen hier bekannt, die hier durchaus stolz auf den Imperator sind, der in ihren wehrhaften Mauern geboren wurde, und die nun aber eine Erklärung erwarten, warum es zu dieser blöden G’schicht da gekommen ist. Die Sache ist nun mal nicht ganz so ruhmreich wie andere Wohltaten des Herrschers, es ist schon nahe am unverschämten Ergebnis der EU-Wahl, und man wundert sich, wieso die so lange bleiben konnte, Und weil nun einmal der Herrscher ein Faible dafür hat, das am Ende zu meinen, was das Volk schon vorher dachte, beginnt die sinnreiche Endlagerung der Frau Haderthauer nach dem, was ich so eingeflüstert bekomme, gleich dort, wo sie herkommt: Im fernen Neumünster nämlich, hoch im Norden, wo sie als „Cuntze“ geboren wurde. Natürlich hat man in Bayern nichts gegen Norddeutsche, aber. (<-das „aber“ der gesellschaftlichen Todes)

Jede gute Diskriminierung beginnt nun mal mit dem Verweis auf die Herkunft, und wenn es kommod war, hat man auch dem Stoiber seine nicht so ganz lupenrein bayerische Herkunft hinein gedrückt – das ist kein Rassismus, das ist Traditionspflege. Traditionspflege ist natürlich auch das Bewahrende, könnte man sagen, ich spinne einmal die kommende Argumentation der Partei gefällig weiter, und als Bewahrer hat der Sonnenkönig Seehofer bei seinem Machtantritt eben nicht alles umgepflügt, sondern verständig und voller Vertrauen auf seine Vorgänger deren Personal gutgläubig übernommen. Jüngst hat der Ex-Parteichef Erwin Huber wider den Seehofer unbotmässig das Wort erhoben, und so ist es ratsam, das Wahlvolk wissen zu lassen, dass genau dieser Herr es Anno Dommini 2007 war, der die nun Bedrängte als Generalsekretärin nach vorne holte. Sie war halt schon da. Das muss man verstehen und das versteht auch ein jeder. Der Huber ist eigentlich schuld. Denn der Huber war als Parteichef etwas unglücklich, aber als Sündenbock ist er brauchbar.

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Und bei der Gelegenheit könnte man dem Volke auch sagen, dass es halt aus der Zeit heraus verstanden werden muss, wie auch der 30-järigen Krieg und der staatliche Zwang im 19. Jahrhundert, einen Rosenkranz dabei zu haben, die Geschäfte des Franz Josef Strauss, der Starfighter, die WAA und der Rhein-Main-Donau-Kanal und der gescheiterte Transrapid zum Flughafen aus der Zeit heraus verstanden werden müssen. Die Partei wollte sich damals für Frauen öffnen und auch gleich ein Leitbild dieser späten Laptop-und-Lederhosenepoche präsentieren. Und tatsächlich machte die Junge Union in der kleinen, dummen Stadt an der Donau mit der Generalsekretärin prompt ein Meet and Greet – genau so nannten sie das. Meat and Greed, oder so. In dieser Stadt. Gemacht haben sie ihre modische Cocktailschirmchenhalterei nahe einer Boazn, deren Betreiberinnen hier bei den besseren Kreisen wegen Lärm und Münsterbieslern einen denkbar schlechten Ruf haben. Das war halt so der Zeitgeist. Da wollte man mehr die moderne, taffe Geschäftsfrau, durchsetzungsfreudig und karrierebewusst, gern auch weltoffen weil aus Neumünster, den alten, eingeborenen Männernetzwerken zur Seite stellen. Das mit den Modellautos konnte ja keiner wissen, und dass schneidige Karrierefrauen, wie sie in Focus Money stehen, seit der Finanzkrise und ihren Verwerfungen als Leitbild nicht mehr ganz so taugen – mei. Dafür kann die CSU doch nichts. Aber die Partei lernt dazu.

