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Stützen der Gesellschaft

~ Darf ich noch ein Stück Torte anbieten?

Stützen der Gesellschaft

Archivi Mensili: dicembre 2013

Der #Aufschrei, die Piraten und der Nazipranger

31 martedì Dic 2013

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Die gleiche “Netzgemeinde”, die jetzt rumjammert, hatte im Frühjahr beschlossen, dass #Piraten nicht gut genug sind. *shrug*

beklagt sich eine engagierte Piratin über die Ereignisse der Netzpolitk des Jahres, in dem die Piraten scheiterten, und der grösste Geheimdienstskandal der Geschichte mit flächendeckender Überwachung eine Grosse Koalition nicht davon abhält, eine Vorratsdatenspeicherung zu beschliessen. Weil offensichtlich noch nicht genug passiert ist, und der Lerneffekt beim breiten Publikum erst einsetzt, wenn die Hellfire-Rakete auf sie abgefeuert wird. Das ist Konsens unter den Netzbewegten.

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Konsens ist es aber auch, dass man mit Nazis und Rassisten nichts zu tun haben will. Nun fallen solche Beleidigungen im Internet schnell, aber wie wäre es, wenn netzweit bekannte Persönlichkeiten solche Urteile nicht nur aussprechen, sondern auch mit dem Gewicht ihres Ansehens unterstützen? Das ist seit ein paar Tagen keine theoretische Frage mehr, denn bei Twitter macht ein Account mit dem Namen “Blockempfehlung” Furore. Anfangs vollkommen anonyme Betreiber benennen Personen, die ihnen nicht behagen, raten zum Blocken – also zum Verhindern deren Aussagen in der Timeline der Nutzer – und sagen das auch ganz deutlich:

Keinen Bock auf Maskus, Nazis, Macker, Derailing, Rechtsstaatmeinungsfreiheitgeschrei und Diskriminierung? Hier gibt’s die Blockempfehlung.

Seine Glaubwürdigkeit bezieht der Account aus dem mitunter recht namhaften Followern. Darunter sind einige Initiatorinnen des “Aufschrei”, für den sie 2013 als leuchtende Vorbilder des Netzengagements den Grimme Online Award bekommen haben, der neue Bundesvorsitzende der Piraten Thorsten Wirth, der Gemeinschaftsaccount der Jungen Piraten, und etliche bekannte Mandatsträger eben dieser Partei aus Nordrhein-Westfalen und Berlin, wie Simon Weiss und Fabio Reinhardt. So gesehen hätte der Account im Internet durchaus einen guten Leumund –

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wäre das allererste Opfer einer Blockempfehlung nicht sofort eine gewisse Maike von Wegen gewesen, die nun nach normalen Kriterien wirklich nicht dem entspricht, was als Ziel des Accounts angegeben wird. Sie ist Autorin eines Buches über die Problematik alleinerziehender Mütter, moderat frauenbewegter Mainstream mit sozialer Ader. und ihr “Fehler” war, dass sie mit den falschen Leuten über das falsche Thema diskutiert hat. Es geht bei denen ganz schnell mit dem Subsummieren unter Nazis, wenn man auf die Idee kommt, linksradikale Aktivistinnen zu bitten, bei ihren Kreuzzügen gegen politische Feinde doch bitte einen Unterschied zwischen einer sicher fragwürdigen Petition und einer Plattform für Petitionen zu machen.

Die Urteile von Blockempfehlung sind anonym, es gibt keine Email, an die man sich wenden könnte, und auch keine Möglichkeit, Einspruch zu erheben. Unter normalen publizistischen Verhältnissen könnte so ein Projekt für die Betreiber unschönste juristische Folgen haben, handelt es sich doch mehr um einen Pranger mit geradezu nach Abmahnungen bettelnden Vorwürfen, selbst wenn die Autoren sagen, es sei ein “Tool” für Leute, die nicht mit unangenehmen Inhalten konfrontiert werden möchten. Dass viele Follower zur Gruppe der radikalen Feministinnen gehören, die sehr oft genau solche unerfreulichen Inhalte suchen und empört mit dem Hashtag #TW für TriggerWarnung weiter verbreiten, ist nur eine der vielen Ironieen des Projekts. Einerseits stellt man klar:

Ziel dieses Accounts ist es, dass ihr Leute präventiv blocken könnt, ehe sie euch mentionen. Es geht nicht um Spamblockaufrufe.

Um dann sofort nachzuschieben:

(Wobei es natürlich jeder_m selbst überlassen ist, ob sie_er spamblockt.)

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Spamblocken ist eine in den Kreisen des Netzextremismus beliebte Methode, um Vertreter missliebiger Meinungen komplett abzuschiessen. Findet sich nur ein ausreichend grosser Mob, der bei Twitter meldet, der Account würde Spam verbreiten, wird dieser von Twitter automatisch suspendiert. Das ist zwar klar gegen die AGB von Twitter, aber hier geht es den Betreibern offensichtlich um das, was sie für höhere Ziele halten. Nur diesmal eben mit unerwarteten Folgen: Die meisten Reaktionen auf den Account waren äusserst negativ. Es ist unklar, ob das die erste Followerin des Accounts, eine medienweit gepriesene Mitinitiatorin von #Aufschrei und Mitglied der Piratenpartei, dazu bewog, sich dort schnell wieder abzumelden. Diverse naheliegende Anfragen, ob sie den Account betreut oder gegründet hat, blieben unbeantwortet.

Dafür meldete sich eine andere Person zu Wort, die sich als “Links_radikal_feministisch. Vegan. Poly. Weiß. Cisweiblich. Heteroprivilegiert” beschreibt. Ihr zufolge wurde der Account von anderen angelegt, sie selbst sei gefragt worden, ob sie sich beteiligen möchte, und dann habe sie Maike von Wegen aufgrund älterer Bebatten genannt. Der ganze Text lässt tief in die Psyche so eines Onlineprangers und der paraniod wirkenden Strukturen dahinter blicken, besonders, wenn es dann darum geht, zwischen den Beschuldigten zu differenzieren:

Sinnvoll wäre hier eine Einstufung gewesen, wie @The_Block_Bot sie hat: Level 1 für Hate Speech, Stalking etc., Level 2 für Antifeminismus/TERF/SWERF und ich Level 3 als harmlosestes Level für Derailing etc. Dass es einen qualitativen Unterschied zwischen den bekannten Maskus (Level 1 und 2) und derailenden Äußerungen gibt, dass hier verschiedene Dinge vermengt wurden, und es dementsprechen unpassend war, Maike in dieser Reihe zu nennen, will ich nicht bestreiten.

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So ähnlich stelle ich mir übrigens auch das Bedauern der NSA über die falsche Zielbeschreibung nach dem Abschuss einer Hochzeitsgesellschaft durch die Mörderdrohne vor: Sorry, unsere Level waren nicht gut genug. Wer also letztlich als Nazi, Macker oder sonstwie als Problemfall je nach Level genannt wird, entscheidet ein weitgehend unbekanntes, abgeschottetes Kollektiv aus einer radikalen Ideologie und dem Gefühl einer Bedrohung und Marginalisierung heraus. Ein Kollektiv, bei dem man aber davon ausgehen kann, dass seine Mitarbeiter bestens bei den Jungen Piraten bzw. der Jungen Pirantifa sowie mit Beteiligten von #Aufschrei vernetzt ist.

