Wos mogst?
Bayerische Einleitung zur Folgefrage, ob eine Deformation des Fazialbereiches mittels körperlicher Gewalt gewünscht wäre

Unter Helmut Kohl gab es eine Renaissance des Wortes „Patriot“; starb wieder ein Repräsentanten der schwarzgelben, moralisch gewendeten Bundesrepublik, wurde er von Veteranenverbänden, Klerikergemeinschaften oder Angehörigen der Sicherheitsdienste zu Grabe getragen, so verwendete man deutlich und unüberhörbar, der Verstorbene sei ein Patriot, oder sogar ein wahrer Patriot gewesen. In Abgrenzung natürlich zu jenen, die das in der Form nicht waren, und wer kein Patriot ist, ich gleich auf der Seite der anderen, der Vaterlandsverräter, der Verfassungsfeinde, der Volksschädlinge. Man besetzte den Begriff für sich selbst und baute darauf, dass die Linken das Wort nicht mochten, und das Volk schön verstünde, wo hier moralisch saubere Ehrenmänner stehen. Und nicht etwa mehr oder weniger gnadenlos Zufrühgeborene mit Flakerfahrung, deren politische Erfahrung den wenig erbaulichen Zeitumständen entsprach.

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Angesichts solcher Wörter ist es keine schlechte Sache, eine lange und gut  dokumentierte Familiengeschichte zu haben, in der es drunter und drüber ging, und auch durcheinander und gegeneinander. Unter dem Prinzregenten etwa verkehrten zwei Zweige der Familie freundlich miteinander, obwohl die einen zu den Patrioten zählten, aus denen der der Überlieferung zufolge Schwarz herauslaufen täte, würde man sie anstechen, und die anderen waren eher liberal bis sozialdemokratisch. Der Bruch kam dann nach dem 1. Weltkrieg, in dem beide Stämme sehr gelitten hatten, aber das Oberhaupt der schwarzen Linie schrie dennoch, auf offener Strasse, das Oberhaupt der roten Linie an, er würde sich doch von ihm seinen König nicht kaputt machen lassen und man müsste gleich wieder gegen Frankreich und England… ein Patriot. Es bedurfte dann noch eines Krieges und einer Diktatur, bis er umdachte; Patriotismus ist nicht gerade der beste Nährboden für schnelle Erkenntnis. An seine revanchistische Patriotenstelle traten dann die Vertriebenen, die nach Überzeugung vieler hier gar nie nicht nach Bayern gehören und dennoch von allen die glühendsten Verehrer des Landes und Eroberungen im alten deutschen Osten sind, selbst wenn sie immer noch in einem Reihenhausanteil in Zwiesel leben (am Rande, Zwiesel ist so randständig, dass sogar die Rechtschreibkorrektur das Wort für falsch hält – gehe figurieren).

Man kann durchaus sein Land und seine Leute mögen und am Tegernsee wohnen, ohne dass man deshalb gleich ein Patriot sein müsste. Zuneigung und Liebe, habe ich den Eindruck, gedeiht ohne erzwungene Schwüre und Rituale am Besten. Und diese andauernde Betonung einer Heimatverbundenheit, die alle Schattenseiten ausblendet, dieses volkstümlichmusikalische Hochhalten von in China genähter Tracht und Symbolen erscheint mir wie Popanz um eine längst entkernte Überzeugung: Spätestens bei der Betreuung des dementen Erbonkel wird auch der eifrigste Rassenhasser zum Befürworter eines Einwanderungslandes für Pflegekräfte, und die S-Klasse ist heute so konstruiert, dass sie dem chinesischen Parteigünstling wie dem Förderungsempfänger der bayerischen Landwirtschaft gefällt.

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Es ist gar nicht so leicht, in friedlichen und wohlhabenden Zeiten wie diesen ein echter Patriot zu sein. Die äusseren Feinde, die unsereins vereinen könnten, sind verschwunden, aber die Kinder studieren im Ausland, weil die Konzerne das erwarten. Der Kreisheimatpfleger hat ein paar Getreue und das Oktoberfest Millionen Fans bei Facebook. Wer sich Landlust oder ähnliche Magazine hält, ist für den Bauerngarten empfänglich und treibt trotzdem die Volkszukunft ab, wenn es nicht in die Lebensplanung passt. Stück für Stück wird der Patriotismus um Symbole, Inhalte und Ideen enteignet, und was den Patrioten und ihren politischen Vertretern dann übrig bleibt, Radio Maria, Veternanenverbände, Jäger, Wildecker Herzbuben und Schafkopfturniere am Sonntag nach dem Kirchgang, ist im Niedergang begriffen: In Bayern sterben Dorfwirtschaften und Klöster nebeneinander.