Nicht umsonst steht die Aigner Ilse nach dem Willen der Partei für ganz andere Werte: Bodenständigkeit, Gewissenhaftigkeit, Besonnenheit, Fleiss, Aigner als bayerischer Geburtsname, und Neumünster nicht als Geburtsort. Das versteht man hier durchaus richtig. So gesehen hat sich die Partei also schon lange vor dem Skandal, zumindest was den Frauentyp angeht, so entschieden, wie das Volk es jetzt haben will. Es ist mehr eine Frage der Werte, kann man salbungsvoll sagen, und schon allein deshalb kein Rassismus. Die eine steigt glaubhaft mit dem Dirndl auf den Berg des wohlhabenden Oberlandes und die andere lässt ihre Absätze in der Staatskanzlei erknallen, und der Bürger kann sich das Leitbild passend zu seinem Landlust-Abo heraussuchen. Warum sollte man über Irrwege sprechen, wenn man auch über die nette Frau Aigner sprechen kann. Und bittschön, dann sollte man auch so frei sein und der Staatspartei zugestehen, dass sie, wenngleich ein klein wenig spät, nicht nur eine gute Erklärung hat, sondern auch einen passenden Ersatz. Wenn hinter den Kulissen den politischen Schadbärinnen ein ROFLCOPTER GTFO zugeraunt wurde, kann diese Absatzknallerei-Sache da, dieses moderne Goasslschnalzertum auch die Doro Bär übernehmen, die kommt aus Franken und hat von daher viel von der Welt jenseits des bayerischen Kernlandes gesehen.

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Diese dumme, kleine Stadt an der braunen Donau hat noch immer den Imperator auf ihren Gemarkungen, und wie das Volk gesehen haben wird: Es ist ja keine schlechte Zeit. Hin und wieder verschwinden welche, aber denen wird nicht viel nachgetrauert. Am Ende ist bayerisches Blut halt doch dicker als neumünsteraner Wasser, die Wirtschaft brummt und bei der Justiz wird jetzt etwas genauer hingeschaut. Danach reden wir über den Bundesfinanzausgleich und die familienpolitischen Vorstellungen der Bundesfamilienministerin, alle katholischen Landfrauen und alle zugereisten Jungmanager sind dann wieder froh. Statt Meet and Greet machen sie sich jetzt ohnehin alle auf zum Oktoberfest, und die Empörung, dass ich da nicht hingehe, wird jeden Aufschrei über diese wie hiess die nochmal, Hadercuntz, na egal also es ist schon ein starkes Stück. wenn ich da nicht mitgehe, wo sich doch halb Neumünster dort auf den Bierbänken die Seele aus dem Leib schreit und vom Himmel der Bayern schwärmt.

Weshalb der beste Termin für einen Rücktritt auch der Moment wäre, da der neue Münchner Oberbürgermeister dem Imperator, möglicherweise auf Knien, wie es sich gehört, die erste Mass überreicht. Dann gibt es kein anderes Thema mehr, da können die Kommunisten in der SZ dann so viel schreiben, wie sie wollen.

Jede Woche 1000 Dollar und kein Nachdenken

15 venerdì Ago 2014

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Es ist das Natürlichste von der Welt: Kaum verbietet Berlin den Mitfahrdienst Uber, regen sich meine Berliner Freunde (und Feinde) auf. Bei Twitter hagelt es Proteste und die üblichen Anschuldigungen, die Verwaltung habe sich mit der „Taximafia“ verschworen und würde mit juristischen Tricks überkommene Strukturen retten. Sie sehen nicht die Probleme des Dienstes, sie denken nicht an Haftungsfragen, an Gewerbevorschriften und an die fehlende Sicherheit. Was sie sehen ist, dass mit dem Navigationsgerät jeder in der Lage ist, jedes Ziel anzusteuern, und die hohen Preise der Taxis, gemessen am Berliner Lebensniveau. Von den Folgen eines Unfalls und dem Umstand, dass am Ende eine Versicherung für Schäden nicht aufkommt, weil Fahrzeug und Fahrer für solche Dienste nicht abgedeckt sind, wollen sie nichts wissen. Es geht doch, ein wenig Risiko gehört in ihren Augen dazu. Und außerdem, nehme ich an, finden sie Taxis einfach zu teuer und wollen gern sparen.

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Uber ist nicht die einzige Firma, die Menschen dazu bringt, im Graubereich der Legalität zu arbeiten. Da sind Vermieterportale wie AirBnB, die den Wohnungsmarkt durcheinander bringen. Auf der einen Seite begrüßen die Kunden die Möglichkeit, schnell und ohne großen Aufwand flexibel Wohnungen auf Zeit zu finden. Die gleichen Personen jammern auf der anderen Seite darüber, dass die Mietpreise nach oben und die bezahlbaren Angebote nach unten gehen. Da gibt es an manchen Orten durchaus einen Kausalzusammenhang: Denn bei diesen Portalen vermieten oft nicht die Wohnungsbesitzer, deren Immobilien eine Weile leer stehen, sondern geschäftstüchtige Personen, die Wohnungen günstig dauerhaft anmieten und dann kurzfristig teuer vermieten. Dass sie dabei mitunter gegen Hausordnungen, Verordnungen und Gesetze verstoßen, dass bei so einem Treiben die Wohnungen ruiniert werden und ein neuer Zweig des Mietnomadentums entsteht, mag den Besitzer ärgern und schädigen – aber andere sehen nur ihre Vorteile.

