Liebe Störenfriede und Landfriedensbrecher!
Vor ein paar Tagen machte in meinen Internetkreisen diese Suchanzeige für ein Zimmer in einem antikapitalistischen Wohnprojekt die Runde, und man hat sehr gelacht. Gestern Abend nun gastierte bei uns das Atos Trio, und in der Pause sprachen wir über den angespannten Immobilienmarkt, wie so oft. Und selbstverständlich habe ich dort darauf verzichtet, mittels Beschreibung dieser Anzeige einen kostengünstigen Scherz auf anderer Kapitalusmusfeind_Innen Kosten zu machen. Das tut man nicht (solange man damit kein Geld bei einer Zeitung verdient). Man macht sich nicht über Leute lustig, die weniger besitzen. Zurecht. Ich schwieg still und dachte mir, jeder mag sein Leben gestalten, wie er will, was geht es mich an, wenn andere anders glücklich werden. Ich bin kein Richter oder Ankläger. Und würde nicht vielleicht jeder gern in einer Welt leben, die dem anderen grosse Freiräume schenkt?
Das Atos Trio spielte als Zugabe das Ihnen, hochverehrte Störenfriede und Landfriedensbrecher, eventuell noch unbekannte Klaviertrio in G-Dur, KV 496 von Mozart, und das dauert etwas. Bedauerlicherweise war die Aufführung in meiner dummen, kleinen Heimatstadt an der Donau, die nie etwas anderes hervorbrachte als bösartige Gegenreformatoren und bösartig dreinschauende Luxusautomobile – nur jetzt, genau zu dem Zeitpunkt, da das Atos Trio Mozart intonierte, kam noch etwas dazu: Der deutsche Meistertitel für Massenschlägereien auf Kufen und Eis; in Ihrer Welt vermutlich unter dem Namen “Eishockey” bekannt. Dieser Titel nun wurde von einer zusammengekauften Truppe erschossen, erschlagen und erkörperandiebandegequetscht, und so kam es, dass der hiesige Konzertverein beim Verlassen der Tiefgarage in einen hupenden und grölenden Corso eingequetscht wurde, gänzlich ohne Abendkleidung und S-Klasse, aber mit einer monotonen Hupmusik, die man als Abrundung für KV 492 eher nicht vernehmen möchte.
Wie Ihnen vielleicht bekannt ist, bewohne ich das Haus, das die Familie schon seit einigen Generationen ihr eigen nennt und dessen Geschichte weit ins Mittelalter zurückliegt. Es befindet sich an einer der Durchfahrtstrassen der Altstadt, und somit habe ich die halbe Nacht damit verbracht, Augen und Ohren für eventuelle Straftaten – in Ihren Augen Unterhaltung – zuzubringen. Bis heute morgen ging eigentlich alles gut, aber ich komme gerade vom Wochenmarkt, wo ich den letzten Spargel und famose Kräuterseitlinge und frische Tortelli bekam. Und auf dem Rückweg kamen sie mir dann entgegen: Immer noch nicht nüchterne Fans in Kleidung des Vereins und Mitläufer. Einer, der wie ein Zeitsoldat aussag, trug ein Hemd mit der Aufschrift “Obey.” Und ein anderer ein Hoodie mit der Erklärung “Fuck Life” und so sah er auch aus.
Ich bitte um Verständnis, hochgeschätzte Störenfriede und Landfriedensbrecher, wenn ich hier nicht umhin kann, öffentlich meine Prädisposition zu erklären: Anhänger dieser sportlichen Vereinigung haben über Monate hinweg diese Altstadt mit dem Gründungsjahr des Vereins beschmiert. Wir sind da, um ehrlich zu sein, als Hausbesitzer nicht wirklich angetan. Ich habe natürlich nichts dagegen, wenn sich Kanadier und Deutsche vor ein paar Tausend Johlenden gegenseitig die Schläger an den Kopf hauen, und es ist auch fein, dass es dafür die Mauern des Stadions gibt. Aber die Ausweitung der Kampfzonen in meinen Lebensbereich sehe ich wirklich nur ungern. Ungeachtet dessen ist mir und Ihnen natürlich vollauf bewusst, dass es eine einseitige Sache ist: Keiner aus meinem sozialen Umfeld käme auf die Idee, während der Festspielsaison in die schlechten Viertel zu fahren, armen- und richardwagnerfeindliche Parolen zu schreien, die Wände mit Rezitativen von da Ponte zu beschmieren und zu guter Letzt die Eckkneipe in Brand zu setzen, weil die Bar wirklich scheusslich ist. Es gibt in unserem Land keine Ausschreitungen der Vermögenden gegen die Unterschichten mehr. Allein schon, weil man sich, wie oben bemerkt, schämen würde.
Das jedoch ist nicht die historische Realität, sondern eher eine Anomalie der letzten gut 50 Jahre. Davor war es nämlich sehr wohl üblich, dass die besseren Kreise bei den weniger Begünstigten eingefallen sind und sich nicht eben freundlich benahmen, was ich als Nachfahr eines Ungelters allein schon aus der Familiengeschichte zu berichten weiss. Aber nehmen wir doch aus Gründen der Diskretion und Bildung einfach Mozarts Don Giovanni, KV 527, und denken an den gerissenen Verführer, wie er die Bauern Zerlina und Masetto herumkommandiert. Gedenken wir der Leichtigkeit, mit der er das Leben seines Dieners Leporello aufs Spiel setzt, wenn er davon nur den kleinsten Vorteil davon hat – am Ende des ersten Aktes beschuldigt er öffentlich Leporello genau jener Vergewaltigung, die er selbst begangen hat, und droht, ihn zu erstechen. Oder denken wir an den Conte Almaviva in Le Nozze di Figaro, KV 492, der Cherubino mit einem Wisch in den fast sicheren Tod an der Front schicken kann, und alles daran setzt, Figaros Mädchen zu entjungfern. So ging es zu im christlichen Abendland, und wenn die Opern letztlich auch die andere, moralisch bessere und fortschrittliche Seite triumphieren lassen: Die Realität der niederen Schichten sah weniger erfreulich aus.
Später schrieb man leider keine so schönen Opern mehr, die einen weia oh walleten in Bayreuth und die anderen sangen “Wacht auf, Verdammte dieser Erde”, was auch so einiges über das Selbstbild der arbeitenden Klasse im 19. Jahrhundert sagt. Weit sind wir seitdem gekommen, heute singen sie eher die Spots der Elektromärkte. Gleich vor dem Gesetz sollen wir alle sein und uns nach den Spielregeln der Zivilisation verhalten – das, mit Verlaub, wurde in der öffentlichen Erscheinung eine sehr einseitige Sache. Wir behalten unsere Heiligen Hallen, in denen kein Verräter lauern kann, denn der kommt hier nicht rein. Und unten auf der Strasse kocht in vielen Orten am 1. Mai in den Herzen der Hölle Rache, da würde man uns gern geköpft, dann gehangen, dann gespiesst auf heisse Stangen sehen, denn wie Masetto es so trefflich formuliert: “Wir haben uns vereint, Ihn tot zu schlagen. “. Und am Ende der Aufmarschstrasse stehen keine Kanonen mit gehacktem Blei im Schlund, sondern nur ein paar Wasserwerfer – liebe, gute Störenfriede und Landfriedensbrecher, das ist keine Repression, das ist, vom Rokoko kommend, der allgemeine zivilisatorische Fortschritt! Auf zu dem Feste, feucht soll es werden, bis meine Gäste triefen von Schleim! Rutschen lass all sie wild durcheinander, hier eine Hundertschaft, schliesse die Reih’n, dort bayerische SEKs, schliesse die Reih’n. Die Autonomen haben ihre Traditionen der Walpurgisnacht und des revolutionären Maifestes, wir dagegen eine passende Musik.
Spielt der Wasserwerfer dann tatsächlich den horizontalen Kontrapunkt zu den Aufmärschen, gehört das wohl zu jenem Open Air der Revolte als Stilmittel dazu, wenngleich nicht gesungen wird. Ja, man könnte es auch als eine höhere Schule der Geistesentwicklung und der Herzensbildung bezeichnen, jetzt mal so relativhistorisch betrachtet, denn sanft schiebt da der Staat seine Kinder beiseite, wenn sie gar zu unerzogen sind. “Der Schurke, der freche Bube, hat die Knochen mir zerschlagen!” – was Masetto einst sang, steht danach klagend in den Protestnoten der Aktivisten, und gemeinhin ist es zum Glück nach dem ersten Mai vorbei – aber ganz ehrlich, bei uns sind Feiertage etwas Erfreuliches und keinesfalls ein Anlass, Angst vor Ausschreitungen haben zu müssen. Sagen wir es deutlich: So etwas tut man eigentlich nicht.