Nun sagen ja manche, der NSA-Skandal mit Prism und seinen Auswüchsen in England wären so etwas wie ein 11-Meter für die Piraten. Meines Erachtens wäre es eher eine Möglichkeit, für Patrioten und deren Politiker, sich zu profilieren, denn so brutal ist dem Vaterlande schon seit Jahrzehnten keine Schmach mehr angetan worden, für die die Hand eigentlich reflexartig zum Hirschstecher in der Lederhose wandern müssen:

– Deutschland ist Partner und Angriffsziel dritter Kategorie.

– Die in der Verfassung garantieren Rechte und Freiheiten der Bürger werden mit Füssen getreten.

– Es geht eindeutig gegen die Organe dieses Staates, und seine Einrichtung.

– Man speist die Nation trotzdem mit Ausreden ab, und wird von den ebenfalls spionierenden Briten mit einem Veto an einer europäischen Aufklärung gehindert.

– Die Behandung der Heimat gleicht, grosso modo, mehr einem Vasallenstaat oder einem Protektorat, so dass man eigentlich auch vom Einflussbereich des Brüsseler Pakt sprechen könnte.

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Und da stellt sich dann natürlich die Frage, wie sehr man eigentlich einem Land, einem Patrioten und seinen vaterländischen Gefühl mit Anlauf ins Gesicht treten kann, bis es denen zu bunt wird. Die Antwort lautet: Praktisch unbegrenzt, wenn man sich das Verhalten eben jenes deutschen Innenministers ansieht, dessen vordringlichste Aufgabe eigentlich der Schutz der Rechte der Deutschen ist. Vermutlich könnte auch die Privatkorrespondenz von Friedrich auf einem NSA-Server liegen und ausgewertet werden, und er würde immer noch von Freunden und Partnern reden. Die Leidensfähigkeit der Patrioten jedenfalls ist in diesem Bereich sehr hoch, und das erstaunt dann doch: Eigentlich sind Patrioten ja die ersten, die zum Waffenschrank rennen, wenn die Heimat von fremden, undurchschaubaren Mächten bedroht ist. Natürlich schicken die heute keine Österreicher, Hunnen, Janitscharen oder Kommunisten mehr, sondern bei uns die Wanzen und danach beginnen die nächsten Kategorien: Da fliegen dann die Mörderdrohnen, und bringen jene um, die das Pech haben, falsche Häuser aufzusuchen.

Jetzt muss man sich natürlich nicht die Rückkehr der echten Patrioten von 1919 und der Ordnungszelle Bayern wünschen, aber es fällt schon auf, dass die wahrhaft patriotischen Reden dieser Zeit der Überwachung von jenen geschwungen werden, die hierzulande, auf auf den Wunsch des amerikanischen State Departments hin, eher als Linkspopulisten und Schlimmeres gescholten werden: In Südamerika hat man an höchsten Stellen kein Problem damit, die Ehre der Länder und des Kontinents beschmutzt zu sehen, und Wiedergutmachung zu fordern. Während in Europa ein Botschafter eines überwachten Landes in Wien versucht, auf einen blossen Verdacht hin an Bord des Flugzeuges von Evo Morales zu kommen, geht es in Südamerika verbal um die errungenen Freiheiten, die man in diesen Ländern noch nicht hatte, als man noch der Hinterhof der USA war, und nicht der gehätschelte Vorgarten, wie Europa. Der deutsche Patriot wird, so kann man den Eindruck bekommen, gerade mehr an den Anden statt am Hindukusch verteidigt: Dort sagen sie das, was man hier gar nie nicht über die Lippen bringen tut, in all den Kreisen, die bei den Beerdigungen gern Patrioten genannt werden.

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Statt dessen: Anständige Bürger haben nichts zu verbergen, das machen ohnehin alle, und es gibt grössere Bedrohungen, das dient höheren Zielen, ein Credo, das sicher auch die spanischen Inquisition und Herrn Metternich gefallen hät – oh Moment: Vielleicht ist das das Geheimnis jedes patriotischen Regimes: Man muss sich eben die richtige patriotische Epoche heraussuchen, dann bekommt man auch den Friedensnobelpreisträger Obama, die NSA und Waterboarding in die aktive Brauchtumspflege. Das kulminiert dann nicht in der nationalen Ehre, sehr wohl aber in der nationalen Sicherheit, an die man bitte denken möge. Und an deren nichtamerikanische und nichtbritische Bedroher, zu denen man gerade aber aus Grunden der Geheimhaltung nichts sagen kann.

Als guter Patriot, natürlich, egal was da noch kommen wird, an Erkenntnissen über die NSA und was deutsche Patrioten schon längst wussten.