Bis zu diesem Punkt ist noch kein einziger Nazi, Masku oder Macker ernstlich zu Schaden gekommen. Dafür kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier der äusserste Rand des feministischen Spektrums um die Definitionsmacht und gegen moderate Vertreterinnen kämpft, und die Kriterien für die öffentliche Blossstellung allein deshalb nicht am allgemeinen Wertekanon der Gesellschaft orientiert. Der späte, psychisch kranke Hausjurist der Nazis, Carl Schmitt, hat in Abwandlung seines berühmten Dictums “Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet” gesagt: “Souverän ist, wer über die Wellen des Raumes verfügt”. Bei Blockempfehlung scheinen gelehrige Schüler am Werk zu sein, denn es geht klar um Ordnungsfaktoren, die von der Bewegung angepasst und von den Followern – an sich schon ein schreckliches Wort, macht er doch aus dem Account einen Führer – um- und durchgesetzt werden. Andererseits muss man natürlich auch sagen, dass die Freunde solcher Methoden natürlich ganz genau wissen, wie Nazis

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Ja, also, die Piraten. Die sind 2013 gescheitert. Und #Aufschrei. Der muss sich neue Felder der Aufmerksamkeit suchen. 2013 war ein Jahr der krachenden Niederlagen für die Bürgerrechte, die Freiheit im Netz, den Datenschutz und alle, die sich ernsthaft engagiert haben. Aber ob man traurig sein muss, dass jetzt keine Bundestagsabgeordneten der Piraten @Blockempfehlung unterstützen und der #Aufschrei in der Versenkung der Medienhypes verschwunden ist, ist eine andere Frage. Gewinnen allein reicht nicht, wenn es die Falschen nach oben bringt.

Wie Reiche beim Essen prassen

28 sabato Dic 2013

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Butter! Nie Margarine.
Meine Grosstante

Es gibt Fragen, die hört man als Tegernseeanwohner nur, wenn man nicht dort ist. Die klingen in etwa so: “Sagen Sie mal, da war im TV-Programm soundso die Serie XY und spielte am Tegernsee und da war so ein Restaurant zu sehen mit Blick auf den See, das sah wirklich toll aus also kennen Sie das?” Oder “Da gibt es doch auch diese Restaurants die im Michelin so hervorragend abgeschnitten haben, kennen Sie die?” Nun habe ich kein Fernsehgerät und auch keinen kulinarischen Reiseführer, denn einerseits habe ich vor dem Fenster die Berge und andererseits bin ich kein Tourist, der so etwas bräuchte. Aber in der Regel weiss ich, welche Lokale sie meinen. Es gibt am See ein paar Restaurants, in denen jene Filme gedreht werden, die Menschen falsche Vorstellungen vom Leben hier vermitteln. Und ab und zu kommen Fremde an den See, weil im Michelin drei Sterne für ein Restaurant stehen, was in etwa bedeutet: “Dafür lohnt sich die Reise.” Und nochmal andere würden, könnten sie sich die Fahrkarte leisten, uns dafür die Fenster einwerfen.

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Am unteren Bildrand, knapp über den dunklen Bäumen, ist so eine Beule im See zu sehen. Das ist die sogenannte Überfahrt, und dahinter breitet sich Rottach-Egern aus. Da also fahren diese Leute hin, weil man jenseits des Sees so viel davon hört. Und es gehört zu den unausrottachbaren Gerüchten, die das Fernsehen verbreitet, dass wir Anwohner tatsächlich auch dorthin fahren, mit dem Auto an einem sagenhaft geschmacklosen, goldenen Stern halten, das dortige Hotel betreten und so tun, als könnten wir mit der dortigen Küche etwas anfangen, und wir würden genau wissen, welcher Wein zu bevorzugen ist. Wir Tegernseeanwohner haben es ja, wir können es uns leisten. Und obendrein könnte es den weitgereisten Gästen vermutlich gar nicht gefallen, würden sie die Grundlosigkeit ihrer Erwartung entdecken, ein Mahl unter den hier Lebenden einzunehmen. Man stelle sich nur vor, der verlotterte Typ da drüben wäre gar kein exzentrischer Multimillionär aus Bad Wiessee mit Jagd und Alm, sondern wirklich nur ein Journalist mit verbeulten Hosen, der aus Recherchegründen, was sonst, auf Kosten des Hauses isst. Degoutant!

Viele von denen, die wirklich hier wohnen, haben eine etwas längere, und über Generationen zurückreichende Familiengeschichte, und das wird Vorabendserienanschauer vielleicht enttäuschen, aber: Diese Geschichte verlief in Deutschland zwangsweise ohne grössere Festlichkeiten in Sternerestaurants. Das beginnt schon damit, dass die Feinschmeckerei nach französischem Gusto französisch ist, und ihren Siegeszug in den Köpfen der Parvenüs erst antrat, als die meisten Familien schon zu einem gewissen Wohlstand gekommen waren. Und auch diesen Wohlstand erreicht man nicht durch Geldverschwendung beim Essen, sondern durch Gelderhaltung. Moderne Exzesse, bei denen eine Familie in wenigen Stunden einen doppelten Hartz-IV-Satz verspeist, mag es im TV geben, und sicher machen das da unten auch welche auf der Beule: Aber das ist nicht die Tradition. Die Tradition spielte sich vor allem zu Hause ab, gute Familien hatten immer auch gute und sparsame Hausfrauen, und die Erinnerungen erzählen vom Braten, der drei Stunden im langsam erkaltenden Holzofen vor sich hin schmorte. Und dass man den Geschmack überhaupt nicht mit modernen Gas- oder Elektroöfen vergleichen kann. Es gibt da übrigens ein Restaurant etwas abseits vom See, da wird das immer noch so mit Buchenholz gemacht, aber die Adresse sage ich nicht.

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Mit dem, was heute als exquisite Küche gilt, konnte die Tradition überhaupt nichts zu tun haben – viele Zutaten waren damals entweder nicht bekannt, oder aufgrund fehlender Kühl- und Transportmöglichkeiten nicht verfügbar. Vor 100 oder 150 Jahren wäre auch eine Reise zu bekannten Restaurants nicht einfach gewesen. Und weil damals auch das Vermögen nicht nur in den wenigen grossen Städten zu finden war, gingen die Honoratioren der kleineren Städte eben in die besten Gaststätten, die verfügbar waren. In meiner Heimat etwa gibt es eine Dynastie, die es zu höchsten Anlagebetrugsehren gebracht hat, die den ganzen Freistaat erschütterten: Deren Stammvater sass mit dem meinem im Cafe-Restaurant K., wo alle waren. Der Gipfel der Extravaganz war der Besitzer der damals grössten Firma der Stadt, von dem es hiess, er ginge jeden Tag im Hotel R. essen. Und für den reich gewordenen Mediziner gab es hier kein grösseres Vergnügen, als selbst geschossene Viecher in den Ofen eines dunkel getäfelten Jagdhauses schieben zu lassen, draussen, in einem winzigen Dorf inmitten von Wäldern. Mit einer Sosse so fett und fest, dass man damit heute ein Schock Restauranttester vergiften könnte. Und noch zu meiner Jugend gab es einen Gasthof, der Kesselfleisch direkt nach der Schlachtung anbot. Die bluttropfenden Details sind ekelerregend, aber damals war es immer etwas Besonderes, das sich die besseren Kreise nicht entgehen liessen.

Reich war, wer sich jeden Tag Fleisch leisten konnte. Über die Zubereitung hat man sich keine Gedanken gemacht, man nahm halt, was da war, und das entscheidende Kriterium war die Menge. Ich kenne die alten Bilder der Männer meiner Familie und die erhaltenen Kochbücher: Zwischen den Mengenangaben und den Doppelspitzkegeln mit Kugeln oben drauf gibt es einen Kausalzusammenhang. Aber darin kommt kein Kaviar, keine Haifischflosse und auch keine Sauce vor. Nur Sosse, Eier, Butter und Fett. Was immer also Michelin, TV-Sendungen, Zeitschriften und Feinschmeckerkolumnen zum Essen in besseren Kreisen verbreiten: Es hat bei uns so viel Tradition wie Paris Hilton und so viel Akzeptanz wie Margot Honecker. Nur lachen können wir Tegernseer über neumodische “Traditionen” wie den auf einem Bergbachkiesel servierten Fisch: Wir wissen, dass der angebliche Bergbach im Kreuther Tal vor 100 Jahren von seinem Hauptzufluss abgetrennt wurde. Da drin gibt es keine frei lebenden Fische mehr, dazu führt der Bach zu wenig Wasser. Der Fisch kommt aus einer banalen Fischzucht, aber der Tourist glaubt nun mal gern, dass er mitsamt Stein aus dem Bergbach käme, und dass so gelebte Tradition aussieht. Dabei dürfte der typische Bergbauer früher nicht mehr als einen Holzlöffel und eine irdene Schüssel besessen haben. Und keinen Michelin.