Natürlich sehen andere das anders, und so wird es immer wieder zu unterschiedlichen Auffassungen kommen, was man in der Öffentlichkeit tun kann, und was nicht. Eine Rückkehr zu den alten Zeiten sehe ich auf unserer Seite jedenfalls nicht; in unserer Überflussgesellschaft gibt es nichts, was es unten mit einem Überfall der Oberen an Vergnügungen zu holen gäbe. Der gewaltsame Übergriff der Vermögenden ist einfach komplett aus der Mode gekommen, und wenn das noch 10, 20 Jahre so weiter geht, werden wir uns sogar noch genauer überlegen, wie wir unser Missfallen öffentlich ausdrücken. Dabei fehlt schon heute ein Instrumentarium für den Umgang mit sozialen Auffälligkeiten, denen man nicht mehr mit Beiträgen wie diesem und Mozart beikommt, und gleichzeitig noch nicht mit dem Wasserwerfer begegnen kann. Keine Ruh bei Tag und Nacht, die zerbrochene Bierflasche, eingeworfene Scheiben, das Grölen Nachts um Vier, die Bierleichen am Morgen – das ertrage, wem’s gefällt, das alles treibt die gesellschaftliche Spaltung voran. Nur beklagen wir uns selten, wir ziehen die Konsequenzen, überlegen genauer, wem wir unser Eigentum anvertrauen, und dann wird es für Euch, hochwohlehernichtgeborene Störenfriede und Landfriedensbrecher, auch schwer mit der Gründung von antikapitalistischen WGs.
HINWEIS, DRINGEND:
Es tut mir entsetzlich leid, aber in den letzten zwei Monaten wurden gut 80 Kommentare vom Spamfilter gefressen, ich habe die jetzt nachgetragen und möchte mich bei colorcraze, whatcrisis und allen anderen entschuldigen. Der Filter hat bislang bestens funktioniert, aber es gab da eine Angriffswelle und das hat ihn wohl etwas zu scharf werden lassn. Keine böse Absicht.
Helmut Weiß ha detto:
Mozart KV 492 ist mir als “Le nozze di Figaro” bekannt, Meinen Sie das G-Dur Trio KV 496? Macht aber nichts, der Pöbel merkt es sowieso nicht.
Don Alphonso ha detto:
Oh je, das steht ja auch unten. Danke für den Hinweis.
Jacques ha detto:
Lieber Don,
guten Morgen und vielen Dank für den Text.
Ich möchte anmerken, dass das Problem tangibel werdender Dummheit am 1. Mai hier bei uns in Skandinavien nicht in der gleichen Form existiert, so wie überhaupt Zerstörungswut, wie ich sie aus Deutschland kenne, hier nicht existiert. Ich überlege seit geraumer Zeit, wieso das so ist. Meine beste Vermutung ist, dass es angestaute und komprimierte Frustration ist, die sich schlagartig entlädt — wie ein Gewitter!
Wenn die Vermutung richtig sein sollte, muss man fragen: Woher kommt diese Frustration? Und wieso benehmen sich Frustrierte anderer Länder anders (denn es gibt sie überall)?
Zur ersten Frage ist meine Hypothese, dass es die deutsche Kultur des Jammerns und Beklagens ist, die ich so in der Form wirklich nur aus Deutschland und aus Ostdeutschland kenne, die ursächlich sein muss. Es ist belustigend und beunruhigend zu gleich, aus dem Ausland zu beobachten, wie Deutsche im Alltag sich darin erschöpfen, sich gegenseitig in Schilderungen zu überbieten, wie schlecht es ihnen geht und wie ungerecht “alles” ist. Argumentativ werden sie unterstützt von den Medien, sowohl von halbseidenden Journalen wie dem SPIEGEL, als auch von seriöseren Zeitungen wie Ihrem Taschengeldgeber FAZ.
Da sich dies auf absehbare Zeit nicht ändern wird, werden sich auf weiter Frustrationen anstauen und, mangels der Fähigkeit zum kontrollierten Abbau bzw. zur Vermeidung der Frustration in the first place (pardon), in Randale münden.
Welche Lehre folgt für den Rest, der durch solche Rituale gestört wird? Diese: Die Knappheit an Garagen in manchen Wohnlagen ist sehr ärgerlich.
Herzliche Grüsse
Jacques
Moritz ha detto:
Naja, lieber Jacques,
wenn man nach Frankreich schaut, wählt bald die Hälfte der Franzosen die rechte “Ausländer-raus”-Le Pen.
Wenn Franzosen alles so toll und heiteitei finden würden, kämen sie wohl kaum auf dieses schräge Brett, diese Figur zu wählen. Also ist auch in Frankreich ein starkes Grundgrummeln, was Ungerechtigkeit, verletztes Gerechtigkeitsgefühl und Angst irgendwann im Hintertreffen zu sein, betrifft. Von wegen nur der Deutsche “jammert”.
Ich kanns ja nicht mehr hören, dieses Gejammere über das angebliche Gejammere.^^
Gruß
der Kater
Thorsten Haupts ha detto:
Tja. Ich habe franzoesische Kollegen, viele (franzoesische Firma). Ja, die sind unzufrieden, vor allem die juengeren. Die Arbeitslosigkeit unter Juengeren ist mehrfach so hoch wie die deutsche, die Abgabenlast steigt bestaendig und Besserung ist nicht in Sicht.
Frankreich hat es mit den Rezepten versucht, die hier (hallo Katze) gerne empfohlen werden – hoher Schutz fuer Arbeitnehmer, relativ grosszuegige Grundrentenleistungen, aktive Industriepolitik, starke Regulierung der Maerkte. Der Staatsanteil und die dazugehoerige Abgabenlast sind zwischen 5 und 10% hoeher als in Deutschland.
Die Ergebnisse? Sinkende Industrialisierung, hohe und steigende Arbeitslosigkeit, sinkende Wettbewerbsfaehigkeit der Industrie, immer weniger mittelstaendische Unternehmen.
Trotzdem hat die Linke den Waehlern vor der letzten Wahl erzaehlt, wenn man nur noch mehr reguliert und noch mehr besteuert, ginge es bald allen wieder gut. Die Franzosen wollten es glauben. Jetzt glauben es nur noch die, die es glauben muessen.
Wie man sieht, kann man aus den Deutschlands entgegengesetzten Gruenden aeusserst unzufrieden sein.
Gruss,
Thorsten Haupts
Don Alphonso ha detto:
Fairerweise muss man sagen, dass in Frankreich soziale Konflikte mit mehr Härte ausgetragen werden, sicher auch eine Folge des dortigen Klassensystems, das härter als das Deutsche ist. Vielleicht liegt es in Skandinavien auch an der Offenheit und dem sozialen Ausgleich – was übrrigens ja auch in Frankreich versucht wird, aber halt leider von “Sozialisten”, die selbst Teil der Oligarchie sind. Das macht es so schwierig.
donna laura ha detto:
das muss man leider bestätigen. zum einen lebt der hang zum revolutionären, welches prinzipiell mit mehr nachdruck und hochschlagenden emotionen einhergeht – zum anderen kann man es sogar erleben, dass es aufsteiger, die es beruflich zu etwas brachten, ihre herkunft verdrängen, indem sie andere zu dominieren versuchen, auch insbesondere vertreter gerade der klasse, der sie am liebsten schon immer zugehörig waren. sei es drum.
donna laura ha detto:
… wären. pardon.
kinky So ha detto:
Es gibt in Frankreich Klassen, da kommt man nicht rein. Egal, ob man an der Sorbonne über die Quantenmechanik und deren Auswirkung auf das Unterbewusstsein referiert hat oder der König des Eierlikörs ist. Es gibt Günde, die dafür sprechen, warum das so gehandhabt wird.
Die Franzosen haben grundsätzlich ein sehr gutes Verhältnis zum Elitären.
T.I.M. ha detto:
How are you doing? – Great! (Amerika)
Wie geht’s so? – Muss ja. (Deutschland)
Co slychac? – Stara bieda… (Polen)
Also es geht noch ein wenig pessimistischer als in Deutschland
Jacques ha detto:
Selbstverständlich geht es pessimistischer. Wie Herr Haupts aber bereits andeutete, hat man anderswo auch eher handfeste Gründe dafür. Das ist der Punkt. Jedoch gibt es nur wenige andere Länder, in denen es Menschen vergleichbar gut geht (ohne dass sie es anerkennen) wie in Deutschland. Und dort, wo vergleichbarer Wohlstand herrscht, vergleichbarer Frieden, vergleichbare Bildung, vergleichbare Chancen und ein vergleichbares Sozialsystem, da ist dies überwiegend auf Sonderfaktoren zurückzuführen (z.B. Erdölreichtum oder Zufluss von Diktatoren- und unversteuertem Würstchenfabrikantenvermögen), aber weniger stark auf Fähigkeit des betreffenden Volkes, sich am Riemen zu reißen und etwas Großartiges aufzubauen.