Vorteile sahen viele auch bei Groupon. Ist doch super, wenn man überall Rabatte bekommt und Schnäppchen machen kann, sagten die Kunden, und damit schaffte es Groupon trotz schwieriger Erlössituation an die Börse, als sei die New Economy wiedererstanden. Dass die Geschäftspraktiken von Groupon nicht immer schön waren, dass solche Portale durch den Preisdruck zu Dumping und zu Dumpinglöhnen führen können, störte kaum jemanden. Die gleiche Gruppe bestellt auch weiter munter bei Zalando und Amazon, obwohl diejenigen, die in den Lagern für die Zusendung der Produkte arbeiten, nicht gerade die Art Beruf haben, die sich die junge, technikaffine Schicht wünschen würde. Im Gegenteil, die Freunde des Fortschritts sind oft genug auch jene, die Hartz IV und jenen zweiten Arbeitsmarkt kritisieren, der solche Firmen erst über die Gewinnschwelle bringt.

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Und es finden sich auch genug Freunde von Amazon, die der Meinung sind, die Verlage seien an ihren Problemen ganz allein schuld – hielten sie doch am unnötig gedruckten Buch fest, während Amazon so freundlich wäre, nicht mehr lieferbare Bücher ganz selbstverständlich auf Kundenwunsch zu liefern. Dass Amazon jetzt den Mindestbestellwert für kostenlose Lieferungen anhebt, spielt für sie keine Rolle, denn am besten kommt das Buch ohnehin auf das Lesegerät. Es geht ihnen um einfachen Zugang, simple Beschaffung, und wenn das nicht geht, sind sie eben weg. Oder sie regen sich darüber auf, wenn man ihnen die gewünschten Möglichkeiten nicht zur Verfügung stellt, weil es zwar technisch, nicht aber rechtlich oder betriebswirtschaftlich möglich ist. In vielen Bereichen des digitalen Daseins gehen sie auch keinerlei Risiken ein, die Folgen der Umwälzungen treffen ohnehin andere, die sich in ihren Augen nicht anpassen wollen, und damit an ihrem Schicksal selbst schuld sind.

Dass so ein System sich letztlich auch gegen sich selbst wendet, erleben im Moment die Kleidungsversender, deren Kunden die Lieferung nicht nur kurz daheim anprobieren, sondern ein paar Tage tragen und dann in jene Lager zurück schicken, in denen schlecht bezahlte und vielleicht ähnlich zynisch denkende Mitarbeiter wenig Grund haben, dieses Treiben zu beenden. Und solange es nur darum geht, diese Firmen mit schön dargestellten Umsätzen an die Börse zu bringen, muss das auch keinen wirklich stören – solange sich keiner Gedanken macht, wie solche Geschäftsmodelle letztlich die Umverteilung und die Monopolisierung fördern. Ausgerechnet diejenigen, die jedes Internet-Meme zur sozialen Gerechtigkeit mitmachen, werden blitzschnell zu Marktradikalen, wenn sie etwas nur ein klein wenig bequemer oder billiger bekommen. So mies kann kein Konzern sein, dass er wegen eines schnelleren Kaufsystems nicht Freunde finden würde. Und es ist vollkommen absehbar, dass sich unter diesem Artikel, spätestens bei Facebook, Kommentare finden werden, die mir unterstellen, ich würde das nur schreiben, weil ich Propaganda für die alten Kartelle mache, die keine neuen Freiheiten zulassen wollen.

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Und es ist bei weitem nicht so, dass sich dahinter nur die sporadisch auftretenden Mietmäuler von Google und Amazon verbergen. Die radikalen Strategien der Konzerne, sich das Internet und die immateriellen Güter unter den Nagel zu reißen, so lange die Politik nicht die Entwicklung versteht oder reglementierend eingreift, gefallen besonders jenen, die selbst keine Beständigkeit und keine Verankerung in klassischen Strukturen kennen: Freiberufler, Prekäre, Dauerpraktikanten, Berliner Piratenabgeordnete, Leute, die sich mit Crowdfunding durchschnorren, die menschliche Verschiebemasse derer, die zwischen kurzfristigen Beschäftigungen wenig Einkommen haben, aber viel Zeit, ihren Unmut im Netz loszuwerden. Bejubelt wird dagegen der Umstand, dass eine Firma wie Uber aufgrund der Finanzierung in der Lage ist, die Strafen bei Nichtbeachtung des Verbots aus der Portokasse zu bezahlen. Vor einigen Tagen herrschte noch Empörung, dass sich ein Ecclestone bei Gericht freikaufen kann, bei Uber freut man sich, dass sich deren Marktmacht über das Rechtssystem erheben kann.