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Und ansonsten, ganz ehrlich: Selbst mit der Tradition ist es auch bei uns nicht mehr weit her. Während so ein Feinschmecker allein durchaus so ein Restaurant aufsuchen kann, ist die typische Tegernseefamilie längst vom Vegetarismus heimgesucht. Oder teilweise sogar vom Veganismus. Kaum einer schiesst hier das Reh noch selbst, aber viele Kinder wollen ihre Kühe und Gänse lebendig. Man kann mit solchen Einstellungen durchaus in Luxusrestaurants gehen und auch vorbestellen. Meine Erfahrung aber zeigt, dass all die ersten Häuser das Problem vor allem dadurch lösen, dass sie tierische Produkte ersatzlos weglassen. Bei gleichem Preis. Man kommt sich dabei übertölpelt vor, denn diese Häuser exerzieren ihre Rafinesse mit Vorliebe an Fisch und Fleisch, und der Rest sind unglaublich überteuerte Rohkostbeilagen mit ein paar Spritzern Glossa, serviert mit sehr verächtlichen Kellnerblicken Und das wiederum ist kulinarisch weltenfern von dem, was Veganer als “das ganze Universum der Hülsenfrüchte” bezeichnen. Meine Grossmutter nannte das abwertend “gnaschig”, aber so sind die Familien heute nun mal, und selbst, wenn ein Hotel diesen komplexen Ansprüchen genügte: Man macht so etwas einfach nicht im Alltag. Das macht man vielleicht im Urlaub, aber wer hier lebt, hat selbst eine Küche. Und eine Telefonnummer.

Die werde ich hier auch nicht veröffentlichen, aber, und das ist die ganze unschöne Wahrheit, am anderen Ende der Telefonnummer ist eigentlich immer ein normales Restaurant, das man als gutbürgerlich bezeichnen könnte. Am Ende meiner Nummer ist entweder ein Italiener oder ein bayerisches Restaurant, wo ich immer einen guten Tisch bekomme, wenn ich vorher anrufe. Beim Italiener warten die gleichen Mädchen wie überall auf die Pizza zum Mitnehmen, nur die Kleidung ist vielleicht etwas gehoben, und es gibt kein Piercing. Die starke Konkurrenz einer Touristenregion bringt es mit sich, dass die Verwendung regionaler Produkte und kulinarische Sonderwochen üblich sind, und weil die Restaurants mehr an die hiesige Kundschaft denken, müssen auch Veganer nicht verhungern. Im Sommer, Entschuldigung, ich weiss wie unglaublich banal das klingt, geht man auf eine Hütte oder an den Strand, wo es selten mehr als Kioske gibt. Oder bringt seine eigenen Sachen mit. Multimillionäre sitzen mit Bierflaschen an ihren Bootshäusern. Die besten Torten für alte Tanten gibt es in Cafes, da würde jeden Testesser der Schlag treffen, würde er die Inneneinrichtung der frühen 80er Jahre in diversen Brauntönen sehen. Trotzdem habe ich überhaupt keine Hemmungen, dort Pralinen zu kaufen und sie in Frankfurt als die Besten des Tegernsees anzupreisen: weil es stimmt.

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Ja, also, die Sterneküche. Sicher, im TV sieht das vornehm aus, aber ganz ehrlich muss ich auch sagen: Meine Kronleuchter sind besser. Wenn ich Besteck des XVIII. Jahrhunderts will, bekomme ich es dort nicht. Das Porzellan ist nicht schlecht, aber nun ja. Die Gläser sind modern, und die umfassende Baccaratausstattung daheim, vom Onkel Toni für 11 Säuferfreunde, sollte man nicht erwarten. Meine Stühle sind Rokoko und keine Imitate. Und so weiter. Und so fort. Letztlich sitzt man auf einem Industrieteppich und stochert mit einer bestenfalls versilberten Gabel in Rüben, die nicht ganz durch sind. Zur Suppe gibt es wie kostbare Edelsteine abgezählte Semmelbröckerl, die hier Croutons heissen. Alles ist neu, alles möchte besonders sein und der Wassersommelier verspricht besondere Nuancen. Zwischen Tisch und Sofa sind zwei Fusswege durch die Kälte und ein kaltes Auto. Man kann das schon mal machen.

Aber das ist nichts gegen den Spass, den man oben in der B. hat, mit dem prächtigen Panorama, dem Germknödel und der Katze, die nachher die Vainillesosse eigentlich nicht ausschlecken darf, aber sie ist ja nicht umsonst so fett, und das ist dann wieder gelebte Tradition, die zum Glück keiner filmt. Bei der B. will man übrigens jetzt ein neues Reichenressort bauen, mit neuer Sterneküche. Raten Sie mal, welcher Bebauungsplan hier von den anderen, hier schon Katzen fütternden Reichen gerade mit allen Mitteln torpediert wird. So ist das mit der hohen Kunst der Zubereitung am See.

Weihnachtsgeschenke für autonome Randalierer

24 martedì Dic 2013

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Nehmt Ihr uns die Flora ab, machen wir die City platt.
Aus dem Videoaufruf der “Antifaschistischen Aktion” zur Demonstration in Hamburg

Hier sollte eigentlich ein vergnüglicher Beitrag zum Klassenkampf von Oben stehen, nämlich: Wie man sich zu Weihnachten selbst bereichert. Es stand deutlich in den Nachrichten: Der neue Armutsbericht der Bundesregierung ist da! Punktgenau in die Vorweihnachtszeit gespielt, wenn die Menschen andere Interessen als Elend und Jammer haben, zeigt der Armutsbericht mal wieder auf, dass die Ungleichheit in Deutschland auch dieses Jahr grösser geworden ist. Und da ist es doch gefällig, dass wir, die Bevorzugten dieses Systems, durch Wälder streifen, um die Wipfel gefällter Bäume abzuzwacken und als kostenlose Christbäume zu verwenden. Das setzt dem Ganzen natürlich noch die Christbaumkrone auf. Zynischerweise hätte ich das oligarchengrün begründet: Kein Baum musste extra sterben, kein zusätzlicher Baummüll wurde produziert, das geht nachher alles in den Kachelofen und macht Wärme für die Katzen, unsere Beschmückung ist steinalt und nicht aus China, und energiefressende Elektrobeleuchtung haben wir auch nicht. Wir machen es als einzige richtig, und der Rest sollte sich was schämen.

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Das wäre einerseits halb ernst, denn tatsächlich ist die Tradition des Christbaumdiebstahls so in unseren Genen, wie das Vermieterblut in unseren Adern. Wir machen das wirklich so, und zwar mit einer Mischung aus diebischem Vergnügen, der Überzeugung, dass wir richtig nach der Tradition handeln, und dem Bewusstsein, dass es das Beste ist, was man in der Besten aller möglichen Welten tun kann. Sicher, der Baum ist nicht wirklich ein Schmuckstück wie das, was andere für viel Geld kaufen, aber einem geschenkten Christbaum schaut man nicht in die Äste und die besseren Exemplare hatten schon andere Mitbewohner aus dem Westviertel gestohlen. Andererseits hätte es mir natürlich auch Spass gemacht, aus dieser Tat eine allumfassende Gerechtigkeit der Art zu konstruieren, dass daneben jede Aufnahme eines heimatlosen Paares kurz vor der Niederkunft wie das Überlassen einer Pfandflasche erschienen wäre. Ich überziehe da gerne. Weil ich darüber indirekt erklären möchte, wie meine Schicht, mein Umfeld so tickt, und so ganz oben an der globalen Spitze zur Überzeugung gelangt, dass ihnen auch noch ein kostenloser Christbaum zusteht, und die Steuer ihnen alles nimmt, aber ansonsten hat es schon seine Richtigkeit so, wie es ist.

