Seit der Mensch Inhalte produziert, möchte er wissen, wie damit wenigstens sein täglich Brot erwirtschaftet. Die Suche nach Antworten war noch nie leicht, die Handschriftenwerkstätten in den Niederlanden beschäftigten zur Reduktion der Kosten Frauen, Gutenberg ging mit seiner Erfindung pleite, und der erste Wiegendruck war noch nicht trocken, da sinnierte man auch schon auf Raubdrucke und Schmutz und Schund im Sinne einer Produktdiversikation. Mit den modernen Zeitungen und Büchern hatte man dann ein System gefunden, das allen ihr Auskommen zu gewähren schien, und dann kam das Internet. Und seitdem sucht man unter vielen insolventen Gutenbergs der New Economy nach einem, der wie der Messias aussieht.

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Bis zu dieser Woche hätte man vielleicht sagen könne, der Messias sähe aus wie Mathias Müller von Blumencron, der Chefredakteur von Spiegel Online und Schöpfer des deutschen Marktführers. Zumal Blumencron auch klug genug war, jeder übereilten „Pay Content“-Strategie die Stirn zu bieten. Damit setzte er sich klar von der Springer-Strategie ab, möglichst viele zahlende Kunden zu gewinnen, auch wenn es Reichweite und Leser kostet. Wie sinnvoll Pläne sind, den Nutzern für nicht sonderlich exklusive Inhalte, die er zumeist überall findet, plötzlich nur noch gegen Bezahlung und dennoch werbungsverseucht zu liefern, ist jedoch angesichts der jüngsten Entwicklungen nur noch eine akademische Frage: Blumencron wird auf seinem Posten vermutlich abgelöst. Und damit ist das wichtigste Bollwerk gegen die versuchte Totalverwertung der Kunden weg. „Die New York Times macht das aber auch“, wird dann einer der Entscheider in den Verlagen sagen, der nicht versteht, dass es in Deutschland kein Onlineangebot wie die NYT gibt. Sondern hauptsächlich Versuche, die nicht sonderlich weit gediehen sind.

So hatte man früher die Idee, Zeitungen in einem dynamischen Medium ohne Links und Kommentare in E-Paper umzusetzen, und dann genau so zu verkaufen. Dann kam man auf die Idee, der normale Internetnutzer sei vielleicht wirklich zu geizig, aber all die schönen Trendanalysen zeigten unzweifelhaft auf, dass Mobilnutzer erheblich mehr zu zahlen bereit sind, um ihr Spielzeug herzuzeigen. Das Ergebnis dieser Neuausrichtung war die Entwicklung enorm teurer Apps, mit denen man sich in die Abhängigkeit von Apple und deren Preispolitik begab, und diese ernüchternde Erfahrung als hilfloser Zulieferer von Apple war dann auch schon wieder das Ende der Begeisterung für das Thema. Insofern wird man auch Hern Döpfner von Springer, der solche Ideen gern und laut propagierte, vielleicht nicht mehr zwingend als das Gesicht des journalistischen Onlinegeschäfts betrachten wollen.

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Es ist eine feine Ironie der Geschichte, dass es nun, nach all den Rückschlägen und Fehlentwicklungen, inzwischen doch jemanden gibt, dessen Erfolg man entsprechend herausstellen könnte, wäre es nicht für all die Berater und Produktentwickler so peinlich: Der Mann ist 85 Jahre alt, Rentner, kommt vom Fernsehen und hat sich damit auch gleich ans schwierigste aller Formate gemacht: Pay-TV im Netz. Und er hat nicht erst kostenlos geliefert und danach per Kostenpflicht kassiert. Das ganze Projekt haben die Nutzer vorfinanziert. Einfach so. 125.000 Euro wären nötig gewesen, über 150.000 sind zusammen gekommen. Das schafft kein Dieckmann und kein Döpfner, das kann kein Blumencron und keine WAZ oder SZ, die Videocasts mal für das grosse Ding gehalten haben. Das schafft der Kabarettist Dieter Hildebrandt. Und es lohnt sich zu überlegen, warum er das kann. Und andere nicht.