Es ist der gleiche Zynismus und das gleiche kurzfristige Denken, die der Praktikumswirtschaft zugrunde liegen: Da ist immer ein Praktikant gewesen, der es für weniger macht, und so weit, dass nicht einer darauf einging, konnten die Firmen die rechtlichen Möglichkeiten gar nicht ignorieren. Wenn Mitarbeiter von Startups auf dem Fußboden im Büro schliefen, war das kein problematisches Verhalten eines Arbeitgebers, sondern lässige Realität einer in England registrierten Ltd.. Wer selbst erfahren hat, dass berufliche Sicherheit und verlässliche Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch Ausleseverfahren und Optimierung ersetzt werden, wer brutal abgebaut wurde, weil die Firma nach dem Verkauf an einen Konkurrenten nur als Marke erhalten blieb, wird dadurch nicht zwangsweise zum sozial bewegten Menschen, der tarifferne Kettenverträge in der ostdeutschen Provinz vehement ablehnt.

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Das Lauern auf schnelle, kleine Vorteile, die Konditionierung durch Profitmaximierung, der Kult des Egos und die Probleme, im Netz auch nur minderkomplexe Zusammenhänge, wie den fehlenden Versicherungsschutz im Mitfahrgeschäft zu vermitteln, weil das Interesse am schnellen Sparen größer ist: Das mag nicht unbedingt gefallen. Aber so wurde es vorgelebt, so wird es im Moment mit dem sog. Freihandelsabkommen auch propagiert, so wird die Ablehnung staatlicher Regelungen gefeiert. Was für Banken, Chlorhuhnzüchter und Datensammler Recht oder zumindest gnadenlos ausgenutzter rechtlicher Freiraum ist, ist für das durch den Wandel entstandene Prekariat nur billig. Übergreifendes Denken und Handeln macht nicht satt, ein Döner für 1,50 Euro dagegen schon. Und wenn Amazon erst einmal alle Rechte an vergriffenen Büchern hat, müsste bei den niedrigen Transaktionskosten doch auch was bei seinen Kunden hängen bleiben. Soviel haben sie von der Marktwirtschaft zumindest verstanden.

Verändere Dich und sterbe

11 lunedì Ago 2014

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Heiliger St. Florian – verschon mein Haus, zünd’ andre an

1973 gewann Luis Ocana auf einem knallorangen Motobecane die Tour de France. Der Sieg machte in ganz Europa und auch in Lenggries, ganz hinten im Isartal, Schlagzeilen.

Ein Tal weiter, hinter der Benediktenwand und dem Kochelsee, haben sie damals die Autobahn gebaut. Aber so eine Autobahn muss noch lang nicht bedeuten, dass die Leute weiter in Richtung Mittenwald und Seefeld oder gar nach Innsbruck fahren, um ihre Skiferien so fern der Heimat zu verbringen. Der Spitzingsee, das Sudelfeld und der Wallberg waren ausreichend und altbekannt, und das Brauneck bei Lenggries galt als echtes Schneeloch. Und es ist so nah bei München: Im Winter auf die Ski und im Sommer mit den Bergschuhen auf die Almen, und danach ist da unten bei der Zufahrt auch der Wirt, wo im Weinstadl angeblich der Gunter Sachs mit der Bardot war, und noch andere bekannte Persönlichkeiten. Im Keller ist eine Tanzfläche und einer, der unter der Discokugel Platten auflegt. So war das damals, als man ein Tal weiter die Autobahn Richtung Garmisch baute. Ein ganzes Tal weiter ist weit weg im Gebirge, eine andere Welt. Man bekommt nicht mit, was da passiert. Außer wenn man wirklich hinfährt, weil man etwas holen muss.