Wir sind am Sonntag also in die Wälder gegangen und haben einen Christbaum organisiert, und weil man am Vorabend gut gegessen haben sollte, habe ich die Randale in Hamburg nur so am Rande mitbekommen. Das ist fast unverzeihlich, denn unfairerweise ist der dort brutal ausgetragene Klassenkampf von Unten ja ein Thema, das ich hier eher ignoriere. Mir geht es allein um den Klassenkampf von Oben, den ich vielleicht auch nicht immer richtig finde, aber zu dessen Profiteuren ich fraglos gehöre. 364 Tage im Jahr beschränke ich mich darauf, die Vorteile dieser – für mich allein gesehen fraglos sozialen – Trennung der Gesellschaft hervorzuheben. 364 Tage lang ignoriere ich die anderen. In meinem Blog existiert das genauso wenig wie in meiner Welt. Nun aber werfen sie Steine, randalieren, und deshalb würde ich gern empfehlen, diesen Beitrag vom St.-Pauli-Anwohner Matt Wagner zu lesen, der fragt, warum man dann auch nicht Veganer und die Jungen Liberalen randalieren lässt.

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Aber. Heute ist Weihnachten. Die meisten Randalierer dürften längst wieder aus der Haft entlassen sein, die Revolution hat sicher auch einen Christbaum mit bengalischen Feuern, und vielleicht möchte die Leserschaft auch an dieser Stelle nicht, dass ich mich öffentlich über diese Personen aufrege. Zumal man von Seiten der Linken, der Piraten, der Jugend, der sozial Engagierten ja auch oft genug hört, wie parteiisch die Medien gewesen sind. Und wie unfair wir berichten. In meinem Fall stimmt das sogar, das ganze Blog ist eine einzige Propagandaveranstaltung für Trüffel, Tegernsee und den Charme der Gentrifizierung. Ist es da gerecht, wenn ich auch noch zum Fest der Liebe amüsiert herabblicke auf Menschen, die auf weniger Quadratmetern als mein Drittbad der Gästewohnung leben, und dort auch keinen Kronleuchter haben? Und zu Weihnachten nicht den süssen Schmerz empfinden, sich zwischen dem Tafelaufsatz aus Capodimonte und dem aus Nymphenburg entscheiden zu müssen? (Das bestimmt nämlich auch das Porzellan und das Silber)

Ich bin barmherzig. Dieses Mal, weil heute das Fest der Liebe ist, lasse ich die andere Seite zu Wort kommen. Weil nicht nur wir der Meinung sind, dass wir stets genau richtig handeln, wenn wir Erbschaftssteuern durch frühzeitiges Gemäldesammlungsumhängen reduzieren, sondern auch andere, wenn sie, wie die Piraten das so schön umschreiben, kämpfen:

Die Demonstranten kämpfen nicht nur um ein Gebäude, sondern um ihre Lebensräume und selbstbestimmten Lebensentwürfe. Sie dabei zu unterstützen und ihr Wohl nicht dem Profitstreben einiger weniger unterzuordnen, muss die Aufgabe der Politik sein.

Bravo! Lebensräume! Das hatten wir schon etwas länger nicht mehr, und damals war es ja auch der Osten, aber es gibt auch noch andere Meinungen und ich schweife ab – ich finde, Sie, liebe Leser, die Sie wissen, wie wir um unseren Status kämpfen, sollten auch wissen, wie die Demonstranten das Indymedia zufolge tun (Beleidigungen habe ich editiert, die Links als Quellennachweise finden Sie unten).

Den B**** wurde von Anfang an entschlossener Widerstand entgegen gesetzt. Obwohl es schwierig war, in dieser Situation genug Material zu organisieren, mussten sich die Eliteeinheiten mehrmals zurückziehen, weil der Bewurf so massiv war. Einzelnen B**** war die aufkommende Panik deutlich anzumerken, einige wurden so schwer verletzt, das sie nicht weiter Menschen zusammenschlagen konnten.

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Die Revolution, lässt uns Genosse Mao wissen, ist kein Teekränzchen, und mit Komplimenten und Kusshändchen, wie man das bei uns macht, wurde da nicht geworfen. Indymedia dürfen wir desweiteren entnehmen:

Dabei geschah weitaus mehr, als in den Medien und über die Ticker berichtet. Etliche Scheiben von Banken, grossen Geschäftsketten, Ämtern und  Nobelhotels wurden eingeworfen, zahlreiche Seitenstrassen mit  Baumaterial versperrt. Teilweise waren grössere Mobs unterwegs, die systematisch in Ruhe stabile Barrikaden errichteten, teilweise wurde spontan in loser Zusammensetzungen schnell etwas auf die Strasse gezogen.  Kleinere B*****einheiten zu Fuss wurden durch die Strassen gejagt, später dann auch eine grössere Anzahl von Wannen mit minutenlangen Steinbewurf vor sich hergetrieben.

Man sehe mir das bitte nach, gemeinhin neige ich ja auch zur Ansicht, dass es keinen Kausalzusammenhang zwischen Benehmen und Vermögen gibt, aber so etwas wäre am Tegernsee wirklich nicht üblich. Auch dort gibt es Demonstrationen gegen Bauvorhaben und internationale Investoren, aber das äussert sich friedlich. Dafür hatten die Hamburgtouristen aber auch kein Verständnis:

Das Empire strauchelt, genaugenommen liegt es am Boden. Aber es lebt mein Freund, es ist lebendiger denn je. Doch wenn es schon am Boden liegt, so lasst uns darauf eintreten. Soviel es eben geht. Und ohne die falsche Sklavenmoral, ohne Gnade für das Biest, ohne die bürgerliche Wehleidigkeit, ohne das schlechte Gewissen des bürokratischen Wendehalses. Ohne Mitleid für den Golem, der sich vor unseren Augen in eine Diktatur verwandelt hat.

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Und vermutlich machen sie das auch, ohne sich vorgestellt worden zu sein. Ich finde das, offen gesagt, bedenklich. Das schickt sich nicht. Und wo dieser Mangel an Feingefühl endet, das merken sie selbst auch, wenn sie sich selbst verletzen:

Wir haben uns dann an der militanten Gegenwehr beteiligt. Es war zwar schnell klar, dass wir das riesige B****aufgebot nicht zurückschlagen können, aber so ganz kampflos wollten wir uns die Demo nicht nehmen lassen. Viel war an dieser Stelle aber leider schlicht aus Mangel an Werfbarem nicht möglich. Schön war, wie viel trotzdem ging. Gar nicht schön waren die vielen Verletzten und vom Wasserwerfer durchnässten Menschen. Wütend hat uns gemacht, dass trotz des Mangels an Wurfgeschossen Leute aus der xten Reihe ohne was zu sehen, werfen mussten – leider hat das in einigen Fällen auch eigene Leute getroffen. Lasst gefälligst den Scheiß!

Wo käme man da auch hin, wenn einfach jeder so ungezielt werfen würde? Immerhin, die Anarchie, das sehen sie selbst, braucht auch Planung und Ordnung – meint eine “Bezugsgruppe aus Berlin”. Ausgerechnet…

Die Militanz, die wir mitbekommen haben, wirkte immer wieder sehr zielgerichtet und wohlüberlegt. Es wurden nicht wahllos Sachen angegriffen, sondern vor allem Geschäfte und auch hier keine kleinen Läden, Cafes und Resturants rund um die Flora.