Sonnige Grüße
ES
Don Alphonso ha detto:
Also, so aus meinem Lebensumfeld heraus kann ich das nicht bestätigen. Ich gebe aber zu, dass ich oft jenseits des Mains über die schlechte Laune der Menschen erstaunt bin, wie im Übrigen auch Gäste hier ein wenig überfordert sind, gerade, wenn ich als Mittler fungiere.
Das äündert sich natürlich, wenn es um den Staat geht, der tatsächlich grössere Ungerechtigkeiten zulässt. Es macht hier einen enormen Unterschied, ob man über Schweinsbraten, Stromtrassen oder Abgabenbefreiung für die Industrie spricht.
jeeves ha detto:
T.I.M. (polnisch)
“ehemalige Armut” heißt das auf Deutsch, sagt mir Leo.
Hm.
spaccato ha detto:
Eher: alte Armut … im Sinne von immer das gleiche, nie wird es besser
spaccato ha detto:
… Die passende muzyka!
Don Alphonso ha detto:
Manchmal denke ich, der Übergang von einer repressiven Gesellschaft der Adenauerzeit hin zu der offenen Gesellschaft, die wir jetzt haben, war einfach zu langsam. In dem Moment, indem ich Herumlaufen mit der Flasche in der Hand nicht mehr sanktioniere, muss ich damit leben, dass jemand die Flasche auch wirft. Dazu kommt mit Sicherheit auch der Druck durch die Leistungsziele, die wir haben, und eine gewisse Verseuchung durch die Medien, die zivilisiertes Verhalten eher ablehnen. Dioe Fehler jedenfalls wurden bei uns in den letzten 20 Jahren gemacht. Seitdem hier eine Disco aufgemacht hat und ich die Folgen sehe, bin ich auch nicht mehr für eine liberale Drogenpolitik. Der Vergleich mit anderen Ländrn wäre zwar nett, aber die entsprechenden Leute machen ihre Taten mehr mit ihrer Clique.
Thorsten Haupts ha detto:
Don, viel einfacher: Repressive Gesellschaften haben neben all ihren Nachreilen den Vorteil, bestimmte Usancen auch ungeschrieben durchzusetzen – die Dinge, die man macht oder halt nicht macht.
Offene koennen oder wollen das nicht mehr. Wenn “anything goes” dann geht eben alles. Es ist menschlich, aber albern, beides haben zu wollen – fast unbegrenzte persoenliche Moeglichkeiten und in bestimmten (von jedem anders definierten) Bereichen die Erhaltung des “das tut man nicht”.
Wir wollten eine Gesellschaft, in der nur noch das geschriebene Recht darueber entscheidet, was man wirklich nicht tun darf. Wir haben sie bekommen.
Gruss,
Thorsten Haupts
aristius fuscus ha detto:
Werter Herr Alphonso,
auch wenn Sie sich gelegentlich auch über Ihre eigene Klasse lustig machen, so pflegen hier Sie doch offenbar zahlreiche Illusionen über dieselbe -und zwar sowohl in positiven wie im negativen Sinne.
Dass heutzutage die besseren Kreise nicht mehr bei den weniger Begünstigten einfallen, um dort zu stehlen, was nicht niet- und nagelfest ist, stimmt bestenfalls im wortwörtlichen Sinne. Jeder Banker sollte hier eigentlich wütend protestieren, übertreffen doch die Gehälter und Boni, die man sich in diesen Kreisen gönnt, die Beute, die die alten Raubritter oder Landjunker damals gemacht haben, bei weitem. Sie stellen es nur cleverer an (Raubritter und Landjunker waren ja nicht eben für intellektuelle Leistungen bekannt).
Wenn Sie hier Ihre Klasse unterschätzen, überschätzen Sie sie doch in anderer Hinsicht: dass die modernen Gehobenen nicht mehr physisch in die Wohnquartiere des Prekariats einbrechen, erklärt sich sicherlich nicht mit guter Erziehung, sondern schlicht mit Feigheit. Dort traut man sich ja nicht einmal, nach 23:00 noch die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen -da waren die alten Raubritter wiederum ganz anders gestrickt.
Christof Koelsch ha detto:
Mein lieber Aristius, den angemessen lächerlich akronymisierten ÖPNV meidet der gesunde Mensch auch vor 23 Uhr. Eine angemessene Mischung aus per pedes, Radl und V8 dürfte übrigens – für den, den solche Dinge interessieren – eine in etwa vergleichbare Energiebilanz aufweisen. Raubritter dürften öffentliche Verkehrsmittel ohnehin selten benutzt, haben, alldieweil selbige ja eine Erfindung der Neuzeit sind. Zu Pferd auf den Wochenmarkt ist aber heute auch nur eine Alternative für bekennende Exzentriker.
Lieber Alphonso, die verlinkte WG-Anzeige allein war schon die Lektüre Ihres Beitrags wert, der Rest ist teilweise, wie üblich, arg dramatisch inszeniert, im Kern aber natürlich voll und ganz zutreffend. Eigentlich schade, daß man die Audi-Ringe nicht so leicht und so demonstrativ abbrechen kann wie Anno ’77 die aufgesetzten Mercedes-Sterne. Das Verschwinden der Kühlerfigur ist ja ohnehin nur ein weiteres kleines Beweisstück für den Untergang des Abendlandes…
dE
Don Alphonso ha detto:
Ich habe ein wenig den Eindruck, dass der Kampf heute vor allem in de Medien stattfinder, da wird weiter gehetzt und gepöbelt, und das ist der Grund, warum die Dame auch 1000 Euro bieten könnte – und ich würde sie nicht nehmen.
jeeves ha detto:
Sie sind ja auch ein pöser pöser “Mann”, dazu noch Kapitalist; sie sucht doch aber in allem das Gegenteil
Moritz ha detto:
Like
sambossa ha detto:
Ja, jetzt sitzen die Raubritter am Turbo-Rechner und machen sich die Hände nicht mehr schmutzig. Clevere Bankster holen sich ihre Boni indirekt beim Beitragszahler/Anleger und schmunzeln nur noch über die jährlichen 1.Mai-Kundgebungen, ist halt Folklore incl. Zoffventil für Minderbemittelte. Die Polizisten jedoch, dürfen auch dort ihren Kopf hinhalten (heute hoffentlich nicht).
sambossa ha detto:
Es scheint leider wieder nach den üblichen Spielregeln abzulaufen:
Live-Blog zum 1. Mai in Berlin:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/kreuzberg-blog/live-blog-zum-1-mai-in-berlin-ueber-70-000-demonstranten-auf-dem-lausitzer-platz/9830554.html
Don Alphonso ha detto:
Ja, es sieht so aus, als habe man diesmal die Sache im Griff und die im Griff seiende Sache habe wohl doch nicht so viel Lust auf Randale.
Thorsten Haupts ha detto:
Die alten Raubritter gehoerten eben njcht jn Dons Klasse …
T.I.M. ha detto:
Steuereintreiber verhaelt sich zu Raubritter wie Freibeuter zu Pirat… und war nicht Steuereintreiberei der Ursprung des Don’schen Familienvermoegens?
Don Alphonso ha detto:
Sage ich ja: Ungelter im 18, Jahrhundert. Das war extrem lukrativ, man hatte einen weiten gesetzlichen Rahmen und die Pflicht, einen bestimmten Betrag zu liefern (der in der französischen Literatur oft als “Rente” auftritt). Was man darüber hinaus erwirtschaftete, konnte man erhalten. Es geht die Geschichte, dass dieser Vorfahr sich innerhalb weniger Jahre das erste Haus am Platz des kleinen Duodezfürstentums in der Oberpfalt leisten konnte, das im Übrigen noch immer in der Hand eines weit entfernten Familienzweiges ist. Es hat sich also gelohnt.
Don Alphonso ha detto:
Nun ja, über diese Sorte des modernen Raubrittertums habe ich ja auch schon viel geschrieben. In dem Fall geht es mir aber wirklich nur um den begrenzten Berich des tatsächlichen Brandschatzens. Jetzt kann man natürlich darüber reden, ob wir nicht einfach nur verfeinerte Methoden haben – Fakt ist aber auch, dass es solche indirekte Ausbeutung schon früher gab, mitsamt ihrer Krisen, und man dennoch auch so der Meinung war, man könnte bei der Jagd einfach mal so durch die Felder und einen mosernden bauern schlagen. Das ist tatsächlich vorbei.
BertholdIV ha detto:
http://www.luftpost-kl.de/lp-13.html
Don Alphonso ha detto:
Interessant… Wochenendlektüre.