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Oder wenn man im Isartal lebt und an den Tegernsee will, um dort zu schwimmen. Von Lenggries zum nächsten Strand bei Gmund sind es gute und sehr hügelige 20 Kilometer. Das fährt man mit dem Rad nicht so schnell, besonders, wenn man gerade mal 14 ist, und noch mit einem Oparad ohne Gangschaltung unterwegs ist. Da braucht man 1974 ein anderes Rad, eines mit Gangschaltung und schmalen Reifen, schnell soll es sein und fesch, dann fliegt man nur so über die Anstiege zum See. Und weil man zwar wenig von der Autobahn nach Garmisch weiß, aber sehr wohl, auf welchem Rad Luis Ocana die Tour de France gewonnen hat, möchte man auch so eines haben. In Orange. Wer will das nicht, wenn er 14 ist. Und wer das Glück hat, dass der Vater Besitzer jenes gut laufenden Weinstadls ist, in dem der Sachs mit der Bardot gewesen sein soll, und viel andere Prominenz aus München, die dort Apres Ski feiert; wer also das Glück hat, dass der Vater gut verdient und spendabel sein kann, der bekommt es auch.

Natürlich nicht das teuerste Modell. Aber es ist orange, es macht Eindruck und es macht das Leben sehr viel einfacher. Zum Eis nach Bad Tölz, über die Jachenau hoch zum Kochelsee, zum Tegernsee: Wenn der Vater dem Sohn so ein Rad kauft, wird die kleine Welt des engen Tales aufgeweitet. Andere Täler kommen in Reichweite. Und so stand das Rad vor 40 Jahren auch schon hier am Tegernsee, ein oranges Fanal der Freiheit, sofern der Bub keine Schlaghosen trug, die sich im Flaschenhalter verfingen. 1973 hatten zwar gewisse Herren Günter Wallraff und Bernt Engelmann dieses angenehme Leben im Wohlstand am See und seine Exponenten mit dem Buch „Ihr da oben – wir da unten“ gegeißelt; sie hatten Sachs wegen „Gammeln“ angegriffen. Aber davon versteht man mit 14 vermutlich wenig. Hauptsache, man bekommt das Rad in der Farbe, in der es sein soll, und von der Marke, die Sieger macht.

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Und mit 15 will man noch ein wenig weiter, und bekommt dafür ein Moped. Sobald der Motor zwischen den Beinen schnurrt, wird auch München erreichbar, und zum See ist es wirklich nur noch ein Katzensprung, und keine Strampelei mehr. Weil das Brauneck weiterhin so beliebt ist, und sich die Leute am Abend beim Trinken im Weinstadl und auf der Tanzfläche treffen, ist auch für das Moped genug Geld da. Schade ist es um das fast neue Rad, das von nun an in einem der Abstellräume bleibt und langsam einstaubt. Denn immer weiter zieht es den Nachwuchs hinaus, erst zum Studium und dann in die Welt für die Arbeit jenseits des engen Tals, das nach und nach von all den Skigebieten überflügelt wird, die schneesicher im Hochgebirge liegen, und mit den modernen Automobilen schnell und zuverlässig zu erreichen sind: Kitzbühel, St. Anton, St. Moritz – wo dann auch Gunter Sachs gesehen wurde – , da kann Bayern oft nicht mehr mithalten, und über die Autobahn ist man oft schneller in Tirol, als über die enge Landstraße hinten im Isartal, wo das Motobecane zurückgeblieben ist.

Dann bekommt das Brauneck eine andere, bessere Zufahrt, denn man will mithalten. Damit rückt der Weinstadl weg von der normalen Route der Münchner an die Peripherie, wird später dann verpachtet und ein italienisches Restaurant an einer abgelegenen, engen Straße, die sehr ruhig geworden ist. Diese Ruhe und der schöne Blick jedoch ziehen junge Familien an, die daneben ihre Häuser bauen, und das ist nicht so gut für die Tanzbar im Keller und das Restaurantgeschäft. So ein Weinstadl aus Holz passt auch nicht mehr in die Epoche der körperbewussten Wellness-Angebote. Irgendwann ist da die Frage: Geht man das Risiko ein, so einem Komplex für viel Geld umzubauen und den Bedürfnissen der Moderne anzupassen. Oder nutzt man die Gunst der Stunde und des Neobiedermeier, und reißt man das alles weg. Und baut auf der großen Fläche, anstelle der Discokugel und der dunklen Holzeinrichtung, drei Dreispänner für jene jungen, sittsamen und vermögenden Familien, die dem Trubel der Stadt entgehen möchten. und dafür gern auch mal nach München pendeln, solange nur die Kinder in der Natur und mit Blick auf die Berge aufwachsen.