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Und dann sind da – als wären es Neureiche, die bei einem Immobilienfonds arbeiten – auch noch die Fragen nach Abgrenzung von den normalen Menschen, dem breiteren Interesse der Öffentlichkeit, das man ignorieren kann, dem Standesbewusstsein, aus dem sich ein lässiger Umgang mit den Gesetzen ergibt, und dem Return on Investment, den es zu verbessern gilt:

Jenseits aller Polemik muss vielleicht auch thematisert werden, inwieweit die “üblichen Netzwerke” in Hamburg rund um die Flora und Recht auf Stadt mit der Organisierung eines solchen Tages auch einfach deshalb überfordert sind, weil sie jenseits aller solidarischen Haltung gegenüber militanten Aktionen einfach nicht Teil einer aufständischen Praxis sind. Die Kritik muss aber auch uns selber gelten. Zuviele sind mit einer Konsumhaltung nach Hamburg gefahren. Jenseits von Vermummung und Pyro gab es wenig konkrete Vorbereitungen, so braucht es z.B. aufgrund des kaum vorhandenen Kleinpflasters entsprechendes Werkzeug, um Material zur Verfügung zu haben. Auch haben sich angesichts der hohen Anzahl von Angereisten nur erschreckend wenig Leuten am Abend militant engagiert, hier wäre viel mehr möglich gewesen.

Ja, es wäre mehr möglich gewesen, das wird dereinst auch auf meinem Grabstein stehen, denn all mein Talent und meine Begabung werde ich von nun an wieder in die Begründung stecken, warum alles schon so passt, wie es ist. Ich finde ja auch, dass wir in einer Oligarchie leben. Aber immerhin, heute ist Weihnachten, und die andere Seite durfte jetzt in den Stützen der Gesellschaft auch einmal zu Wort kommen. “Danke” werden sie nicht sagen, aber das ist mir nicht so wichtig.

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Ob Sie, liebe Leser und/oder Genoss_Innen, weiter bei mir über Silberkannen und den Christbaumdiebstahl lesen wollen, oder bei Indymedia vom Treiben junger, sozial bewegter Menschen, die das nächste Mal, wenn sie bei Ihnen vorbeikommen, an mehr Pyro und Werkzeug zum Steine- und Knochenbrechen denken, das bleibt ganz Ihnen überlassen. Ich fürchte, derartig soziales Treiben kann ich Ihnen hier nicht versprechen, aber vielleicht wollen Sie ja auch noch einen Tee bei mir nehmen. Der Klassenkampf von Oben hat zumindest das bessere Porzellan.

Ein frohes Fest wünsche ich Ihnen und Ihren Familien.

(htt ps://links unten.indymedia.org/de/node/101982, htt ps://links unten.indymedia.org/de/node/102039, htt ps://linksunten.indymedia.org/de/node/102011)

Schlammcatchen der Popcornminister statt Internetausschuss

19 giovedì Dic 2013

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Entgegen anderslautenden Aussagen deutscher sog. “Netzpolitiker” der grossen Koalition wird es vorerst keinen ständigen “Ausschuss Internet und Digitale Agenda” (AIDA) des deutschen Bundestages geben. Hintergrund sind Kompetenzfragen der Ministerien, weil Alexander Dobrindt die Auffassung vertritt, “Internetminister” zu sein, und andere Minister auch bei relevanten Fragen mitreden wollen. Einem Fachausschuss sollte ein Ministerium gegenüber stehen, beim Internet sind es dagegen gleich fünf, die sich verantwortlich fühlen: Infrastruktur, Wirtschaft, Kultur, Inneres und Justiz. Und die sind da in Sachen Zuständigkeit, wie man in Bayern sagt, wia da Hund mim Knocha. Und weil man sich nicht einig ist, gibt es eben gar nichts: Das ist Politik im Zeitalter des Shitstorms.

Beiseite: ROFLCOPTER

Pardon wo war ich, ach so, ja, das ist natürlich eine bittere, parteiübergreifende Niederlage für die Damen und Herren Netzpolitiker, wenn sie erst frohe Nachrichten ins Netz posaunten und schon mal nachdachten, wer da welchen Posten im Ausschuss bekommt, und dann kriegen sie von den Rivalitäten in der Regierung erst mal einen Abschuss statt einem Ausschuss. Fehlstart, höhnen Presse und Internet unisono, und es ist sicher eine Pleite für die Beteiligten. Aber für das Neuland Internet?

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Für mich ist das so, als wäre es Anno Domini 1492, und ich sässe in der Karibik. Eines schönen Tages tauchen vor der Küste der Insel ein paar Segelboote auf, und ich höre erstaunt, dass man dort an Bord von “Neuland” spricht. Das ist Unsinn, ich bin schon lange hier und es geht mir prima, und ich habe auch keinen gerufen, mein Land zu entdecken. Aber von den Schiffen dröhnt es schon herüber, Fahnen werden gehisst, Büchsen werden gespannt, Priester singen, dass sie mich katholisch machen werden, und die ersten Hofnarren fragen die Kapitäne auch schon, wer in diesem Neuland eigentlich Vizekönig werden soll, um dann das Land aufzuteilen, Siedlungen zu errichten, Privilegien zu verteilen und wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Das alles muss jetzt gemacht werden, das ist Zivilisation, denken sie, und dass man hier ab und zu Damen und Herren im Eva-und Adamskostüm sieht, passt dort drüben manchen auch nicht. Und meine Rechte sollen in Zukunft von der heiligen Inquisition vertreten werden. Sie kommen näher und näher, und ich kann schon die Löcher in den verfaulten Zähne der sich für mich zuständig haltenden Figuren sehen. Das ist kein schöner Anblick.

Und dann taucht am Horizont ein weiteres Schiff auf, gibt Signale, und gerade, als das erste Flintenweib, der erste Beilschwinger und der mit ihnen befreundete Speichellecker des grossen Monopolhandels an Land gehen wollen – werden sie von der Heimat zurückgepfiffen. Weil sich in der unfähigen Bürokratie am spanischen Hof ein paar Granden in die Haare gekommen sind. Weil jeder darauf achtet, dass er so viel wie möglich von den Eroberungen bekommt. Und keinem anderen das Schwarze in seinen Pockennarben gönnt, geschweige den den Eiter seiner Syphilis. Das muss jetzt erst mal geklärt werden, in einem langwierigen Gerichtsverfahren. Und deshalb fahren jetzt alle wieder heim.

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Das ist natürlich eine schwere Niederlage der spanischen Politik im Neuland. Aber für das Neuland ist das eine gute Sache. Wer – wie ich – das Vergnügen hatte, die direkten Folgen der Verwicklung der bayerischen Laptop-und-Lederhosen-Politik in den Aufstieg und Untergang des Internetstandortes “Munich Area” zu erleben, diesen versuchten Globalisierungsraubzug der New Economy, der im High Performance Verpulvering von Staatsgeldern und im Niedergang eines hastig hochgezogenen Neuen Marktes endete, der ist für den Rest seines Lebens immun gegen die Heilsversprechen politischer Gremien. Diese Politik da hat uns in der Folge dafür aberwitzige Projekte wie die unsichere DE-Mail gebracht, die Gesundheitskarte und den biometrischen Personalausweis, Überwachungsgesetze, die unsere Verfassung brachen, und die Weitergabe unserer Daten an die USA. Das Letzte, was ich von denen jetzt sehen will, ist ein plüschiges Ausschuss-Hinterzimmer, in dem man sich schon einig wird und nur denen Zutritt verschafft, die in den eigens dafür gegründeten Verbänden sitzen: Dann gibt es eben eine Vorratsdatenspeicherung, mit der alle leben können, Wirtschaftsförderung mit der Giesskanne, Staatsaufträge für ein Placebo-Schlandnet, ganz viele Technologieparkeröffnungen und gegenseitiges Ordenandiebrusthängen.