BertholdIV ha detto:
@DA
danke noch für das Zitat zu Hayek. Mein Abiturkollege gibt ja in München mehrere Investormagazine heraus und “predigt” die österreichische Schule. Muss ich ihn mal ansprechen darauf, wie weit er Hayeks fachliche Ansichten von solchen Sagern trennen kann
Don Alphonso ha detto:
Gern geschehen. Man redet heute immer noch viel zu nett über diese Person ohne jedes Augenmass für die Nöte der Menschen. Hauptsache, die Theorie stimmt und die Leute lesen keinen Keynes!
Peter ha detto:
HNet 01.05.2014, 11:01 Uhr
Möglicherweise Alfons,
befinden sich unter den von Ihnen beschriebenen grölenden Horden unter denen Sie so leiden auch Leute, die eigentlich der Mozartfraktion der Erben angehören. Ich kenne Leute, die in ihrem “normalen” Leben Als Anwälte, Bänker, Schönheitschirurgen ihr karges Brot verdienen. Aber am Wochenende verkleiden sich diese, bei uns in der Gegend meist mit den Devotionalien einer Religionsgemeinschaft namens Schalke. Um sich im und rund um den Tempel dieser Irren einmal die Woche gründlich daneben benehmen zu können. In der Masse legen sie dann all die Beschränkungen ab, die ihre Erziehung, Herkunft und soziales Umfeld ihnen die ganze Woche über aufzwingen. Ich als Mensch mit proletarischer Herkunft habe mich schon gelegentlich geschämt, wenn ich neben so jemandem im Stadion gesessen habe. Ich habe dann so getan, als würde ich den nicht kennen. Köstlich die Wohnungsanzeige. Realsatire. Sind Sie sicher dass die Dame nicht aus Ihren Kreisen kommt? Salonbolschewismus ist chic. In meinen Kreisen würde diesen geballten Wahnsinn niemand absondern.
Don Alphonso ha detto:
Ich halte natürlich nichts von all den Logen am feld und ich höre auch auf, Blogs zu lesen, wenn deren Autoren ihre Neigung zum Fussballspiel zu sehr ausbreiten, wenn es dabei nur um Fantum und nicht um körperliche Ertüchtigung geht.
jeeves ha detto:
Dies Stuttgarter Fußballgedöns stört mich auch am Blog des ansonsten verehrten Joe Bauer.
donna laura ha detto:
nicht unbedingt müssen ärzte, rechtsanwälte und dergleichen auch gute manieren aufweisen, zumal, wie weiter oben geschrieben ward, auch die berittenen sich einem bauernb gegenüber anders erkenntlich erwies, als ihn aus seinem hemd zu prügeln. meine wenigkeit hält zum bleistift von denjenigen, die ihre vorgeblich gute erziehung wie eine monstranz vor sich hertragen, aus persönlichen erfahrungen nicht unbedingt das beste, denn oftmals produzieren sie sich. um mit einer äusserst clichéhaften parabole zu sprechen: wer im laufe eines abends betonen muss, dass er einen porsche in der garage hat, muss mitnichten auch grosses interesse am hüsteln haben. geschweige denn, dass er dafür noch in betracht gezogen wird.
so kommt es doch bei der definition guter manieren auch immer darauf an, wen man als seinesgleichen erkennt – eine analyse, mitnichten eine begrüssung derlei gepflogenheiten.
sicherlich haben sie, lieber Peter, damit recht, dass man derlei verschwurbeltes nicht in den von ihnen so genannten proletarischen kreisen nicht vernimmt.
da ist eher von der vermeidung einer ausgeprägten langeweile, die sich als stimmung breit macht, die rede.
Moritz ha detto:
“Gestern Abend nun gastierte bei uns das Atos Trio, …”
Mit gestern war wohl nicht der 30. sondern der 29. April gemeint. (Laut Konzertterminen).
Fast schad, denn gestern am 30. war Freinacht.
Eine Nacht mit allerlei oberbayerische Allotria-Bauern-Kultur, wie Kalkspuren legen zu der Wohnung der Liebsten, Maibaum ähm dingsen, Gartentüren aushängen …
Mit dem modernen Hooliganism hat das zwar nichts zu tun, obwohl es Übergänge gibt. (Steinerne Parkbänke zwecks garantiertem Blechschaden auf Auto-befahrene Straßen stellen, gröhlen, herumrandalieren …)
Das Atos-Trio kommt übrigens aus: Berlin …
hch …
Don Alphonso ha detto:
ich habe am 30. begonnen, den Beitrag zu schreiben und war auch fast schon fertig, so dass ich ihn dann auf den 30. datiert habe,
Freinacht hiess ja nur: Eine Nacht kann man das mal machen. Eine. Und dann wieder weiter wie gewohnt. Aber das Problem der Moderne ist ja, dass jede Nacht Freinacht ist.
Zudem muss man sagen, dass gerade an der Donau im Bistum Eichstätt die Sitten noch einmal anders waren, schliesslich liegt die Wallburga hier begraben. Das war historisch keine Gaudi.
T.I.M. ha detto:
Sagen Sie mal, Don, wie haben Sie denn jetzt wieder den Uebergang von randalierenden Hockeyfans zu Wagner geschafft? Wagners Sympathien fuer die Barrikadenkaempfer zu Leipzig werden es wohl nicht gewesen sein, die Sie zu dieser Assoziation reitzten…. Ah! Jetzt weiss ich’s! Meistersinger: “Ehrt Euere deutschen Meister!” – Aber so hat der alte Sachs das doch gewiss nicht gemeint.
T.I.M. ha detto:
“reizten” meinte ich natuerlich
Don Alphonso ha detto:
Wagners Ideen zu Überlegenheit gewisser Gruppen passen vermutlich ganz gut zu den titanenhaften Schlägereien. Am Samstag gibt es übrigens einen Empfang am Rathausplatz mit Party ohne Limit.#
Ich werde berichtet, sollte ich da sein.
T.I.M. ha detto:
Die Vermischung von Antikapitalismus (->Ring) und politischer Romantik (-> Lohengrin, Meistersinger) war gefaehrlich und ist es immer noch, aber der einzige mir bekannte “Aufstand” als Folge einer Auffuehrung einer Wagner-Oper war die Pariser Tannhaeuser-Premiere. Und die Herren vom Jockey-Club waren nun wahrlich keine “Wagnerianer”.
Usedomspotter ha detto:
“Es gibt in unserem Land keine Ausschreitungen der Vermögenden gegen die Unterschichten mehr.”
Natürlich gibt es die. Man macht das heute nur nicht mehr selbst, sondern lässt die Ausschreitungen von Parteien erledigen. Umgangssprachlich nennt man das Reform.
Thorsten Haupts ha detto:
Genau. Die Mitglieder der deutschen Parteien setzen sich ja aus Vermoegensbesitzern zusammen, ist allgemein bekannt.
donna laura ha detto:
allerdings…
Folkher Braun ha detto:
Da sitzt das Personal der Vermögensbesitzer, nehmen wir nur den Elmar in Brüssel.
Thorsten Haupts ha detto:
Bester Herr Braun, danke fuer den erneuten Nachweis, wer hier im Blog regelmaessig gedisst wird. Es sind nicht die Armen …
Moritz ha detto:
Einspruch.
Pro Blogartikel: 2-3 mal kleiner Seitenhieb auf die Besseren. Mussja ein bischen.
Doppelt so oft Seitenhiebe auf Ärmere (Berlin.)
donna laura ha detto:
doch tut man so, als ob jemand bessergestelltes nicht besseres zu tun hätte, als auf leute, die nicht so dastehen wie man selbst, herabzusehen. werch ein unsinn. schliesslich kann man nicht den ganzen tag hochnäsig sein.
Moritz ha detto:
“schliesslich kann man nicht den ganzen tag hochnäsig sein.”
O ja.
Das wär nu a bissi anstrengend.
Doch alle tun es zuweilen und meist recht oft. Sogar Minderbessere und Echt-Unbessere.
Das ist doch das Ding.
Also sich besser nicht so angegriffen fühlen, denn alle, auch der Clochard, tun es.
Es gibbet ja noch Sub-Clochards.
Così fan tutte – eben.
Filou ha detto:
Statt Mozart l’Orfeo aus der Komischen Oper Berlin (ZDF Kultur seit 20.15).
Ik sach ma nuscht weita. Aussa: det könnense ooch nich.
Helmut Weiß ha detto:
@Filou:
Mit Ihrem Urteil über Barry Kosky und die Komische Oper stehen Sie ziemlich einsam da. Die Komische Oper genießt inzwischen Weltruf. Ich habe dort die Zauberflöte gesehen und werde mir auch die erste Oper der Musikgeschichte nicht entgehen lassen.
Filou ha detto:
Herr Weiss, ich sprach von dieser einen Aufführung. Mit keiner anderen Oper bin ich vertrauter.
Leider kann ich jetzt nicht auf Details eingehen. Ich muss das alles noch eben sacken lassen.