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Die Entscheidung ist für den Abriss gefallen, denn es ist absehbar, dass die kleine Gastronomie auf dem Land wenig Aussicht auf Erfolg hat. Erfolg haben die Kliniken für Vermögende und die Saunabetriebe mit Massagen, deren Ursprünge in fernen Ländern liegen; den Erfolg mögen Luxusquartiere nach sich ziehen, in denen man abgeschlossen die Aussicht genießt und froh ist, der Hektik der Städte entgangen zu sein. In die Metropolen kann man immer noch, wenn es auf dem Land mit Blick auf die Isar und die Berge zu langweilig wird, und die Architekten sorgen schon dafür, dass hinter all dem alpenländischen Holz und den Stilelementen kein städtischer Luxus, keine hohe Decke und kein Komfort fehlen wird. Was ich vorfinde, als ich das Motobecane hole, ist ein aufgegebenes Gasthaus mit Anbauten, einem leeren Parkplatz und einem Besitzer, der das Beste daraus macht. Und alles loswerden will, was er nicht mehr benutzen kann und noch einen Wert haben mag.

Das werden die alten Hölzer des Stadls sein, für die es angesichts des Immobilienirrsinns und der Landliebe einen Markt gibt. Vielleicht findet sich auch jemand, der die Discobeleuchtung für ein Retrolokal brauchen kann. Das sind sicher die massiven, fast schwarzen Bänke, Stühle und Tische, die für die Ewigkeit gezimmert wurden, und hell abgebeizt in Landrestaurants Verwendung finden, die urige Namen der Berge mit dem gutverdienenden Publikum der Stadt zu verbinden wissen. Oder ein Modejäger richtet sich damit wieder eine Zirbelholzstube ein, um dort die Trophäen seiner Hobbyabknallerei von Getier zu präsentieren. Und von Wert ist auch das Motobecane des Juniors, der weit weg ist und das Rad, das ihn einen Sommer begleitete, wirklich nicht mehr braucht. Außerdem ist es nach 39 Jahren ohnehin nicht mehr fahrbereit.

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Aber so ist das eben: Lius Ocana und Gunter Sachs wurden depressiv, und begingen späer wegen unheilbarer Krankheiten Selbstmord. Motobecane musste 1984 Insolvenz anmelden. Von all den Firmen, die damals Teile für das Rad lieferten, hat nur eine einzige überlebt. In die Natur des Braunecks hat man einen Speichersee gesetzt, damit die vom Klimawandel betroffenen Pisten künstlich beschneit werden können. In Zeiten des achtstufigen Gymnasiums bleibt den Schülern kaum genug Zeit, am Nachmittag für ein paar Stunden an den See im nächsten Tal zu radeln. Das alles funktioniert nicht mehr wie damals, und wer heute Prominenz sehen will, geht nicht mehr in einen Tanzkeller, sondern beschäftigt sich im Netz mit Schauspielern, die Quallen töten. Nach einem Tag Arbeit läuft das Rad wieder, Chrom und Lack funkeln, und die Kette surrt durch den Sommer, als hätte es diese 4 Jahrzehnte Dämmerschlaf und das Wegschieben einer ganzen Epoche nicht gegeben.

So soll das bei uns aber eigentlich sein. Man hofft speziell in diesen Regionen, dass der unerbittliche Lauf der Zeit aussen vor bleiben und die eigenen Privilegien schonen möchte, dass alles so bleibt, wie es ist, und die Kinder es wenigstens genau so gut haben. Man möchte vom Wandel ausgespart und nicht vom Gang der Geschichte niedergewalzt werden, man möchte inmitten des melancholischen Plunders noch ein paar Jahre weiterdämmern und glauben, dass sich schon alles einrenken wird. Der eine restauriert alte Räder, die anderen schleifen ihre Kinder zur Trachtenschneiderei, die Einladungen zur Hochzeit verschickt man auf Büttenpapier der fast 200 Jahre alten Fabrik, und nächstes Jahr macht auch der alte Biergarten bei Kaltenbrunn wieder auf. Da schaut man dann auf den See, dreht der EZB und der Börse in Frankfurt den Rücken zu, und die ISIS im Irak, die Staatskrise in Italien und die USA mit ihrem Freihandelsabkommen, sie alle liegen zum Glück jenseits des Tales, irgendwo hinter den Bergen, die auch heute wie vor 40 Jahren noch den Horizont begrenzen.

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Initiiert, mitausgeheckt, eingetütet und leider auch manchmal durch meine halsstarrige Art erduldet von Frank Schirrmacher

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