Die beste Leistung der letzten, abgewählten Regierung hatte übrigens auch etwas mit dem Internet zu tun: Die Verhinderung der Vorratsdatenspeicherung. Das war nur möglich, weil es keinen Ausschuss gab, der da vermittelt hätte, sondern ein übles Zuständigkeitswirrwarr zwischen der EU, dem Kontrollfreak Friedrich und der Justizministerin von der FDP, deren politisches Überleben auch davon abhing, dass sie diese Begehrlichkeiten bis zur Bundestagswahl verschleppte, blockierte und abwehrte. In diesem Fall sieht man, was die Berliner Ministerialbürokratie wert ist, wenn sie nur mit genug konfliktträchtigen Egos gesättigt wird. Und mit Alexander Dobrindt haben wir da nun einen ganz besonderen Herrn, der mal in Bayern ganz grosser Wadlbeisser war, und in Berlin ganz klein in einem kastrierten Ministerium gelandet ist. Er muss sich um das Problemthema Maut kümmern, und bräuchte jede Menge guter Presse. Ihm gegenüber sitzt Sigmar Gabriel, der nach der Schlappe seiner Partei auch dringend Erfolge braucht. Das ist eine ministerielle Popcorngarantie, und einen Vorgeschmack gab es schon jetzt, weil die CSU wirklich lieber den Herzensausschuss der eigenen Staatssekretärin Doro Bär absaufen sieht, als einen Kompromiss einzugehen.

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Man hat in den letzten Wochen gesehen, wie die relevanten Politiker dieses Landes den Jahrhundertskandal der NSA und deren Treiben in Deutschland ins Leere haben laufen lassen – einfach, weil sie jetzt zusammen an die Regierungströge kommen wollen. Genauso nachlässig würden sie, wenn ihr Interesse das gleiche wäre, auch die anderen Themen behandeln, und das wäre eine Katastrophe für die Bürgerrechte in diesem Land. Ohne Internetausschuss haben sie jetzt alle Gelegenheiten, die Kleinkariertheiten ihrer Ressorts, die Trägheit ihrer Apparate und die Defizite ihrer Charaktere aufeinander krachen zu lassen. Garniert mit teilweise unfassbarer Inkompetenz und Unwissen kann es gut sein, dass sich zwar sehr viele Leute in vier Jahren bis auf die Knochen blamiert haben, aber sonst wenig Schaden angerichtet wird. Und die Netzpolitiker können dann zwischen den Minen und Granattrichtern der Grabenkämpfe zeigen, ob sie wirklich ihre Stimmen wert sind.

Fast 100 Tage waren nötig, diese neue Regierung zu erschaffen. In diesen 100 Tagen haben sie nichts geschafft, ausser diesen Ausschuss selbst zu versenken und ihre eigenen Leute zu brüskieren. Ein Auftakt nach Mass. Wenn sich Dobrindt und Gabriel jetzt noch vier Jahre lang im Bereich der Netzpolitik jeden nur denkbaren Schmerz antun, am besten mit vorherigem Staatssekretärcatchen zwischen Doro Bär und Brigitte Zypries, und die anderen ihnen dabei helfen, dann möchte ich hier im Neuland meine Kokosnuss auf sie erheben, einen Maiskolben für das Popcorn rösten, zu Weihnachten gesegnete Schlagringe wünschen und darauf hoffen, dass es 1496 vielleicht mal wieder eine Partei gibt, die Bürgerrechte im digitalen Zeitalter ernst nimmt. Und nicht als Beute, Verhandlungsmasse oder wertlosen Plunder für einen Ausschuss behandelt.

Lobbyisten, Vorsitzmacher und andere Stiefelknechte im Internetausschuss

18 mercoledì Dic 2013

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Das Neuland Internet hat eine neue politische Heimat: Nach langen Jahren des Darbens in ungeliebten Unterausschüssen des Bundestages und teilweise qualvollen Verhandlungen in einer Enquete-Kommission gibt es in der neuen Legislaturperiode zwar keinen Internetminister, bei dem alle Zuständigkeiten gebündelt wären. Was aber kommen wird, ist ein

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Hauptausschuss für das Internet und die digitale Agenda. In diesem Gremium werden Gesetzesvorhaben zur Digitalisierung von Fachpolitikern und Experten für die beteiligten Ministerien vorbereitet und besprochen. Wie der zentrale Ausschuss konkret unter den Zuständigkeiten der Ministerien für Verkehr (Breitbandausbau), Justiz (Verbraucherschutz), Inneres (Sicherheit) und Wirtschaft funktionieren wird, muss sich erst noch zeigen. Aber das Posten- und Einflussgeschacher hat schon begonnen.Kaum hat nämlich der SPD-Abgeordnete und Netzpolitiker Lars Klingbeil den Entschluss verkündet, den Ausschuss einzurichten, und sich bei denjenigen bedankt, die das Anliegen gegen die Widerstände in den Regierungsfraktionen durchgesetzt haben, geht es auch schon los:

@larsklingbeil cool, lars! machste vorsitz?!

haut ihn leger ein gewisser Axel Wallrabenstein bei Twitter an. Vornamen, Duzen, Ämterschacher: Der Mann zeigt keine Berührungsängste und hat sie vermutlich auch nicht, denn Axel Wallrabenstein ist Chairman der MSLGroup Germany GmbH. Manche würden ihn vielleicht auch als Politikberater bezeichnen, oder einfacher als Lobbyisten. Für den Internetgiganten Google macht MSL politische PR in Deutschland, und Axel Wallrabenstein ist Mitglied im Verein C-Netz, einem sehr CDU-nahen Verein in Berlin, wie er im Moment Mode ist: C-Netz oder D64 für die SPD sind Sammlungsbewegungen der Volksparteien, die Bürgern Möglichkeiten zum Engagement für Netzpolitik anbieten. C-Netz brüstet sich mit einem niedrigen Berufspolitikeranteil und erwähnt “Mitglieder des CCC, Schüler, Studenten, Pädagogen, Wissenschaftler, Journalisten und Vertreter der Wirtschaft”. Der Chairman der Google-PR-Agentur jedoch ist kein normales Mitglied, sondern wurde gleich Vorsitzender des Beirats. Und C-Netz verkündet stolz, dass nun drei seiner Mitglieder die Netzpolitik in Deutschland mitbestimmen. Gemeint ist damit: Offiziell durch ein Amt, und ohne Wallrabenstein gerechnet.

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Da kann man als CDU-naher Beiratsvorsitzender und Lobbyist, der mit allen redet, so einen Ausschussvorsitz schon mal einem Sozen, wie es Lars Klingbeil ist, überlassen. Zumal auch Klingbeil neben weiteren SPD-Politikern auch so einem Verein angehört. Obwohl sich D64 nicht weniger als das C-Netz bemüht, den Anschein einer allen Bürgern offen stehenden Organisation zu machen, hat auch dort die Partei grössten Einfluss: Bis hin zu einer Medientochter von D64, die zur Parteizeitung Vorwärts gehört. Strategisch war D64 zu den besten Zeiten der Piraten ein Versuch, für die SPD ein netzpolitisches Aushängeschild zu gestalten, das nicht so kompromittiert wie die Partei mit ihrem Hang zur Vorratsdatenspeicherung war. Allerdings firmiert schon als Gründungsmitglied des Vereins auch ein gewisser Stefan Keuchel, der, darf man annehmen, hier nur privat agiert. Nur Schurken würden vielleicht anmerken, dass Keuchel beruflich als Pressesprecher von Google Deutschland das Gegenstück zu Axel Wallrabenstein beim C-Netz ist.