Aber falls Ihnen so etwas wie “russsische Seele” bei der Musikinterpretation auffallen sollte, sind Sie auf dem richtigen Weg zur Entdeckung unfreiwlliger Komik, die durch zu deutlich Gewolltes entstand. Wenn auch Sie im Hades die Birken rauschen hören und der Chor die Weiten der Taiga seelenvoll evoziert, dann sind Sie nicht mehr in Mantua, sondern in Nischny-Nowgorod, wo kein Regal die Macht Plutos unterstreicht, sondern vermutlich ein Harmonium, wahrscheinlicher aber eine Ziehharmonika seine unpassenden Fähigkeiten demonstriert.
Von den verhauenen Ritornelli und dem übereiligen, zappeligen Ballett möchte ich schon garnicht mehr reden.
Und jetzt der Hammer: Man sang deutsch. Der deutsche Opernsänger singt deutsch, natürlich, was sonst. Das ist volksnah.
T.I.M. ha detto:
An der komischen Oper wird ausschliesslich in Deutsch gesungen. Mein Ding ist das auch nicht.
Helmut Weiß ha detto:
@Filou und T:I:M:
Offensichtlich ist die Oper nur unvollkommen überliefert. Ob die Orffsche Fassung eingearbeitet ist, vermag ich im Augenblick nicht zu beantworten, würde aber erklären, daß diese spezielle Aufführung für Provinzohren fremdartig klingt. Daß die Berliner aus verschiedenen Gründen mit hämischen Anspielungen auf Sibirien, Nischny-Nowgorod, Nowosibirsk, Semipalatinsk und die Taiga leben müssen, ist mir bekannt.
T.I.M. ha detto:
Den Orfeo gerade habe ich mir gar nicht angehoert; meine Abneigung bezog sich auf die generelle Auffuehrpraxis in Landes- statt Originalsprache. Es mag fuer viele Opern sehr gute Uebersetzungen in weitere Sprachen geben (z.B. Don Carlo auf Italienisch und einige der Mozartopern auf Deutsch, meinetwegen auch den Orff’schen Orfeo, den ich nicht kenne), aber im Allgemeinen bilden meiner Meinung nach Libretto und Musik eine Einheit, die eine Uebersetzung nicht immer ohne Aenderung des Ausdrucks uebersteht.
Das mit den Provinzohren ist putzig 😉
Filou ha detto:
Haha, Provinzohren! Das sagt mir jemand der am Rande eines grössenwahnsinnigen Dorfes lebt.
Nu’ mal ernst: Was hatte Carl Orff, mit seinen Griffeln an einem alten italienischen Meisterwerk verloren? Es hat doch völlig ausgereicht, dass er Welt, besonders die Welt der Werbeclips, mit seiner schrecklichen Carmina Burana beglückte.
Die Aufführung klang nicht ‘fremdartig’-die klang langweilig und seelenlos. Da haben ein paar gemietete Künstler einen Auftrag ordungsgemäss erledigt. Entsprechend endenwollend war auch der Beifall.
Ich warte jetzt nur noch darauf, dass in der Philharmonie Beethovens 6te von einem Balalaikaensemble gegeben wird. Oder, um beim Thema zu bleiben, Händels Wassermusik, gespielt von den neuen WaWe’s der charmanten Berliner Bullen. Und Buletten.
spaccato ha detto:
Всем не угодишь.
sambossa ha detto:
Händels Wassermusik für Berliner mit Bullen und Buletten, wieder ein echter Filou 🙂
Helmut Weiß ha detto:
@Sambossa:
Wir Brandenburger mögen die Berliner auch nicht besonders. Aber bei Filous letzten Scherzen müßte sich bei Ihnen doch ein Gerechtigkeitsgefühl melden, nämlich daß man sich nicht mehr an jeder platten Berlin-Häme beteiligen sollte. Mir macht es jedenfalls nichts aus, auch mal gegen den Strom zu schwimmen…
Wohltuend Prince Matecki, der die übliche Mai-Randale trocken und sachlich kommentiert. Die Berliner Polizei scheint in letzter Zeit ihre Lektion begriffen zu haben, während man in der zweitgrößten Stadt noch übt.
sambossa ha detto:
Nehmen sie es mir bitte nicht übel, Herr Weiß, musste nach all den ernsten Antworten einfach nur schmunzeln, und – da stimme ich ihnen zu – Prince Matecki hat es zutreffend kommentiert.
jeeves ha detto:
Ich bin Berliner und ich mag die paar Brandenburger, die ich kennenlernen durfte.
Filou ha detto:
Die Komsomolzin mit dem harten Klavieranschlag und dem kleinen Schwarzen, die kommt mir bekannt vor.
дружба!
Helmut Weiß ha detto:
@Filou:
Sind Sie noch bei Monteverdi? Für die “Opern-Skizze” L’Orfeo liegen fast keine Hinweise für die Instrumentierung vor. Carl Orff versuchte sich daran, aber die aktuelle Berliner Inszenierung stützt sich auf die Bearbeitung der Komponistin Elena Kats-Chernin, eine Usbekin, die in Moskau studiert hat, was mir auch neu war. Der für “Provinzohren” fremdartige Klang entsteht z.B. durch Instrumente wie Djoze und Cimbalom. Sagten Sie sich nicht, daß Sie sich mit Monteverdi auskennen? Dann können Sie sicher den Einsatz solcher Instrumente bei einer Oper aus der Spätrenaissance bzw. dem Barock erklären bzw. sogar rechtfertigen.
Filou ha detto:
@Helmut Weiß, nein, ich habe nicht behauptet, mich bei Monteverdi auszukennen, aber ich kenne den l’Orfeo seit der 1975er-Aufführung durch Harnoncourt und Ponelle-wie man mir sagte, war es eine musikalische Sensation.
Diese Zürcher Inszenierung ist seitdem der Standard, an dem ich alle Nachfolger messe.
Soviel ich weiss folgt die Instrumentierung eines Orchesters jener Zeit einer strengen Hirarchie; jedem Instrument ist eine feste musikalische Rolle innerhalb der Aufführung zugeordnet, so zum Beispiel ist das Begleitinstrument des Pluto das Regal, eine archaisch-finster schnarrend klingende transportable Orgel. Wenn dann noch der den Pluto singende Bassist stimmlich dem Regal in der Tiefe folgen kann, ist der Eindruck vom unerbittlichen Herrscher über die Toten beeindruckend. Der Bassist schaffte es nicht, obwohl es zwingend ist, mit der letztmöglichen tiefen Note die Endgültigkeit seiner Beschlüsse zu unterstreichen.
Bei der gestern gesehenen Aufführung der Komischen Oper Berlin war alles ein bisschen zu bunt, zu hipsterig, zu unernst dort wo es ernst sein muss, und zu läppisch wo Heiterkeit die Szene bestimmen sollte.
Was man sich beim Schlussduett gedacht hat (Orfeo wird von Merkur in den Himmel geleitet), wozu man ein Marionettenskelett in einer extrem anrührenden Szene dazwischenkaspern liess-es war so gewollt symbolisch. Und peinlich, aber Peinlichkeit ist für den emotional unberührbaren Popsonggeniesser eh’ nur eine vernachlässigbare Nebensache.
Lassen Sie mich auf den Witz mit den rauschenden Birkenwäldern kommen: Orfeo beklagt sein Schicksal, ein Backgroundchor von begleitend summenden Schalalamiezen, die der willkürlichen Notierung einer Musikdramaturgin folgen mussten, war ganz sicher im Original nicht vorgesehen. Das dies etwas sehr nach Otschitschornia klang, muss man wahrscheinlich Frau Chernin nachtragen. Wer aber den falschen Bedeutungston hören kann, lacht sich halbtot. Ärgern hat keinen Zweck.
Machen Sie sich selbst das Bild einer unaufgeregten gediegenen Aufführung: http://www.youtube.com/watch?v=uJ_mjTTDM5A.
Helmut Weiß ha detto:
@Filou:
Harnoncourt war Dirigent, Ponelle Regisseur. Wer Standards setzen will, benötigt aber im Falle L’Orfeo einen Komponisten, der dieses Opernfragment, eine Auftragsarbeit für den Karneval in Mantua, ergänzen und mit Leben erfüllen kann. Ponelle streckte tatsächlich seine “Griffel” nach Carl Orff aus. Mit den von Ihnen heruntergemachten “Carmina burana” erwarb er den “Prix Italia”. Es spricht also einiges dafür, daß Harnoncourt/Ponelle sich auf Carl Orffs Bearbeitung stützten. Widerlegen Sie mich! Die Bearbeitung, Ergänzung und Aufführung dieser Oper wird immer zeitgeistig sein, im Augenblick lauern eben überall Russen und Asiaten.