Denn die Idee „Dann mache ich halt im Netz weiter“ ist unter nicht mehr ganz taufrischen TV-Grössen gar nicht mal selten anzutreffen. Dazu zählen eher skurrile Versuche wie jener der damaligen Eva Herman, nach dem Ende der Karriere als Tagesschau-Moderatorin eine Nachrichtensendung beim Kopp-Verlag zu machen, die im Internet mitsamt kruden Verschwörungstheorien verbreitet wurde. Aber auch andere Berühmtheiten gaben nicht einfach so auf: Tita von Hardenberg führte das 2008 eingestellte Lifestyle-Magazin Polylux noch einige Jahre im Netz als Polylog.tv weiter. Und auch die geschasste Literaturkritikerin Elke Heidenreich war zuversichtlich, ihre Sendung im Internet erfolgreich weiterführen zu können. Nach anfänglich passablen Zahlen kippte das Projekt innerhalb eines Jahren in die Bedeutungslosigkeit, und wurde eingestellt – nicht ohne die Ankündigung, man hielte sich diese Option weiterhin offen.

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Nun ist das Subskriptionsmodell gerade wieder als Crowdfunding ein Modethema im Netz; es wirkt sozial, frei von der Beeinflussung durch wirtschaftliche Interessen, und zudem hoch effektiv: Während die Umsätze klassischer Medien weitgehend durch die Verlagsstrukturen wie Abowerbung und Anzeigengeschäft entstehen, und entsprechend wenig bei der Redaktion ankommt, verspricht Crowdfunding eine direkte Finanzierung der Autoren durch den Leser. Und offensichtlich ist der Wunsch, Hildebrandt ohne zwischengeschaltete Landesmedienanstalten zu sehen, nur dem Betrachter verpflichtet und daher unplugged, attraktiv genug. Es gibt ein Angebot des grossen, alten Mannes, es gibt eine Nachfrage, eine Plattform, auf der das abgewickelt wird, ohne GEZ-Zwang oder Auswahl zwischen 25 Sendern, die sich weitgehend angeglichen haben: Das läuft. In diesem einem Fall.

Nun ist Dieter Hildebrandt sicher in der erfreulichen Lebenslage, dass er das machen kann, aber nicht mehr machen müsste. Bei anderen, die sich momentan mit der Entwicklung geschäftigen, ist es dagegen eine pure Notwendigkeit, die Leserschaft zu kapitalisieren, ohne die Ochsentour über den Verkauf von Werbung – nicht gerade ein einfaches Geschäft – oder die Abhängigkeit von grossen Medienhäusern zu erdulden. Aber von wenigen erfolgreichen Beispielen abgesehen ist das Netz wie so oft voll mit Geschichten des Scheiterns: Sei es nun ein gross angekündigter Verlag mit Subskriptionsmodellen, dessen Start mehr und mehr nach hinten geschobem wird, oder echte Killerthemen wie ein Buch über den Untergang des Journalismus mit Finanzierung durch die im Internet zu werbenden Leser: Da ist zwar die Idee und der Wunsch nach Geld da, aber nicht die Hartknäckigkeit, das auch durchzusetzen.

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Natürlich fühlt man als Blogger mit einer gewissen Bekanntheit auch, dass es eine Unterstützung durch die Leser gibt. Die Vorstellung so eines Modells hat seine Verlockungen, aber es garantiert einem keiner, dass man daraus mit regelmässigen Einnahmen rechnen kann, und ob man alle paar Monate, wie es früher die taz getan hat, mit dem Klingelbeutel herumgehen will, muss man auch erst einmal überlegen. Man tauscht die Abhängigkeit vom Verlag gegen die Abhängigkeit von den Lesern ein, und wer weiss, ob die auch mal eine längere Krankheit finanzieren. Man geht einen Pakt ein, man muss liefern. Oder man muss es sich leisten können, es nicht zu tun, wie man das über all die Jahre bei den führenden deutschen Blogs und ihren gescheiterten Bestrebungen, Geld zu verdienen, mit anschauen musste. Aber der leichtere Weg wird vermutlich der sein, den jetzt schon diverse “freie” Auto-, Tech- und Modeblogger gehen: Schleichwerbung, Gewinnspiele, Einladungen, freundliche Berichterstattung. Auch hier sind die Wege zwischen Autor und Kunden kurz, und die Risiken einer juristischen Auseinandersetzung, wie sie einem beim kritischen Journalismus immer wieder befürchten muss, gering. Regensburg Digital ist so ein Fall. Kritisch, unabhängig, immer wieder in Prozesse verwickelt, und bei den Nutzern heiß geliebt. Ein leichter Weg ist das freilich nicht.