Solche Schurken würden dann vielleicht auch darauf verweisen, dass Google auch noch an anderen, für den Internetausschuss relevanten Stellen mehr als nur einen Fuss in der Türt hat. C-Netz und D64 treten mit dem Anspruch an, die interessierte Öffentlichkeit zu vertreten, und machen damit den eher parteifernen und erheblich kritischeren Organisationen wie dem AK Vorratsdatenspeicherung Konkurrenz. Google baut sich nach dem gleichen Strickmuster derweilen eigene Strukturen wie das Internet & Gesellschaft Collaboratory aus (Offenlegung: Collaboratory hat einmal sehr generös versucht, mich einzuladen, aber ich habe abgelehnt). Formal ist Collaboratory ein eigenständiger Verein, der sich in Berlin besonders für Netzpolitik engagiert, und mit seinen “Initiativen” versucht, eigene Vorstellungen mit Politikern zu entwickeln und umzusetzen. Die 3. Initiative etwa drehte sich “ohne Vorgaben und Tabus” um das für Google stets problematische Urheberrecht, und wurde durch einen Projektleiter namens Philipp Otto gestaltet. Inhaltlicher Leiter dagegen war ein gewisser Till Kreutzer. Wer sich über diese beiden Personen weiter informieren will, wird schnell merken, dass sie führende Mitglieder einer weiteren Internetorganisation sind: irights.info, eine Art Plattform für digitale Rechte.

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Und bei einer weiteren Organisation namens IGEL, die sich dem Kampf gegen das Leistungsschutzrecht verschrieben hat, findet man dann auch folgende Angaben zu Till Kreutzer:

Im Rahmen der Reform des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft („Erster und Zweiter Korb“) wurde er von Bundesregierung und Gesetzgeber verschiedentlich als Sachverständiger in Anhörungen und Arbeitsgruppen angehört.

Und zu Philipp Otto:

Als wissenschaftlicher Mitarbeiter für Medienrecht und Medienpolitik hat er für Abgeordnete des Deutschen Bundestages im Unterausschuss Neue Medien und in der Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft gearbeitet.

Schurken – und ich möchte hier zugeben, dass auch ich in mir manchmal solche Regungen empfinde – werden nun anmerken, dass sich das doch alles zu schön fügt, Einladungen, Gesprächskreise, Aktivismus gegen Vorhaben, die Google nicht mag, Einflussmöglichkeiten bei Kommissionen wie jene, die gerade gegründet wird. Und wie es der Teufel haben will, gibt es jetzt von Philipp Otto bei irights.info ein Buch. Ein Buch über den Stand des Internets, und von den 30 Autoren sind gleich 10 bei Collaboratory gelistet. Dazu tauchen auch noch für die schöne, unabhängige Optik Edward Snowden und Constanze Kurz vom Chaos Computer Club auf, und ein Gespräch mit Doro Bär, die jetzt Staatssekretärin im Infrastrukturministerium unter Dobrindt wird. Und bei C-Netz mit Axel Wallrabenstein zusammen ist. Wäre das Bayern, Schurken würden längst Filz wittern. Aber es ist die Berliner Republik, da kann jeder mit jedem.

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Nicht minder phantastisch ist das bürgerschaftliche Engagement, das durch eine Arbeit von Till Kreutzer aus dem Mai dieses Jahren zum Ausdruck kommt. Der hat für den Bundesverband der Verbraucherzentralen eine Studie über Urheberrechte im Internet geschrieben. “Es wäre schön, wenn sie Denkanstöße oder sogar Aktivitäten von Seiten der Politik hervorrufen würde”, sagte Kreutzer. Und wie es der Teufel haben will: Staatssekretär für Verbraucherschutz im Justizministerium wird Gerd Billen, bis jetzt Chef der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Google wird es vermutlich nicht bedauern, wenn solche Studien nun gleich im Ministerium gern gelesen und zu Akivitäten führen werden, denn wenn es um das Urheberrecht geht, ist man allein schon wegen den Projekten Google Books, G+ und Youtube mehr auf Seiten der Verbraucher. Dass auch die Gegenseite keine Heiligen sind, sieht man recht schön beim Verein “Engage” – wobei man dort bei weitem nicht so geschickt, sondern eher steif und unflexibel agiert.

Aber wenn es um den Datenschutz geht, ändern sich die Fronten sofort wieder. In Deutschland will Google erreichen, dass Verbraucherschützer nicht mehr gegen die Bestimmungen des Konzerns zur Datensammlung klagen können, in England sollen Nutzer gar nicht mehr klagen können, sondern gezwungen werden, sich an Gerichte in der kalifornischen Heimat zu wenden, wo Google politisch noch besser aufgestellt ist. Dort war übrigens auch ein gewisser Philipp Rösler zu Gast, bislang deutscher Wirtschaftsminister, und stattete Google einen Besuch ab, probierte die Datenbrille, umarmte Kai Dieckmann, und hinterlässt Sigmar Gabriel nun zu treuen Händen seinen nicht minder treuen Staatssekretät Stefan Kapferer von der FDP.

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Das sieht für Leute wie Wallrabenstein oder Keuchel sicher nicht nach einem unlösbaren Hindernis bei der Suche nach der besten Lösung aus, die nicht evil wirken soll, sondern harmonisch, und mit Sicherheit alle mitnimmt: Denn genau so wird das auch im nächsten durch Kooperation entstandenen Buch über die Netzpolitik des Jahres 2014 stehen, da nicht nur die Grosse Koalition ihre Arbeit für dieses Volk unternahm, sondern endlich auch ein Ausschuss etwas für die Menschen in unserem Neuland tat.

Solange sie beim richtigen, dreilagig extraweichen Verein auf den richtigen Listen waren, natürlich. So geht Netzpolitik unter der grossen Koalition.

Hassan will den Kalten Krieg zurück

16 lunedì Dic 2013

Posted by Don Alphonso in Uncategorized

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Take a lesson, from the ones who have been there
My brain is not damaged but in need of some repair
Kaiser Chiefs, Modern Way

Ich trage schwarzgrüne, massgeschneiderte Bergwanderbrogues aus Verona mit grober Sohle, ein bequemes Sacco aus Tuch von Roydale, und einen weiten, langen Ansitzmantel aus Münchner Loden. Ganz geschlossen, und mit hochgeklapptem Kragen sehe ich nach bayerischen Verhältnissen nicht aus wie jemand, mit dem man sich anlegen sollte, denn diese Lodenmäntel aus dem Jagd- und Joggerjagdunfallumfeld sprechen für einen laxen Umgang mit körperlicher Gewalt und wenig Neigung zur friedlichen Konfliktbereinigung. Ich bin eigentlich gar nicht so und am Schalter dann auch die Höflichkeit in Person, als ich mein Gepäck aufgebe. Denn ich habe die klare Luft über den vereisten Bergen verlassen und mich hinunter in die bleigraue Ebene begeben, die sich von München bis zur Küste erstreckt. Ich reise nach Berlin. Da wäre jede zuvorkommende Erscheinung fehl am Platze.

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In Berlin angekommen – und nach einem letzten sehnsuchtsvollen Blick auf meine Berge über den Wolken, Berge, die ich jetzt eine Woche nicht mehr sehen werde, und Wolken, die ich von unten erschauen werde, denn in Berlin ist es immer grau, selbst wenn es sonnig zu sein scheint – in Berlin angekommen, nach einer ruppigen Landung in Tegel überlege ich mir kurz, ganz kurz, ob ich wie jeder Mensch in die öffentlichen Verkehrsmittel steigen soll. Aber dann fällt mir ein, dass der öffentliche Personennahverkehr in Berlin ja so eine Sache und keinesfalls unsere reizende Bayerische Oberlandbahn ist, und in Berlin vielleicht nicht jeder den gefährlichen Ausdruck eines Jägermantels erahnt. So ergattere ich lieber ein Taxi. Am Steuer sitzt Hassan und ich sage ihm, dass sich Berlin in den letzten sechs Jahren auf den ersten Blick nicht verändert hat. So lange war ich nicht mehr hier. Und ich kann nicht sagen, dass ich es vermisst hätte. Meine Erfahrungen, individuell gesehen, waren ja nicht schlecht, ich hatte einen Puffer an sozialen Kontakten, Geld und Ausweichmöglichkeiten um mich herum, und meistens bin ich dann auch immer recht spät wieder nach Berlin gefahren, wenn es sich ergab, nach Bayern zu reisen – trotzdem. Nicht mein Ding, diese Stadt.