Folkher Braun ha detto:
Sehr geehrter Herr Haupts, Ihnen fehlen im Unterschied zu mir zwei Jahrzehnte als Lkw-Fahrer und der demzufolge tägliche Umgang mit Staplerfahrern, Zollbeamten und Speditionskaufleuten. Diese Menschen leiden unter ihrem ereignislosen (Arbeits-)Leben. Was sie dazu verleitet, Personen zu suchen, die in der Arbeitshierarchie noch unter ihnen stehen, weil sie über deren Zeit verfügen können. Zum Beispiel Lastwagenfahrer. Über diese Leute könnte ich ein Buch schreiben, also über Unterschicht, der man ein “Amt” gegeben hat. Ich habe mal bei VW in Wolfsburg ein Gespräch zwischen IGM-Vertrauensleuten mitbekommen, wo diskutiert wurde, wie man eine Entladetätigkeit in der Frühschicht am Freitag so verlangsamt, dass eine Sonderschicht am Samstag herauskommt. Tatsächlich habe ich von Freitag 5:00 bis Samstag 12:00 damit verbracht, sieben Ausladestellen im Werk “zu bedienen.” Da wird unsereins als Gewerkschaftsmitglied auf eine harte Probe gestellt.
Thorsten Haupts ha detto:
Hallo Herr Braun, erstens fehlt mir Ihre Erfahrung selbstverstaendlich. Zweitens habe ich in der Bundeswehr und in Produktionsbetrieben durchaus aehnliche Beobachtungen gemacht. Ja, manche Herrschaften aus der Unterschicht, denen man ein Amt gegeben hat, sehen darin eine Lizenz fuer mehr oder minder sanften Sadismus.
Gruss,
Thorsten Haupts
fritz_ ha detto:
Herr Braun, das klingt plausibel. Nur, wenn tarifgebundene, rundumversorgte “Metaller” auf eine Sonderschicht am Wochenende scharf waren, dann muss das schon zwei, drei Generationen her sein. Mittlerweile können die sich beherrschen.
(Andererseits: Das psychologische Sachgebiet Staplerfahrer wäre einer gesonderten Abhandlung wert.)
Folkher Braun ha detto:
Bester Fritz: vor 10 Monaten war ich im Werk Kassel. Die ganze Logistik im Werk machen Leihsklaven und ein Spediteur betreibt die Ersatzteil-Logistik “B2B” nebenan mit seinen Leihslaven. Den nötigen Fuhrpark hat er nach BG und RO ausgegliedert. Das heißt: der “erster Klasse” – Anlernling mit Haustarifvertrag auf dem Stapler ist Geschichte. Auch der Flächentarifvertrag – “zweiter Klasse” – ist Geschichte. Den SPD-Schwachsinn mit dem Mindestlohn können wir sowieso vergessen, weil die fleißigen Hände via Werkvertrag nach BG- oder RO-Recht durch die Hintertür an ihre Arbeitsplätze hier kommen.
fritz_ ha detto:
Oje, mit den Leihkräften, Scheinselbständigen und Werkverträglern sind widerwärtige Dinge im Gange.
Das Werk ist mir ein wenig bekannt. Vor Jahren habe ich an einer Führung teilgenommen. Bei dieser Gelegenheit führen verdiente Werksrentner die Besuchergruppen. Es beginnt mit einer kleinen Ansprache und einem Bildervortrag in einem Vortragsraum. Der Redner beklagte sich herzerweichend, dass (so ungefähr) die 28-Stunden-Woche so mir nix dir nix wieder abgeschafft wurde und die Werksangehörigen sodann mörderische 35 Stunden zu arbeiten hätten. Bei weniger als einem Viertel mehr Lohn. Mein Schluchzen und das meiner mit mir angereisten Kollegen muss noch heute in den dortigen Hallen wiederklingen.
colorcraze ha detto:
Ich hatte ja nur sehr kurz Gelegenheit, dieses Biotop kennenzulernen (als Leihverträgler über zig SubSubs; immerhin, fürs Däumchendrehen – man ließ uns nicht wirklich zum Arbeiten kommen – wurde man anständig bezahlt.). Haupteindruck: da blickt man nicht durch, wenn man nicht jahrelang in wechselnder Position dabei ist.
Einen fröhlichen verdienten Werksrentner habe ich getroffen und ein nettes Gespräch gehabt, aber der kannte nur die goldenen Jahre, in denen quasi jeder eingestellt wurde, der nicht bei 3 auf den Bäumen war, nicht mehr das heutige Lauern der Externen um jede Stunde Auftrag.
Ein anderer, weniger fröhlicher Werksrentner erzählte nach dem 3. Bier, daß ihm seinerzeit vor der Einstellung bedeutet wurde, daß er bei der Gewerkschaft unterschreiben müsse, und wie ihn das wurmte.
Touristenführungen kosteten Geld, das ich noch nicht hatte, und ansonsten für das tägliche Kaffeetrinken brauchte.
dreamtimer ha detto:
Ich habe mal bei VW in Wolfsburg ein Gespräch zwischen IGM-Vertrauensleuten mitbekommen, wo diskutiert wurde, wie man eine Entladetätigkeit in der Frühschicht am Freitag so verlangsamt, dass eine Sonderschicht am Samstag herauskommt.
Das ist kein Schichtenproblem. In dem letzten Konzern, in dem ich gearbeitetet hatte, gab es ein Team von IT-Leuten, das versuchte die Zeit zu strecken. Deren Job machen nun seit vergangenem Sommer die Inder, freilich in Indien. Ich bin Soziopath genug, das für richtig zu halten, auch wenn mir meine Ex-Kollegen Leid tun. Immerhin haben sie gute Abfindungen bekommen.
Don Alphonso ha detto:
Dieses Auslagern nach Idien wird uns noch Kopf und Kragen kosten. ich kenne da die andere Seite von einer Übersetzerin her: Die kann lustige Geschichten erzählen. Vermutlich ist die Mode in 10 Jahren oder beim nächsten Bürgerkrieg vorbei.
jeeves ha detto:
“…oder beim nächsten Bürgerkrieg…”
In Indien oder hier?
colorcraze ha detto:
Ich fürchte, das ist mehr wie eine Mode, denn das hält nun schon über 10 Jahre an.
Jacques ha detto:
Auch mir erscheint dies weniger als Schichtenproblem denn als Persönlichkeitsproblem. Nun ist es wohl so, dass in manchen Kreisen “soetwas tut man nicht” oder “das gehört sich nicht” oder ganz hochgestochen “das ist unethisch” seltener in der Kindeserziehung ausgesprochene Sätze sind als in anderen. Womit es dann vielleicht doch ein Schichtenproblem ist. Wobei ich ohnehin der Meinung bin, dass die Dreiteilung (Ober-/Mittel-/Unterschicht) zu grob ist und eine konstruktive Diskussion erschwert.
Freundliche Grüße
Jacques
Don Alphonso ha detto:
Bei uns wurde das nicht gesagt, da reichte die Andeutung eines Blicks. So war das! Und das war liberal, denn anderen wurde das nicht gesagt, sondern eingeprügelt oder gar eigfodsd, wie man das in Bayern so sagt.
Gux ha detto:
Könnte es nicht sein, daß beides miteinander zusammenhängt? Eine Person, die nicht in der Lage ist, sich den Gepflogenheiten einer entsprechenden Schicht anzupassen, wird langfristig nicht erfolgreich sein.
Thorsten Haupts ha detto:
Gux, in diesem Umfeld koennen Sie das sagen, ohne einen Aufstand zu provozieren. Anderswo wuerde man jetzt auf Sie einpruegeln, den Aufstieg an solchen Aeusserlichkeiten und nicht “rein an den Faehigkeiten” festzumachen.
Ich hatte ja mit 18 auch mal die Phase, alle etablierten Hoeflichkeitsrituale in Bausch und Bogen fuer verlogen und ueberfluessig zu halten. Und bin mittels Lebenserfahrung erstens zu dem Schluss gelangt, dass das albern war. Und zu dem erweiterten, dass fuer den gedeihlichen persoenlichen Umgang miteinander die Form vermutlich alles andere sticht, gewachsene Freundschaften ausgenommen.
Gruss,
Thorsten Haupts
spaccato ha detto:
Sich den Gepflogenheiten einer entsprechenden Schicht anzupassen muss ja nicht per se etwas mit Aufstieg zu tun haben.
Krasses Beispiel: auch im Knast ist es sicher gesünder (=langfristig erfolgreicher), sich den … äh … dortigen Gepflogenheiten anzupassen.
Thorsten Haupts ha detto:
Wollen Sie damit etwa andeuten, man koenne im Knast nicht eine partizipative Kommunikationsrunde zum Thema “autoritaerer Character” eroeffnen? Das kann ich mir nun ueberhaupt nicht vorstellen, schliesslich sitzen da nur Opfer des repressiven “Systems”!
Gruss,
Thorsten Haupts
spaccato ha detto:
Jeden Morgen: Stuhlkreis!
Dann berichtet jeder, welche Gemeinheiten er wieder im Hinterkopf hatte und dann wird zusammen bereut, bereut, bereut.
Man gibt sich die Hand, in fortschrittlichen Einrichtungen nimmt man sich in den Arm und klopft sich zärtlich auf die Schulter. Tränen fließen.
Und alles ist wieder gut.
Tja – so einfach könnte es sein.
Thorsten Haupts ha detto:
Erlauben Sie mir die höfliche Nachfrage, ob Sie das von Ihnen skizzierte Modell tatsächlich für … einfach halten?
spaccato ha detto:
Erlaubnis gewährt.
Sollte doch klar sein, dass das nur ein Spasseken war.
spaccato ha detto:
Ja.
Man gibt sich so eine Mühe.
Und was bleibt nach eines langen Tages Ritt?
[Kopfschüttelnd und murmelnd ab]
Thorsten Haupts ha detto:
Natürlich war das im aktuellen Zusammenhang mit Knast eine abwegige Vorstellung, schon klar. Das allerdings beantwortet meine Frage nicht, ob der Stuhlkreis Signore Spaccatos Vorstellung von Konfliktbewältigung nahekommt bzw. ob er das prinzipiell für eine “einfache” Form hält?
Gruss,
Thorsten Haupts
spaccato ha detto:
Also.
Um es mal auf den Punkt zu bringen.
Stuhlkreis: Laber / Suelz / Palaver.
Alles Humbug.
Das einzig Wahre:
Einer sagt, wo es langgeht und gut.
Das ist einfach.
donna laura ha detto:
Bei uns wurde das nicht gesagt, da reichte die Andeutung eines Blicks. So war das! Und das war liberal
und normal. ein wenig erziehung tut schon not. zuweilen wundert man sich, wie sehr sich manche leute von ihren kindern auf dem kopf herumtanzen lassen. es klingt vielleicht merkwürdig, aber die werden sich noch wundern, wohin dies rein familienintern noch führen wird, wieviel verlass auf jemanden ist, dem man wirklich alles durchgehen lässt.
prince Matecki ha detto:
Ach, die Revolte war auch damals schon am Horizont, se vuol ballare signor contino singt der Figaro und meint es wenn er ihm Musik machen will, nicht freundlich, was man auf auffahrenden Orchester deutlich hört.
Aber den Bauern und Masetto bekommt ihr Versuch nicht gut, Giovanni trennt die Gruppe, Masetto wird verprügelt. Erst Zerlina muss ihn wieder etwas gesünder machen, mit einem Heilmittel, dass nicht vom Apotheker kommt (so singt sie tatsächlich).
Ernsthaft: Für Kreuzberger Kiez-Verhältnisse war es letzte Nacht harmlos, ich halte ja heute Stallwache im Hohen Hause an der Stauffenbergstraße. Und der in Dahlem nächtigende Bürger wurde gar nicht im Schlafe gestört.
jeeves ha detto:
Hier in B.-Lankwitz war – latürnich – auch nix. Aber spät abends war von irgendwoher ein Feuerwerk zu hören!
Folkher Braun ha detto:
Auf die prekarisierten Halbakademiker in der Reichshauptstadt ist eben kein Verlass.
hansgeier333 ha detto:
Keiner schlägt das Original. Die Turbanisten in Stambul haben sich ihr Mütchen standesgemäß kühlen lassen. Da hat nur noch ein Gauckler gefehlt.
Frau Jott ha detto:
Großer Gott, war denn schon wieder der erste Mai?
Das zauberhafte an Zehlendorf ist ja doch, daß man mit all dem, was da an gestapeltem Irrsinn in dieser schlechten Gegend dort hinten in Berlin vorgeht, nichts mitbekommt, aber auch gar nichts. Und da ich gerade aus ruthenischen- und anderen Gründen einen Nachrichtenboykott über moiselbst verhängt habe lebe ich in einer entspannten pastellfarbenen Blase aus Frühlingsstimmung, Vogelgezwitscher und Blütenduft, unterbrochen nur vom unabdingbaren Schlafbedürfnis sowie der Zufuhr von Tee, Kaffee, Torte, guter Musik und schöner Lektüre.
Folkher Braun ha detto:
Stimmt. Habe vier Jahre am Neuwerker Weg gewohnt. Schnucklige Gegend und 1970 noch erschwinglich.
Frau Jott ha detto:
Herr Braun, da haben Sie dann allerdings in Steglitz gewohnt, in diesem gräßlichen Stück Eigenheimhölle hinter dem Dahlemer Weg. Das ist ja nun nicht Zehlendorf da, ich bitte Sie, da wohnt man doch nicht!
Folkher Braun ha detto:
Werte Frau Jott, im Bereichsplan von der Reichshauptstadt (Falk) liegt der Neuwerker Weg auf S 95 W11, Postleitzahl 14167 zwischen Dahlemer Weg und Seehofstraße. Das ist Zehlendorf, nix da Steglitzer Kreisel und Co..
spaccato ha detto:
Der Neuwerker Weg gehörte mal (bis 1938) zu Zehlendorf.
Heute zum Ortsteil Lichterfelde – im Bezirk Steglitz-Zehlendorf.
:o)
colorcraze ha detto:
Teltowkanal fußläufig, oder so.
colorcraze ha detto:
Jedenfalls Autogegend.
colorcraze ha detto:
Ich wohne ja etwas zentraler (immerhin innerhalb des S-Bahn-Rings), und obwohl es im Kiez nebenan wohl durchaus ein kleines Anarchogrüppchen gibt, das ab und an mal qua Spucki, Edding oder Schablonengraffitti sichtbar wird, war es diesmal nichtmal das.
Es war ein schöner ruhiger Frühlingstag, die Amseln tschäkkerten, die ersten Hummeln flogen aus, die Riechblüten dufteten.
Feuerwerk um 10, 11 abends hörte ich auch, wird aber ein anderes gewesen sein.
Leider ab heute Kälteeinbruch, habe die dicke Winterjacke wieder rausgekramt.
Thorsten Haupts ha detto:
Nachdem ich grad erstmalig die WG-Suchanzeige las – die ist doch ein Fake, oder?
kinky So ha detto:
Der Clochard und der Sub-Clochard – so ist das schon. Schade. And there is always a bigger fish and dog eats dog a.s.o.
Und zwengs der linksalternativen Stadtteilfolklore (Blog davor): Ich kenne keine professionellen Hersteller von Bildern, von Musik und derlei, die in “Künstlervierteln” leben und ich kenne viele.
Letztlich ist alles aber eine Stilfrage. Vielleicht sollte das Schulfach guter Stil eingeführt werden.
Mehr guten Stil wagen.
Moritz ha detto:
In “Künstlervierteln” leben nur Werber und Journalisten
Die sind aber keine Künstler, sondern ziehen sich nur so an.
Aber das darf man den Touristen nicht sagen. Pscht.
Gruß
der Kater
Den sie auch gerne nach dem Hofbräuhaus fragen, weil er mit seinen Schnurren wie ein bairischer Künstler-Kater aussieht. (Isser aber nicht und er sagt auch keinem Suffkopp den Weg in diese Bierkampfarena. Außer unter Folter.)
kinky So ha detto:
Stimmt. Und Bierkampf ist schlimm, vor allem der im September. Es gibt von Achternbusch einen Film, der so heißt.
colorcraze ha detto:
Werber und Journalisten? Weiß nicht.
Auf alle Fälle aber “kreative Wirte”. Die sind das A und O und prägen das Bild.
kinky So ha detto:
Der Kater hat einen Insiderwitz gemacht. Den versteht nur der Kater und ich. Eventuell auch Voltaire. Stimmt’s, Herr Kater?
kinky So ha detto:
“Verstehen”, denn plural, aber Freud war schneller, denn es gibt Momente, da bin ich mit ihm eins, einer Meinung. Und das nicht zwengs der Folklore. Was er über Erziehungsideale schrieb, hat mir extrem gut gefallen.
Moritz ha detto:
Ich mache ständig Insiderwitze.
spaccato ha detto:
Is dann möglicherweise blöd für die Outsider.
spaccato ha detto:
Oder belanglos.
Moritz ha detto:
Da hat wohl jemand keinen Nerv für Selbstironia.
http://www.youtube.com/watch?v=qrdpliMfoAM
Moritz ha detto:
Da kann man ja gleich debalkonisieren. ; – )
http://www.youtube.com/watch?v=Veg63B8ofnQ
spaccato ha detto:
We don’t need no KAMI-KAZE ADVICE.
kinky So ha detto:
Selbstironia, lieber Herr Kater, ist eine edle und sympathische Eigenschaft.
prince Matecki ha detto:
Die Züricher Inszenierung Ponelle / Graf Harnoncourt habe ich damals bei einem Gastspiel in der Bayrischen Staatsoper auch gesehen, das war schon – von der Ausstattung über Bühnenbild und Regie bis zur Musik – großartig. Ich habe mehrere Aufnahmen, u.a. die alte Archiv Aufnahme der DG mit Jürgen Jürgens die auch einen Beitrag zur Frage der Instrumentierung im Büchlein hat.