Hassan sieht das ähnlich, denn er kennt die weitere Geschichte der Zeit, die ich nicht mehr erlebt habe. Hassan hat das Pech, dort zu wohnen, wo heute alle hin wollen: An der Grenze zwischen Neukölln und Kreuzberg. Dort ist er während des kalten Krieges in eine 90 Quadratmeter grosse Wohung gezogen, und langsam merkt er, wie man ihm diese Heimat nehmen will. Er zahlt jetzt 800 Euro warm, unter ihm wurde die gleiche Wohnung neu vermietet, für 1450. Kalt. Und sie war sofort weg. Beworben hatte sich das typische Publikum für diese Ecke, Leute mit Geld aus dem Westen, wie schon bei den anderen Wohnungen im Haus. Von den alten Bewohnern sind kaum noch welche da, Hassan ist inzwischen fast so etwas wie ein unerwünschter Fremdkörper. Man möchte, so erlebt er es, andere Mieter haben.

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Dabei kann man sich über Hassen wirklich nicht beklagen. Seine E-Klasse ist so sauber, wie es meine Barchetta nur einmal war, nämlich am Tag der Auslieferung aus der Fabrik. Er fährt souverän durch das Gedrängel der Fahrzeuge im westlichen Wedding, ist auch so nett, einen kleinen Schlenker zu meiner alten Wohnung zu machen, und macht den Job richtig gut, diesen Job, den er eigentlich nicht machen will. Schliesslich ist die Tätigkeit als Taxifahrer nur das Ergebnis einer langen Entwicklung; da hinten, er weist nach Norden, war früher die Druckereifabrik, in der er einstmals Chef des Lagers war. Aber die wurde von einem Konkurrenten übernommen, und steht jetzt auf dem Balkan. Man hat ihm damals angeboten, doch mit auf den Balkan zu gehen. Allerdings nur für den ortsüblichen Lohn des Balkans, weg aus Berlin, in ein Hotel am Rande einer stalinistischen Stadt, um dort weiter das Lager zu leiten. Das hat er dann nicht gemacht.

Das war nicht die einzige Erfahrung. Er war vorher schon im Mittelstand, der hier durch die Berlinförderung gut existieren konnte. Dort gab es eine Maschine, die den ganzen Ablauf im Produktionsprozess steuerte. Drei Mann in der Firma bedienten sie, im Schichtbetrieb, 24 Stunden, rund um die Uhr, und Hassan war einer davon. Einmal, kurz vor Weihnachten, ist sein Nachfolger krank geworden, da hat er dann 16 Stunden durchgearbeitet. Und als auch der zweite Nachfolger nicht kam, wollte er eben die 24 Stunden voll machen. Aber dann kam der Chef, und hat ihm gesagt, dass er jetzt die Maschine übernimmt. Und Hassan sollte in die Kantine gehen und sich melden. Dort gab es dann für ihn zu essen, was er wollte. Hassan beeilte sich, ging zurück zum Chef, scheuchte den in sein Büro, und machte noch einmal drei Schichten. Dann erst kam ein Ersatzmann, Hassen ging er heim und schlief. Er bekam eine Woche Sonderurlaub und 500 DM. Das war 1989, das war ein guter Job und eine gute Zeit für ihn. Gerade war die Mauer gefallen, und der Kapitalismus nahm auch in Berlin West mit, was er konnte. Auch den Mittelständler. Und die nächste Maschine war dann eine, die sich selbst steuerte.

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Der Kapitalismus brachte auch eine Sonderförderung Ost für Immobilien, und so lernte Hassan Mitte der 90er Jahre um, auf Elektriker und Maler. Das kann man immer brauchen. und das brauchte man auch, Hassan hatte viel zu tun bis etwa 2000, als die Begeisterung für die Altbauten des Ostens angesichts der New Economy Krise einen schweren Dämpfer erhielt. Dann machte er den Taxischein. Und jetzt, da es wieder losgeht mit den Berlinimmobilien, da entdeckt er, dass die Firmen keine Elektriker mehr brauchen, zumindest keine gelernten Spezialisten aus Berlin mehr. Die haben eigene Bautrupps, die alles aus einer Hand machen, so sagen sie es zumindest, und dahinter stehen Subunternehmer aus dem Osten, also all jene nach Deutschland verbrachten Allesmacher, die man in den nach dort verlagerten Fabriken nicht braucht. Denn eine Berlinimmobilie muss nur so lange schön aussehen und funktionieren, bis sie verkauft ist, und die Probleme teilen sich dann der Käufer aus Süddeutschland, der Mieter aus Süddeutschland und Hassan, dessen Leistung man nicht braucht, aber dessen Wohnung ein grossartiges Geschäft wäre, wenn er gehen würde. Aber das macht er nicht. Das ist seine Heimat, und da bleibt er. Bravo, sage ich. Nicht zum ersten Mal.

Dabei komme ich aus einer Region mit Vollbeschäftigung, wo man sich die Telefonnummern von sauber arbeitenden Elektrikern verschwiegen zuschiebt, und gute Maler bekommt man, wenn man sich ein paar Monate vorher auf die Warteliste setzen lässt. Draussen zieht Berlin vorbei, mit diesem schiefersilbernen Nachthimmel der Lichtverschmutzung, eine alte Frau tippelt über die Strasse, und auf den Trottoirs drängen sich die schreienden Horden der Freitagsbelustigung. Früher war das nicht so, meint Hassan, früher gab es halt den Kudamm, da war das Leben und woanders war Ruhe. Berlin war eigentlich eine schöne Stadt, gut, da war die Mauer, aber man hatte Arbeit und die Leute waren freundlicher. Diese ganze Aggressivität, der ganze Streit, das sind diejenigen, die arm sind, keine Arbeit haben und dann eben Probleme bereiten. Ich nicke und sage nichts über schlecht gelaunte freie Autor_Innen, die ihren Hass auf Twitter auskübeln, und die Atmosphäre der U-Bahn Berlin ins Netz tragen. Hassan hat schon recht. Dann sind wir beim Hotel, das den Besuchern einreden will, dass Berlin eine schicke Metropole der Künste ist, und ich bedanke mich für die Fahrt. Und das Gespräch.

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In Palo Alto entwickelt Google selbstfahrende Autos, mit einem besonderen Blick auf die urbane Mobilität. Die Zukunft, an die man dort glaubt, denkt an kleine Elektrofahrzeuge, die sich selbst an das Ziel bringen, keinen Hassan brauchen, damit auch Gewicht und Kosten sparen, und natürlich die Städte entlasten. Sie werden kommen, Hassan ist dann vielleicht schon in Pension, und wird sich an seine Wohnung klammern, so lange es eben die Mietsteigerungen zulassen. Man wird sich in Tegel, dann sicher noch immer in Tegel, da habe ich üBERhaupt keine Zweifel, also in so ein Selbstfahrding setzen, und es wird in den Fenstern einen virtuellen Datenlayer haben, der Zusatzinformationen zur Stadt abspielt. Wo die Hohenzollern waren. Wo die Mauer stand. Wo die besten Bars sind. Was eben für die Menschen so wichtig ist. Relevant.

Mir persönlich hat die nackte, hässliche Wahrheit aber sehr gut gefallen, und weil Hassan zwar ein guter Geschichtenerzähler ist, aber keiner, der Zugang zu einer Zeitung hätte, habe ich es hier aufgeschrieben. Es ist trotz allem eine bessere Geschichte als die Kunstwerke im Hotel, der Blick auf den silbernen Himmel und das, was noch zu sagen wäre, das kommt auch noch.

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Initiiert, mitausgeheckt, eingetütet und leider auch manchmal durch meine halsstarrige Art erduldet von Frank Schirrmacher

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