Insofern bin ich bei der Sendung der Aufführung aus der Komischen Oper auch etwas verwundert gewesen….
Die musikalische Einrichtung der damaligen Züricher Aufführung war mitnichten von Orff, sondern ( mit Zinken, Gamben, Violinen, flauti dolci, Oboi, Theorbe, Laute, Cembalo) von Herrn Grafen H., vermutlich von der Familie assistiert. (das ist nicht ironisch gemeint, Alice H war erste Konzertmeisterin im concentus musicus und die Söhne haben auch Musik und Regie studiert, ein Bruder ist afaik Kirchenmusiker…)
Filou ha detto:
Ick sitze da und esse Klops, uff eema klops,
Ick stehe uff un kieke, und wer draussen…?
…Wolfgang Neuss klettert aus dem Raumschiff,
legt sich mit Ritchie von W. an.
In einer Aufzeichnung des Sender Franz Barsig aus dem
Cafe Kranzler von 1983.
Gespenstisch.
spaccato ha detto:
Wieso gespenstisch?
colorcraze ha detto:
Weil er 83 schon ziemlich invalide war. (Wohnte übrigens bis zuletzt im Kiez nebenan, Charlottenburg war in den End-70ern wohl eine WG-Hochburg)
spaccato ha detto:
Ja. Er war ein ziemliches Wrack.
Aber auch immer noch ein ziemlich geniales Wrack.
spaccato ha detto:
Gabs da grad ‘ne Wiederholung?
Filou ha detto:
Jau, auf Tagesschau24.
Helmut Weiß ha detto:
@Filou:
Ich fand die Siebziger und Achtziger in Berlin bleiern. So wie die “unaufgeregte” Zürcher Aufführung von Monteverdis L’Orpheo. Habe gerade die ersten 30 Minuten verglichen: Ergreifend schön in der Komischen Oper der Prolog, farbiger der Gesang und die Instrumentierung, wahrscheinlich dichter am historischen Vorbild: deftiger Mummenschanz des Karnevals zu Mantua. Der Hang der Zeit nach Exotik erscheint bei Harnoncourt fast gar nicht, dafür werden die Chöre straffer geführt, klingen aber verdammt nach Carmina Burana. Gratulation an prince Matecki: Mit ca. zwanzig Jahren war sein Operngeschmack schon voll entwickelt, meiner nicht. Aber will ich Stillstand?
Filou ha detto:
Ich hatte H.Weiß einen Kommentar gegeben-und nix passiert.
Hm!
Filou ha detto:
@ Helmut Weiß, jedem seien eigene Präferenzen zugestanden, aber bitte vergleichen Sie die Szene am Ufer des Styx mit dem unerbittlichen Charon und den Menschlein, die er ans andere Ufer, rudert mit dem was die Berliner daraus machten.
Hier also die Zürcher Fassung: Hier sollte ein Links ein, aber die Götter wollen nicht.
Mummenschanz und Karneval in Mantua war nicht der Anlass für die Aufführung dieser Oper. Es handelte sich um ein, übrigens sehr erfolgreiches, Auftragswerk anlässlich des Geburtstages von Francesco IV. Gonzaga im herzoglichen Palast in Mantua.
Prolog Berlin: es ist geradezu zu einer lächerlichen Gewohnheit geworden, einen zur Tunte überschminckten, fetten Amor auftreten zu lassen. Ah, bah! Mainstream für Doofe.
Filou ha detto:
Dann probieren wir es mal eben so. Also ab 00:51:30 ff.
http://www.youtube.com/watch?v=EcRFFmgVGlc
Helmut Weiß ha detto:
@Filou:
Ich sagte doch, daß ich die Zürcher und die Berliner Aufführung (mit Hilfe von Youtube) aneinander gehalten habe. Sie haben natürlich recht, jeder wie er es haben will, und ich behalte mir auch vor, Unrecht zu haben. Dennoch: Die “unaufgeregte” Harnoncourt-Version ist in Wirklichkeit für heutige Verhältnisse blaß, die behäbig sich ihre Plätze aussuchenden Herrschaften, die absolutistisches Hoftheater erwarten und sich in “schlecht sitzende” Anzüge mit Krawatte geworfen haben, die Damen natürlich in Lurex, sind ein abstoßender Prolog. Aber so war das nun mal in den Siebzigern in funktionsteiligen Mittelzentren Westdeutschlands.
Filou ha detto:
Wichtich is auffe Bühne.
Folkher Braun ha detto:
Ich fuhr zwischen 1977 und 1988 lastzugsweise Rohmaterial nach Berlin(West), also unter Transitabkommen-Verzollung, und deren wenige in subventionierten Buden hergestellten Fertigprodukte wieder heraus. Schon in den 70ern hätten die Kieferschaden-Frontstädtler mit ihrem herunterhängenden Unterkiefer (Voraussetzung zum Sprechen Berlinisch) ohne die zugewanderten Türken ihren Laden wegen ihrer Impertinenz und gnadenloser Faulheit zumachen können. Ob Steglitzer Kreisel 1972 oder BER 2014: same procedure.
colorcraze ha detto:
Herunterhängende Unterkiefer kenne ich nicht, mir fielen nur in den 80ern die Hängebäckchen auf. Und Steglitzer Kreisel bzw. BER kenne ich eher als Planungs- (im letzteren Fall auch Bauaufsichts-)Fehler – von faulheit keine Spur, es wächst und wächst, nur nicht so, wie es soll.
Filou ha detto:
Steglitzer Kreisel ist mir auch in unangenehmer Erinnerung. Ich musste da mal eine recht dubiose Firma besuchen. Aber das Europacenter am Kudamm war auch nicht gerade das Gelbe vons Ei.
Helmut Weiß ha detto:
@Folkher Braun:
Die BER-Pleite verdanken wir WESTDEUTSCHEN ELITEN und WESTDEUTSCHEN GROSSMÄULERN. Boris Johnson, der Londoner Bürgermeister, ist auch nicht mit dem Schaltplan durch die Kabelkanäle des Olympia-Parks (ein 10 Mrd. Projekt) gekrochen, er konnte sich auf intelligente, erfahrene und fleißige Projektsteuerer verlassen, die es in Deutschland nicht gibt. Siemens hat noch immer keinen Handschlag getan, die Elektronik des BER in Ordnung zu bringen und wird auch niemals tätig werden. Deutsche Stehtisch-Manager gelten weltweit immer noch als zuverlässige Zulieferer, aber die Leitung eines Groß-Projektes darf man ihnen nicht mehr anvertrauen: Elbphilharmonie Hamburg, Stuttgart Hbf, U-Bahnbau Köln, “Stromautobahnen”, verwahrloste Infrastruktur, Tiefseehafen Wilhelmshaven usw., die Liste ist endlos.
hansgeier333 ha detto:
claim-management ist jetzt Studienfach.
HansMeier555 ha detto:
und shlaim-raising?
Thorsten Haupts ha detto:
Da das zufällig in mein Fachgebiet fällt: Selbstverständlich hat Deutschland genau so gute (oder schlechte) Projektsteuerer wie Grossbritannien. Nur müssen die an Auftraggeber berichten, die die Realität weder kennen noch deren Konsequenzen ziehen wollen. Bei fast allen genannten Beispielen ist die Politik das Problem. Dabei unterstützt durch die Führungsetagen von Unternehmen, die genau damit Geld machen, wie HochTief beim Millionengrab Elbphilharmonie.
Durch die Politik gewollt schlechtes Projektmanagement ist gut für die Firmenkassen, von daher haben die Firmen keine natürliches Interesse daran, ein Projekt schnell und sauber abzuschliessen.
Gruss,
Thorsten Haupts
HansMeier555 ha detto:
aber was heisst heute noch “Studienfach”.
hansgeier333 ha detto:
Heute bastelt sich jeder Dekan seinen eigenen Studiengang, auf dass er eine Exzellenz werde. Wie jeder Pizzabäcker drei Sterne verdient ob der eigensinnigen Anordnung von Käse und Tomaten auf dem Sauerteig.Dazu gehört, dass man Anhänger fremder Exzellenzen nicht mehr anerkennt. Heerscharen von Verwaltungsjuristen erstellen entsprechende Prüfungsordnungen, dass kein masterstudierwillieger Bettscheller sich mirnixdirnix in den Masterstudiengang einklagt. Das Studienfach ist also Teil eines Studiengangs der Bolognerser Pizza, abzuarbeiten pro rata temporis und schwer verdaulich bis zum Abwürgen..